Montag, 15. Mai 2023

Kampfbegriff »Planwirtschaft«; Von der Notwendigkeit, einen Plan zu haben

Spiegel hier  Eine Kolumne von Christian Stöcker 14.05.2023,

Wir müssen schnell raus aus fossilen Brennstoffen, ohne jeden Zweifel. Alternativen müssen her, schleunigst. Dafür braucht man einen Plan, der leider jahrzehntelang fehlte. »Planwirtschaft« ist das nicht.

Eines der meist-missbrauchten Wörter der vergangenen Monate ist »Planwirtschaft«. Es bezeichnet laut dem »Lexikon der Wirtschaft «: »Eine Wirtschaftsordnung, in der das gesamte wirtschaftliche Geschehen von einer zentralen Stelle nach politischen und wirtschaftlichen Zielvorstellungen geplant, gelenkt und verwaltet wird.«

Es gibt in Deutschland keine »zentrale Stelle«, die »das gesamte wirtschaftliche Geschehen« plant, lenkt (!) und verwaltet. Wir leben in einer Markt-, nicht in einer Planwirtschaft. Nicht alle scheinen das zu verstehen.

Besonders groß scheint die Verwirrung bei Unternehmen und deren Verbänden, die mit fossilen Brennstoffen viel Umsatz machen. Gerald Linke zum Beispiel wollte diese Woche einen »planwirtschaftlichen Kurs bei der Wärmewende« erkannt haben , weil neue Heizungen künftig – wie bereits im Koalitionsvertrag von 2021 festgelegt – mit 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden sollen.

Wer ist Gerhard Linke? Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs, eines Verbands, in dem deutsche Gasversorger wie Stadtwerke organisiert sind. Was Linke also eigentlich meint, wenn er »planwirtschaftlich« sagt, ist: Es gibt einen Plan, und der ist für meine Branche ein Problem.

So ähnlich haben sich die Hersteller von Ozonloch-reißenden Flurchlorkohlenwasserstoffen in den Achtzigern vermutlich gefühlt: Man hatte, wie beim CO₂, erkannt, dass ihr Produkt die Menschheit in große Gefahr bringt. Mit »Planwirtschaft« hat das unvermeidliche Ende fossiler Geschäftsmodelle so wenig zu tun wie das Montreal-Protokoll, das die Menschheit vor dem Ozonloch bewahrte, die Katalysatorpflicht für Autos oder Verpflichtung für Kraftwerksbetreiber, Stickstofffilter einzubauen. Gesetze zur Abwendung von Schäden durch Industrien sind Ordnungspolitik, keine »Planwirtschaft«.

Nur noch Nebelkerzen

Erwartungsgemäß fabulierte Linke wieder von »Wasserstofftechnik« für Heizungen. Das ist, man muss es so hart sagen: Desinformation. In Deutschland wird in Zukunft mit absoluter Sicherheit nicht in großem Stil Wasserstoff in Heizkesseln verfeuert werden, denn das ist ineffizient und gefährlich. Es existiert weder die nötige Technik noch das nötige Netz (vom grünen Wasserstoff selbst gar nicht zu reden ).

Zur Erinnerung: Im kalten Norwegen heizen schon jetzt 60 Prozent der Haushalte mit Wärmepumpe , im kalten Finnland 40 Prozent. Das ist auf lange Sicht nicht nur gut fürs Klima, sondern auch billiger.

Der gleiche Sprechzettel

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer liest offenbar vom gleichen Sprechzettel ab wie Gaslobbyist Linke: Er habe zwar selbst kürzlich eine Wärmepumpe eingebaut, bekannte er im März in einer Talkshow , aber die Heizungspläne der Bundesregierung seien trotzdem: »Planwirtschaft«.

Wie gewohnt toppt die AfD die Hitliste der Begriffsverdreher: Ein Abgeordneter der Rechtsextremismus-Verdachtspartei erklärte kürzlich, der 12-Milliarden-Dollar-Deal der deutschen Firma Viessmann mit einem US-Konzern sei »das Resultat ideologischer Planwirtschaft«. Darauf muss man erst mal kommen.

16 Jahre ohne Plan

Was diejenigen, die »Planwirtschaft« als Kampfbegriff verwenden, eigentlich wollen, ist Planlosigkeit. Oder Pläne, die sterbende Industrien künstlich am Leben erhalten sollen. Das lief doch die letzten vier Legislaturperioden auch so!

Wir haben uns aber, im eigenen Interesse, zu Klimazielen verpflichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat sogar festgestellt, dass Klimaschutz in Deutschland Verfassungsrang hat. Ein Spitzenmanager, der bei einer Aktionärsversammlung keinen Plan zur Erreichung der Ziele für das nächste Geschäftsjahr vorlegen kann, wird seinen Job nicht behalten. Und in der Politik?

Tatsächlich wurde Deutschland sechzehn Jahre lang von Koalitionen regiert, die keinen Plan hatten, wie das Land klimaneutral werden könnte. Die erneuerbaren Energien wurden zwar ausgebaut, aber zu langsam. Anfängliches Wachstum wurde aktiv erstickt, die Wärmewende immer wieder vertagt. Man hielt fest an russischem Öl und Gas. Man verteidigte die Automobilindustrie tapfer gegen jeden drohenden Grenzwert. Jetzt steht nicht nur das Land dumm da, sondern auch ein Teil der Industrie. Da wäre ein Plan schon gut gewesen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen