Gardasee und Bodensee schrumpfen
Viele große Seen weltweit verlieren Wasser
NTV hier 18.05.2023
Bilder vom ausgetrockneten Gardasee sorgen in Europa für Beunruhigung. Eine Studie zeigt nun, dass weltweit die Hälfte aller großen Seen schrumpft. Allerdings stoßen die Wissenschaftler auch auf Gewässer, die zulegen und leiten daraus Regeln ab.
Mehr als die Hälfte der größten Seen weltweit verliert Wasser. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach der Auswertung von Satellitendaten im Fachblatt "Science". Die Austrocknung geht den Wissenschaftlern zufolge größtenteils auf die Erwärmung des Klimas und menschlichen Verbrauch zurück. Doch die Analyse enthält nicht nur Hiobsbotschaften: Die Autoren geben auch Hinweise, wie der Wasserrückgang reduziert werden könnte.
Natürliche Seen und Stauseen speichern etwa 87 Prozent des Süßwassers der Erde, obwohl sie nur drei Prozent der Landfläche bedecken, schreibt die Gruppe. Doch vielerorts sind diese Wasserreservoire bedroht: So vermeldete der Nordosten Spaniens erst kürzlich, dass die Stauseen in Katalonien nach monatelanger Dürre im Schnitt nur noch zu 26 Prozent gefüllt sind - vor einem Jahr waren es noch 58 Prozent. In Italien wurde für den Gardasee kürzlich ein ungewöhnlich niedriger Wasserstand verzeichnet.
Schon in den vergangenen Jahren ergaben Studien, dass das Volumen von Seen weltweit schrumpft, wobei immer wieder der Klimawandel als Faktor für die Entwicklung genannt wurde. Welchen Einfluss kurz- und langfristige Klimaschwankungen global auf das in Seen gespeicherte Wasser genau nehmen, ist allerdings schwer zu bestimmen, da auch menschliche Aktivitäten wie die Bewirtschaftung von Stauseen, Wasserentnahmen und Landnutzungsänderungen eine Rolle spielen. Die Studie des Teams um den Hydrologen Fangfang Yao von der University of Colorado in Boulder zeichnet nun ein genaueres Bild.
Die Forschenden entwickelten eine Technik zur Messung von Veränderungen der Wasserstände in fast 2000 der größten Seen und Stauseen der Welt, die zusammen grob 90 Prozent des in Seen gespeicherten Süßwassers beinhalten. Um Veränderungen der Wasserstände zu erfassen, nutzte das Team 250.000 Satellitenaufnahmen von 1992 bis 2020. Das Ergebnis: 53 Prozent der Seen weltweit verzeichneten zum Teil erhebliche Wasserverluste. Im Schnitt betrug dieser insgesamt etwa 22 Gigatonnen pro Jahr. Das entspricht knapp der Hälfte des Wasservolumens des Bodensees, der selbst auf einer zur Studie veröffentlichten interaktiven Karte als schrumpfendes Gewässer geführt wird.
Um diese Entwicklung zu erklären, nutzten die Wissenschaftler Klima- und Hydrologiemodelle. Demnach sind für den Volumenrückgang natürlicher Seen in erster Linie der Klimawandel und menschlicher Verbrauch verantwortlich. Ein Wasserschwund war dabei - entgegen früherer Studien - nicht nur in trockenen, sondern auch in feuchten Weltregionen wie den Tropen nachweisbar. Mit Blick auf Stauseen stellte das Forschungsteam für zwei Drittel dieser Gewässer erhebliche Wasserverluste fest. Hier waren vor allem Ablagerungen ursächlich. Dazu kommt es, weil Staumauern den natürlichen Abtransport von Sedimenten in Flüssen wie etwa Sand, Kies oder Geröll blockieren. Über die Zeit sammeln sich diese Ablagerungen in Stauseen an und verringern so deren Volumen.
Erst kürzlich hatte eine UN-Studie im Fachblatt "Sustainability" gewarnt, dass die weltweiten Stauseen bis 2050 rund ein Viertel ihrer ursprünglichen Speicherkapazität durch den Eintrag von Sedimenten zu verlieren drohen. Für Deutschland wurde ein Volumenverlust von 35 Prozent vorhergesagt.
Müritz verzeichnet wachsendes Volumen
Während der aktuellen Arbeit zufolge die Mehrheit der Seen weltweit schrumpft, gab es bei 24 Prozent einen deutlichen Anstieg des Wasservolumens. Dazu gehören Gewässer in wenig bevölkerten Gebieten des inneren tibetischen Plateaus, in den Great Plains der USA sowie Regionen mit neuen Stauseen wie den Flussgebieten des Jangtse, des Mekong und des Nils. Auch die Müritz in Mecklenburg-Vorpommern wird auf der zur Studie gehörenden interaktiven Karte als See mit wachsendem Volumen verzeichnet.
Die Autoren betonen, ihre Analyse sei nicht nur eine Bestandsaufnahme, sondern enthalte auch Hinweise auf mögliche Lösungen. "Wenn der menschliche Verbrauch ein wichtiger Faktor für den Rückgang der Wasserspeicher in den Seen ist, können wir uns anpassen und neue Strategien erforschen, um den Rückgang in großem Maßstab zu verringern", sagt Mitautor Ben Livneh. Als Beispiel nennt er den Sewansee in Armenien, bei dem eine Reglementierung der Wasserentnahme dafür gesorgt habe, dass sich das Volumen vergrößerte.
Wie wichtig solche Gesetze weltweit wären, betont Geophysikerin Sarah Cooley von der University of Oregon in einem Kommentar zur Studie. Sie verweist auf das Ergebnis, dass schätzungsweise fast ein Viertel der Weltbevölkerung in einem Einzugsgebiet mit einem großen, austrocknenden See lebe: "In Anbetracht der Bedeutung dieser Seen für Ökosysteme, Wasserversorgung, Bewässerung und/oder Wasserkraft sind die potenziellen Folgen des Austrocknens von Seen sowohl lokal als auch global von Bedeutung."
Satellitendaten deuten darauf hin, dass die Mehrheit der Seen seit 1992 geschrumpft ist. Was bedeutet das für die Wasserversorgung?
Mehr als die Hälfte der größeren Seen und Stauseen weltweit hat seit 1992 signifikant an Volumen verloren, nur ein Viertel gewann Wasser hinzu. Das ist das Ergebnis einer großen Datenanalyse, die ein Team um Fangfang Yao von der University of Colorado Boulder in Science veröffentlicht hat. Als wichtigste Gründe nennen die Forscherinnen und Forscher mehr Verdunstung durch steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster und veränderte Wassernutzung.
Natürliche und künstliche Seen bedecken zwar nur drei Prozent der Erdoberfläche, speichern aber 87 Prozent des flüssigen Oberflächen-Süßwassers. Damit sind sie nicht nur wichtig als Ökosysteme, sondern auch für Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung. Es gab aber bislang kein globales Inventar, wie es um die Entwicklung der Wassermenge in den unzähligen kleinen und größeren Seen weltweit insgesamt steht. Das Team um Yao hat nun aus Satellitenmessungen von Ausdehnung und Wasserhöhe der Seen, kombiniert mit Klima- und hydrologischen Modellen, einen Datensatz der Wasserstandsentwicklung der knapp 2000 größten Seen der Welt erstellt und in einer interaktiven Karte veröffentlicht.
Auf dieser sind auch zwei Gewässer vertreten, die - ganz oder teilweise - in Deutschland liegen: Der Bodensee, der laut den Daten der Forscher über den betrachteten Zeitraum jährlich knapp sechs Millionen Tonnen Wasser verloren hat, das wäre über den ganzen, 536 Quadratkilometer großen See verteilt rund ein Zentimeter Pegelhöhe pro Jahr. Als Hauptgrund geben die Forscher den Klimawandel an. Und die Müritz, die ihrerseits laut den Daten seit 1992 jährlich im Mittel fast 200 000 Tonnen Wasser hinzugewonnen hat, ein Grund wird hier nicht angegeben.
Allein das Kaspische Meer verliert jährlich 19 Milliarden Tonnen Wasser
Die Verluste in den schrumpfenden Seen weltweit können steigende Wassermengen in den wachsenden den Daten zufolge nur zu rund einem Drittel ausgleichen. Insgesamt bleibt unter dem Strich bei den vermessenen Seen ein jährlicher Rückgang von fast 22 Gigatonnen Wasser, was etwa sieben Mal dem Volumen des Starnberger Sees entspricht.
Der Großteil davon geht auf einige wenige, gigantische Seen zurück: Allein um rund 19 Gigatonnen schrumpft jährlich das Kaspische Meer, der größte - allerdings salzige - See der Erde. Nach Ansicht der Forscher hauptsächlich aufgrund von weniger Niederschlag und Zufluss, andere Studien hatten die Verluste auf steigende Verdunstung zurückgeführt. Würde man diesen See aus der Rechnung nehmen, sähe die weltweite Wasserbilanz schon viel besser aus.
Die Forscher betonen jedoch, dass die Dominanz menschlicher Einflüsse dennoch deutlich bleibt: Auch wenn man das Kaspische Meer außer Acht lässt, geht rund ein Viertel der Wasserverluste in den anderen schrumpfenden Seen auf mehr Verdunstung wegen steigender Temperaturen zurück, ein Viertel auf Übernutzung und ein Viertel auf weniger Niederschlag und Zufluss, was auch oft im Zusammenhang mit dem Klimawandel steht. Immerhin jeder vierte Mensch auf der Erde, schätzen die Forscher, lebe im Einzugsbereich eines schrumpfenden Sees.
Die Daten deuten auch darauf hin, dass eine populäre Zusammenfassung der Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt vielleicht doch etwas zu stark vereinfacht ist: "Nass wird nasser, trocken wird trockener", heißt es oft. Was auch nicht ganz falsch ist, denn tendenziell bekommen heute schon feuchte Regionen künftig noch mehr Niederschlag ab, trockene Gegenden noch weniger. Wenn jedoch selbst viele Seen in feuchten Regionen - wie der Bodensee zwischen dem nassen Süddeutschland, dem noch nasseren Österreich und der patschnassen Schweiz - unter dem Strich Wasser verlieren, zeigt das, dass das Prinzip seine Grenzen hat. "Wir sollten nicht erwarten, dass mehr verfügbares Wasser in feuchten Gebieten die Wasserverluste in trockenen ausgleicht", betont die Geografin Sarah Cooley von der University of Oregon in einem begleitenden Artikel in Science.
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