Deutschland wird dieses Zaudern noch selbst zu spüren bekommen, fürchte ich.
Süddeutsche Zeitung 18. Mai 2023, Von Marc Beise, Rom
An der Adria steht die Badesaison bevor, doch nun sind viele Strände verwüstet. Nach Unwettern rund um Bologna und Rimini steigt die Zahl der Toten auf mindestens 13. Das Auswärtige Amt warnt vor Einschränkungen für Urlauber.
Ungläubiges Staunen: Ist das Italien, im Mai? An der Adria steht die Badesaison bevor, die Pfingsturlauber werden erwartet, und jetzt das: Regen, Regen, Regen. Erst sah es nur nach schlechtem Wetter aus und auch die Warnmeldungen des Katastrophenschutzes ließen noch nicht wirklich erahnen, was kommen würde. Es ist nicht der große Po, der jetzt sein Bett sprengt, sondern es sind kleine Flüsse, am Ende rund 120 an der Zahl, die sich im Dreieck Bologna, Ravenna und Rimini zu reißenden Strömen entwickeln und in die Städte und Dörfer einfallen. In zwei Wochen so viel Regen wie sonst in sechs Monaten, das kann die Erde nicht aufnehmen, die Dämme bröckeln, Brücken brechen ein, es gibt Unterspülungen und Erdrutsche, und nun steht eine ganze Region unter Wasser.
Bilder aus der Luft zeigen das Ausmaß des Dramas, wie man es hier bisher nicht kannte. Extremen Regen gab es eher im Westen des Landes, in Ligurien, Piemont, auf Sardinien, auch Sizilien. Die Meteorologen können erklären, was sich verändert, sie sprechen von Tiefdruckgebieten über dem Mittelmeer, die durch Luftverschiebungen über dem Atlantik blockiert und nach Osten abgedrängt werden. Den Menschen in der Emilia-Romagna helfen solche Erklärungen jetzt nicht, sie kämpfen ums Überleben und ihr Hab und Gut.
Die Verzweiflung spielt sich am Boden ab, es sind die Schicksale einzelner Menschen. Die Bäuerin Marinella, die bei einem letzten Kontrollgang über ihren Hof vom Wasser ergriffen und 20 Kilometer weiter gefunden wurde, tot. Der Mann, der es nicht mehr aus dem Keller nach oben schaffte, während seine verzweifelte Frau von Rettern aus dem Haus geholt wurde. Menschen, die sich in letzter Minute aufs Dach retten konnten. Eine erste Bilanz von Donnerstagnachmittag: mindestens 13 Tote, viele Verletzte, Tausende aus ihres Häusern gerettete Menschen, 27 000 Menschen ohne Strom. Und Unzählige, für die die vergangenen zwei Tage eine Apokalypse waren, die sie nicht mehr aus dem Kopf bekommen werden.
An der Adria-Küste sieht es nicht besser aus. Strände sind verwüstet, viel Sand ist verschwunden. Das Auswärtige Amt hat inzwischen neue Reise- und Sicherheitshinweise für Italien herausgegeben - und warnt Urlauber vor Extremwetter, Überschwemmungen und Erdrutschgefahr. An diesem Wochenende sollte die Saison losgehen, jetzt bestimmen andere Themen die Agenda. Aber die Strandbetreiber gucken nach vorne. Sie räumen auf, streichen nach - und warten auf Gäste. Doch der Wetterbericht sagt neuen Regen voraus.
NTV hier
Extremwetter infolge des Klimawandels: Italien wetterfest machen
Italien gilt als Hotspot des Klimawandels, die jüngste Flutkatastrophe ist nur ein Vorbote. Die Regierung braucht jetzt schnelle Konzepte.
Von der Dürre in die Traufe: Dieses Schicksal erlebt jetzt die norditalienische Region Emilia-Romagna. Im letzten Jahr wurde der gesamte Norden Italiens, vorneweg die Poebene, von einer beispiellosen Dürre heimgesucht, im vergangenen Winter ebenso wie in den ersten Frühlingsmonaten dieses Jahres waren die Niederschlagsmengen erneut viel zu niedrig. Es drohte eine Wiederholung des Vorjahres mit seinen staubtrockenen Feldern und den massiven Ernteausfällen.
Zu Ausfällen bis hin zum Totalverlust der Ernte wird es auch in den nächsten Monaten kommen – allerdings aus exakt dem entgegengesetzten Grund: Eine wahre Sintflut setzte weite Teile der Region unter Wasser, verursachte gigantische Schäden in den Städten, auf den Feldern, an den Infrastrukturen.
„Extremwetterlage“: Dieser Begriff gehört auch in Italien mittlerweile zum Alltagswortschatz. Ins Alltagswissen hat auch der Grund für die sich häufenden meteorologischen Extreme gefunden: der Klimawandel oder besser das Klimadesaster. Italien gilt als Hotspot im Klimawandel, als Land, das mit überdurchschnittlichen Temperatursteigerungen konfrontiert sein wird. (so wie unsere Region auch)
Mit dieser Entwicklung dürfe man sich nicht abfinden, erklären jetzt Meteorologen und Physikerinnen auf allen italienischen TV-Kanälen, denn es werde nur noch schlimmer kommen als jetzt schon, wenn der Erderwärmung nicht Einhalt geboten werde. Für den Moment, so die Expert*innen, müssen wir uns auf die potentiell desaströsen Folgen des Klimawandels einrichten: die Städte und Infrastrukturen gleichsam wetterfest machen.
Auch auf Italien kommt da ein Milliardenprogramm an den dazu notwendigen Investitionen zu. Das ist selbst der Rechtsregierung unter Giorgia Meloni nur zu bewusst, sprach doch ihr Minister für Katastrophenschutz Nello Musumeci jetzt von „Milliarden, die wir für die Prävention benötigen“. Auch Geld wäre da, dank des Programms NextGenerationEU. Was jedoch weiterhin fehlt, sind ausgearbeitete Konzepte. Die werden jetzt dringend gebraucht.
Neun Tote und ganze Städte unter Wasser: Verheerende Regenfälle haben die Region Emilia-Romagna in Italien heimgesucht - die Feuerwehr brachte Tausende Menschen in Sicherheit. Die Regierung sieht den Klimawandel als Ursache.
Kronenzeitung hier
Dauerregen mit Folgen: Häuser in Tirol abgeschnitten, Straße abgesackt
Manche Anrainer machen das Beste aus der Situation und gehen neuen Hobbys nach, wie etwa der Suche nach Münzen und Schmuck. Doch das große Fischsterben von vor einigen Monaten sitzt noch tief in den Knochen.
Ein Anrainer berichtet: „Man hat gewusst, dass der See austrocknet. Wenn man die Fische früher rausgenommen hätte, hätte man sehr viele mehr retten können. Und das war verheerend, da sind Container gestanden, dann sind sie mit dem Bagger gefahren und haben die toten Fische hineingetan und abtransportiert.“
Schaden von fünf Millionen Euro
Massiver Regen: Berg schiebt halbes Dorf Richtung Bayern
Von t-online18.05.2023 hier
Gefahr aus der Höhe: Durch den starken Regen der letzten Wochen ist in Österreich ein Berghang ins Rutschen geraten. Ein Dorf an der deutschen Grenze ist akut bedroht.
An der deutsch-österreichischen Grenze spielt sich in diesen Tagen ein bedrohliches Naturschauspiel ab: Am Pfänder, einem beliebten Wanderberg in Vorarlberg auf der österreichischen Seite, ist durch die massiven Regenfälle der letzten Tage ein großer Hang in Bewegung geraten.
Wie der ORF und die örtlichen Einsatzkräfte berichten, ist der Berghang in den vergangenen Tagen um mehrere Meter in Richtung Westen zur deutsch-österreichischen Grenze gerutscht, die rund zwei Kilometer entfernt liegt.
Laut dem Landrat von Vorarlberg ist der Hang allein am vergangenen Wochenende rund 2,5 Meter weit gerollt. An der am stärksten betroffenen Stelle sollen es rund sieben Meter sein.
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