Samstag, 29. Januar 2022

„Wir brauchen eine naturbasierte Klimapolitik“

 Frankfurter Rundschau hier

Die alleinige Fokussierung auf technische Projekte reicht nicht aus, sagt der Umweltforscher Udo E. Simonis. Er betont, wie wichtig Wälder und Moore als CO2-Speicher sind

Professor Simonis, Sie beobachten die internationale Klimapolitik seit über drei Jahrzehnten. Nicht einmal ein so radikaler weltweiter Eingriff wie Corona hat den Anstieg der Emissionen dauerhaft gebremst. Müssen wir die Hoffnung aufgeben, dass das 1,5-Grad-Sicherheitslimit halten wird?

Ich befürchte, ja. Und der Grund ist hausgemacht: Ein effektiver internationaler Vertrag bedarf staatlicher Verpflichtungen, das Pariser Klimaabkommen beruht aber auf freiwilligen nationalen Zusagen zu Emissionsminderungen. Ein 1,5-Grad-Pfad ist da nicht in Sicht.

Aber wenigstens das Zwei-Grad-Limit, das der Paris-Klimavertrag mindestens fordert?

Viele, nahezu alle der jüngsten Trendeinschätzungen enden bei weit über zwei Grad. So findet denn auch das in Teilen hochriskante Geoengineering zunehmend neue Unterstützer. Das Einbringen von Schwefelverbindungen in die Atmosphäre zur Abkühlung zum Beispiel, also sozusagen künstliche Vulkanausbrüche.

Sie fordern eine grundlegende Neuausrichtung der Klimapolitik. Was muss passieren?

Nicht nur ich fordere das, die „Fridays for Future“-Bewegung tut es, und eine Reihe von wissenschaftlichen Instituten fordert dies auch. Wir brauchen eine naturbasierte Klimapolitik, die unter anderem konsequent die Aufforstung und die Renaturierung von Mooren fördert.

Die Wald-Option ist umstritten. Eine Schweizer Studie, die 2019 Furore machte, hat die Möglichkeiten der Aufforstung offenbar zu optimistisch eingeschätzt …

Das sehe ich völlig anders: Die Wald-Option wurde nie ernsthaft und in großem Stil betrieben. Die Studie der ETH Zürich hat aufgezeigt, dass der globale Waldbestand ohne größere Flächenkonflikte um 0,9 auf insgesamt 4,4 Milliarden Hektar aufgestockt werden könnte, womit das Potenzial einer solchen Re-Naturierung des Planeten Erde bei mehr als 500 Milliarden Bäumen liegen würde. Im vorletzten Jahr hat die Bevölkerung eines der ärmsten Länder Afrikas, Äthiopien, nach guter Vorbereitung an einem einzigen Tag 354 Millionen Bäume gepflanzt. Das war Weltrekord. In Deutschland ist der Waldbestand auf dem historisch niedrigsten Niveau.

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