Schwächelnde Grünen nach der Bremen-Wahl: Nervöse Mittelschicht
Die Krise der Grünen liegt nicht an diversen Fehlern. Die Partei stößt an Grenzen, weil die Klimawende an die Privilegien der Mittelschicht geht.
Jetzt stecken sie also in der Krise, die Grünen. Weil sie immer wieder provokante Symbolpolitik zur Unzeit machen, in Bremen die Brötchentaste abschaffen und in Berlin die Friedrichstraße für Autos sperren? Weil Habeck seine Heizungspläne nicht ordentlich kommuniziert, und überhaupt, Graichen? Wär’ schön, wenn das wirklich die Gründe für das schlechte Abschneiden der Grünen in Bremen und sinkende Umfragewerte im Bund wären. Dann bräuchten sie nur bessere Parteimanager und Pressesprecher. Aber so ist es ja nicht. Die Gründe für die Krise liegen tiefer.
Nach über einem Jahr Ampel wird sichtbar, auf was grüne Politik im Bund abzielt, wenn sie Gestaltungsspielraum erhält: auf den Lebensstil der Mittelschicht. Ihr gehören all jene an, die sich von ihrem Gehalt gerade so eine schöne Wohnung, ein- bis zweimal im Jahr einen Urlaub und vielleicht ein Auto leisten können, bis zu solchen, die es zu einem Eigenheim und Fernreisen bringen.
Sie machen noch immer deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus. Im Vergleich zu ihren Vorfahren und zu Zeitgenossen in vielen Teilen der Welt leben sie ein Leben in Luxus. Denn eine durchschnittliche Wohnfläche von rund 48 Quadratmetern pro Kopf, ein unüberschaubares Angebot an Lebensmitteln jeden Tag und jährlich 11.000 gefahrene Kilometer im Auto sind genau das: ressourcenfressender Luxus. So kann das nicht bleiben.
Was bedeutet das? Wer das Privileg hat, im eigenen Haus zu wohnen, wird sich in den nächsten Jahren Geld für eine klimaneutrale Heizung zurücklegen müssen – auch wenn dies Urlaub in der Eifel oder im Garten bedeutet. Statt in Reisen oder Elektronik wird Einkommen in Energieeffizienz und umweltfreundliche Produktion fließen. Die Armen leben schon heute gezwungenermaßen umweltfreundlich, die richtig Reichen können sich Klimaschutz ohne Einbußen leisten. Verzichten muss die Mittelschicht. Das ist nicht schön, aber notwendig.
Die Öko-Klientel ist klein
Wer glaubt, dieser Prozess scheitere an der Dämlichkeit der Grünen, unterschätzt also die Aufgabe und den Widerstand, den sie hervorbringen wird. Die Partei stützt sich auf eine relativ kleine Öko-Klientel, mehrheitsfähig war ihr Programm nie, und das wird es auch nicht. Die einzigen, die notwendige Verhaltensänderungen der Mittelschicht organisieren können und zumindest das Zeug dazu haben, es zu wollen, sind die Sozialdemokraten.
Sie sind gesellschaftlich breit verankert, und sie haben zumindest den Anspruch, Zukunft zu gestalten, statt, wie Union und Liberale, nur die Vergangenheit zu verwalten. Die richtige Antwort auf die Krise der Grünen wäre also eine mutige SPD. Dass sie in Bremen gerade mit Mutlosigkeit erfolgreich war, stimmt allerdings skeptisch.
RND hier
Berliner Heizungsstreit und Bremer „Brötchentaste“: die Grünen in der Krise
Wir müssen uns stärker absichern, dass gefundene Kompromisse auch von allen Seiten getragen werden.“ Da schwingt Kritik an Habeck mit.
unsere Vorhaben ganz bewusst falsch zu verstehen.
Dazu gehören auch unsere Koalitionspartner.
Tarek Al-Wazir, Grünen-Spitzenkandidat für die hessische Landtagswahl
Der hessische Grünen-Spitzenkandidat für den Urnengang im Herbst, Tarek Al-Wazir, erklärte: „Ich würde allen dazu raten, nicht panisch zu werden.“ Und: „Das Gebäudeenergiegesetz muss in den nächsten Monaten verabschiedet werden, inklusive des sozialen Ausgleichs. Denn das Allerwichtigste für die Menschen ist Planungssicherheit.“
Allerdings warnte Al-Wazir wie Hofreiter: „Wir müssen künftig stärker mitdenken, dass viele ein Interesse daran haben, unsere Vorhaben ganz bewusst falsch zu verstehen. Dazu gehören auch unsere Koalitionspartner. Im aktuellen Fall heißt das: Das eine sind die Heizungen der Zukunft, das andere ist der soziale Ausgleich. Das muss man gleichzeitig kommunizieren.“
Der Parteivorsitzende Omid Nouripour sagte unterdessen, die „Brötchentaste“ habe „hart reingeschlagen“. Und die Gesellschaft sei „müde nach all den Krisen der letzten Jahre“. Das müsse die Partei bedenken und dürfe keine unnötigen Angriffsflächen bieten. Ebenso falsch sei es aber, die eigenen „Ambitionen aufzugeben. Das dürfen wir nicht.“
Nouripour wies im Übrigen darauf hin, dass die Grünen bei der Kommunalwahl in Flensburg 5 Prozent hinzugewonnen hätten. Flensburg – das ist Robert Habecks Heimat.
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