Tagesspiegel hier Christian Schröder
Die Folgen des Klimawandels
Wie lange werden die Deiche an der Nordsee halten, wenn der Meeresspiegel weiter steigt? Der niederländische Historiker Rutger Bregman warnt vor der großen Flut.
Der Historiker, Aktivist und Journalist Rutger Bregman, 33, hat in Utrecht und an der University of California in Los Angeles studiert. Beiträge von ihm erscheinen regelmäßig im niederländischen Online-Magazin „De Correspondent“. In seinem Bestseller Im Grunde gut (2020) beschreibt Bregman die Menschheitsgeschichte als auf Kooperation beruhende Fortschrittserzählung. Sein neuer Essay Wenn das Wasser kommt (Rowohlt Taschenbuch, 63 Seiten, 8 €), den Bregman mit der „Spiegel“-Journalistin Susanne Götze veröffentlicht hat, handelt von den dramatischen Folgen des Klimawandels. Lange haben die Holländer den Fluten getrotzt und immer wieder Land aus dem Meer gewonnen. Sie könnten Pioniere sein in einem Kampf, bei dem es für die ganze Menschheit ums Überleben geht.
Herr Bregman, die Niederlande
kämpfen seit Jahrhunderten mit dem Meer, bauen Deiche, schaffen
Rückhalteflächen. Reicht dieses Wissen, um den Klimawandel zu bestehen?
Die
große Flutkatastrophe von 1953 liegt zwei Generationen zurück, unsere
Großeltern erinnern sich noch daran. Deiche brachen, 1835 Menschen
starben. Es hätte noch viel schlimmer kommen können, halb Holland hätte
absaufen können. Das Desaster führte zum Bau des Deltawerkes, einem
Weltwunder der Ingenieurbaukunst. Seitdem schützt uns dieses System von
Deichen und Sperrwerken gegen Hochwasser und Sturmfluten. Allerdings
funktioniert es nur bis zu einem Anwachsen des Meeresspiegels um 85
Zentimeter. Bei den Bedrohungen, die durch den Klimawandel auf uns zukommen, geht es aber nicht mehr um Dezimeter. Sondern um mehrere Meter, die das Meer wachsen kann.
Welche Konsequenzen hat das?
Wir
wissen noch nicht genau, wie empfindlich die Polkappen reagieren, wie
hoch der Meeresspiegel sein wird und wie effektiv die Klimapolitik. Wenn
ich ein Haus kaufen möchte und der Makler mir sagt, dass es eine
Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent gibt, dass es einstürzt, dann würde
ich dort wahrscheinlich nicht mit meiner Familie leben wollen. Das
existenzielle Risiko durch den Klimawandel nehmen wir immer noch nicht
ernst genug. Es geht es um die Frage: Können die Niederlande in 100 oder
200 Jahren noch existieren? Oder müssen wir alle um Exil in Deutschland
bitten?
In
Ihrem Buch zeigt eine Landkarte, was bis zum Jahr 2300 passieren
könnte. Bis auf einen kleinen Teil im Südosten wären die Niederlande
verschwunden. Wie realistisch ist eine solche Vision?
Die
Klimaforscher sind sich darin einig, dass es zu einem massiven
Ansteigen des Meeresspiegels kommen wird. Die Frage ist nur: Passiert es
in den nächsten 100, 200 oder 300 Jahren? In der Antarktis gibt es
genug Eis, um den Meeresspiegel um 50 Meter steigen zu lassen. Zum Glück
schmilzt Eis langsam. Manche Leute sagen: Bis zum Jahr 2100 ist es noch
weit. Aber ich bin vor vier Monaten Vater geworden. Wenn alles gut geht
und sie 80 oder 90 wird, erlebt meine Tochter diese neue Wirklichkeit.
Liest man den im August veröffentlichten Report des International Centre
for Theoratical Physics (ITCP), dann werden die Prognosen
pessimistischer. Der Alarm, den die Wissenschaftler schlagen, wird seit
zehn Jahren lauter und lauter.......
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