Sonntag, 23. Januar 2022

Gut zu wissen: §13b der Flächenfresser

Bedeutung von §13b beim Flächenverbrauch

Die Fortschreibung des Regionalplanes war begleitet von massiven und lauten Protesten.

In der lokalen Schwäbischen Zeitung hieß es am 4.1.22:

Einen solchen Widerstand und Proteste gegen die Fortschreibung eines Regionalplans wie im vergangenen Jahr hat es in der Region noch nicht gegeben. Vor allem Naturschützer, Klimaaktivisten und die Gegner der umstrittenen Kiesgrube in der Nähe des Vogter Teilorts Grund schlossen sich zu einem breiten Aktionsbündnis zusammen. Baumbesetzer machten sich im Altdorfer Wald breit, Diskussionsrunden und Demonstrationszüge hat es gegeben.

Besonders der ungebremste Flächenverbrauch, der durch die überzogenen „Bedarfe“ der Regionalplanung auch noch legitimiert wird, war Inhalt der Proteste („KlimaHöllenPlan“)

 

Trotz anders lautender Aussagen des statistischen Landesamtes beharrte der Regionalverband auf einem Wohnflächenbedarf von 1000 ha bis zum Jahr 2035
(als „Orientierungswert", Seite 16 Textteil Fortschreibung Regionalplan)

 

Die  Scientists 4 future Ravensburg erstellten ein kritisches Gutachten zu den vorliegenden Zahlen (3):

In diesem Gutachten führen sie vor, dass die Summe der ausgewiesenen Bedarfe des Regionalplans aus klimapolitischer Sicht bei weitem zu hoch ist. Sie schreiben:


Der geplante Flächenverbrauch ist mehr als doppelt so hoch, wie die Ziele der Bundesregierung vorgeben (30 ha -Ziel für 2020)……

Im Regionalplanentwurf dürfte also der Flächenverbrauch über alles (d.h. Siedlungsflächen, Gewerbeflächen und Flächen für Straßenbauvorhaben und andere Verkehrsinfrastrukturen) in der Summe 1.253 ha nicht übersteigen, um eine nachhaltige und den Klimaschutzzielen angemessene Entwicklung festzulegen.

 

Alleine für Wohnen, Gewerbe, Rohstoffabbau und Straßen sind weit über 3000 ha veranschlagt. Energiegewinnung wurde ausgespart indem es in einem  Extra-Plan ausgewiesen werden soll.

 

Sie äußern sich auch zu §13b:

… Dass dies kein abstraktes Problem, sondern eine realitätsnahe Einschätzung der Lage ist, zeigt der Umgang mit dem § 13b BauG in den vergangenen Jahren.
Von 860 Bebauungsplanverfahren nach dem §13b in BadenWürttemberg, die den Regierungspräsidien derzeit bekannt sind, entfielen auf die Region Bodensee-Oberschwaben allein 134 Verfahren, also > 15% aller Verfahren im Land.
Die Verfahren wurden nach Aussagen der anerkannten Naturschutzverbände, die als Träger öffentlicher Belange zu diesen Planungen Stellung nehmen können, überwiegend im ländlichen Raum durchgeführt und häufig mit einer geplanten Bebauung mit Einfamilienhäusern. (Die S4f  gingen im Gutachten noch von 214 ha aus, inzwischen wissen wir, dass mindestens 333 ha beansprucht wurden)

 

 

Doch anhand der Berechnungen nach dem offiziell gültigen „Plausibilitätspapier des Landes BW“ kommt man für die nächsten 15 -20  Jahre im Regionalgebiet Bodensee-Oberschwaben „nur“ auf einen Bedarf  von  503 ha Wohnfläche

 

Zum direkten Vergleich: Im Zeitraum von nur 2,5 Jahren wurde durch § 13b die Ausweisung von mindestens 333 ha Fläche „zusätzlich" außerhalb der  genehmigten Flächennutzungspläne möglich.

 

 Das Gesetz

Bei einer Novellierung des Baugesetzbuches (BauGB) im Jahr 2007 wurde der § 13a eingeführt. Seither entfällt für Bebauungspläne der Innenentwicklung die Pflicht zum Ausgleich und zur Vorlage eines Umweltberichtes. Seitens der Umweltverbände wurde das kritisch gesehen, da es eine Abkehr vom Ziel war, keinen Nettoverlust an Biotopwert hinzunehmen („no net loss“).

Später kam es im Zeichen des Wohnungsmangels in Ballungsräumen und der Flüchtlingskrise zum Dammbruch. Der Bundestag beschloss in einer Änderung des Baugesetzbuches, die am 12.Mai 2017 in Kraft trat, den § 13b Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren, der nach Gesetzeslage am 31.12.2019 auslaufen sollte – also mit einer Geltungsdauer von 2,5 Jahren. (1)

Vorraussetzung:

• Es werden nicht mehr als 1 ha bebaubare Fläche am Stück geschaffen. Bei einer Grundflächenzahl von 0,25 kann so ein Bebauungsplan 4 ha groß werden.
• Der Bebauungsplan muss der Wohnnutzung dienen
• Er muss sich an bereits überplante Fläche anschließen

Die Erleichterungen für Verfahren nach § 13b sind:

• Es gilt nicht die Verpflichtung zum Ausgleich von Eingriffen in den Naturhaushalt
• Es muss keine formale Umweltprüfung erfolgen und kein Umweltbericht erstellt werden
• Der Plan muss nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden.
• Es gelten reduzierte Bürgerbeteiligungspflichten

Unter riesigem Protest seitens des Naturschutzes wurde §13 b 2020 neu aufgelegt, er gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 .
Die Landesregierung BW hat im Mai 21 einen Antrag auf Bundesebene eingebracht, der den §13b auf den Bereich der Innenentwicklung beschränken sollte, dafür gab es aber (LEIDER) keine Ländermehrheit.

 

  

Handhabung im Bereich des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben

Wir haben im Rahmen der Diskussion um die „Fortschreibung des Regionalplan Bodensee-Oberschwaben“ versucht, genaue Zahlen zur Flächeninanspruchnahme durch §13b während der ersten Geltungs-Periode bis 2019 zu erhalten.

 

Dieses Vorhaben erwies sich als ziemlich schwierig, denn weder die Kreisverwaltungen (der Kreise Sigmaringen, Ravensburg und Bodenseekreis), noch das Regierungspräsidium Tübingen, noch das zuständige Ministerium (weder das Alte noch das Neue) sahen sich auf Anfrage in der Lage, eine genaue Flächenbilanz herauszugeben. 

Die Handhabe des §13b liegt nach deren Aussage ausschließlich in den Händen der Kommunen.

 

Eine Anfrage an das REGIERUNGSPRÄSIDIUM TÜBINGEN über "Frag den Staat" ergab folgende Antwort:

Wir haben keine Informationen darüber, wieviele Baugebiete im Regierungsbezirk oder in einzelnen Landkreisen nach § 13b-BauGB ausgewiesen wurden.

Wir werden hier lediglich als Träger öffentlicher Belange beteiligt und geben dann unsere Stellungnahme zu einem in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan ab.

Wir haben jedoch keine Daten darüber, wieviele Baugebiete letztlich tatsächlich nach § 13b-BauGB ausgewiesen wurden und werden. Folglich haben wir auch keine Informationen zum Flächenumfang von ausgewiesenen Baugebieten nach § 13b-BauGB im Regierungsbezirk Tübingen.

Um hier exakte Daten zu bekommen, müssten Sie die von Ihnen gewünschte Information bei den einzelnen Kommunen erfragen

 

Eine Anfrage an das MINISTERIUM für Landesentwicklung und Wohnen (urspr. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau) über "Frag den Staat" ergab folgende Antwort:

Die durchschnittliche Größe des Geltungsbereichs der nach § 13b BauGB aufgestellten Bebauungspläne, deren Plangebietsgrößen im Rahmen der Abfrage gemeldet wurden, lag landesweit bei ca. 1,6 Hektar.
Eine Aufschlüsselung der jeweiligen Geltungsbereichsgrößen nach Kommunen sowie weitergehende Informationen zu den Planverfahren nach § 13b BauGB liegen uns nicht vor, weil die Städte und Gemeinden die Bebauungspläne im Rahmen ihrer grundgesetzlich garantierten Planungshoheit eigenverantwortlich aufstellen und eine Genehmigungspflicht weder seitens des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen noch einer anderen Behörde besteht

 

Am meisten aussagekräftig waren noch die Angaben des Landratsamtes vom Bodenseekreis, von den beiden anderen Kreisen liegen nur grobe Aussagen zu den Gesamtzahlen vor, Stand 2020.

Kreis Sigmaringen: 61 Verfahren nach § 13b BauGB  mit einer Gesamt-Flächeninanspruchnahme von insgesamt mindestens 110 ha. (Aussage LRA)
Dem  Ministerium waren nur 49 Verfahren bekannt.

Kreis Ravensburg: Beim Kreis Ravensburg liegt eine Gesamt-Flächeninanspruchnahme von insgesamt mindestens 165 ha vor.(Aussage LRA)
Das Ministerium weiß von 73 Verfahren.

 

Bodenseekreis: 17 Bebauungspläne (Beteiligung als TÖB nach § 13b ) und 15 dem LRA bekannte Aufstellungsbeschlüsse durch Mitteilungen/Anfragen der Gemeinden.
Beim Bodenseekreis liegt eine Gesamt-Flächeninanspruchnahme von insgesamt mindestens 58 ha vor (Aussage LRA)
Das Ministerium weiß von 12 Verfahren.

Der Bearbeiter im Bodenseekreis listete die ihm bekannten Gebiete auf und schrieb:

 

"Eine Genehmigung dieser Bebauungspläne sieht der Gesetzgeber nicht vor…..
Ob die Voraussetzungen des § 13b BauGB eingehalten waren, wurde in den Verfahren geprüft, eine statistische Erfassung der festgesetzten Grundflächen nimmt das Landratsamt nicht vor….

Für welche Bauflächen davon konkret Baugenehmigungen erteilt und durch Bauausführung bereits in Anspruch genommen wurden, entzieht sich unserer Kenntnis"

 

Bei allen 13 b Baugebieten müsste der Bedarf vorab "plausibel begründet" werden.

Es wäre äußerst spannend zu erfahren, ob schon jemals ein §13b Gebiet abgelehnt wurde (von wem?), weil der Bedarf nicht plausibel begründet werden konnte. 

Vermutlich eher nicht, was ein Bericht aus Baindt nahelegt (2):

 

Als der Gemeinderat von Baindt am 3. Dezember 2019, also kurz vor Toresschluss, den Aufstellungsbeschluss für das Baugebiet „Lilienstraße“ fasste, richtete das Regierungspräsidium Tübingen einen geharnischten Brief an das planende Büro Sieber in Lindau. Da nunmehr der sechste Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren auf den Weg gebracht werden soll, heißt es in dem Schreiben, habe die höhere Raumordnungsbehörde Zweifel, „ob ein solches Vorgehen noch der Intention des Gesetzgebers bei der Einführung des § 13b in das Baugesetzbuch entspricht“.

Das Instrument der beschleunigten Planung dürfe nicht zur vorsorglichen Ausweisung von neuen Baugebieten führen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Baindt kaum ein dringender Wohnraumbedarf bestehe, formulierte die Behörde weiter. „Ein verantwortungsvoller Umgang der Gemeinden mit dem Instrument ist aus unserer Sicht unabdingbar“, heißt es. Das Schreiben blieb aber ohne Folgen.

 

Tettnang im Bodenseekreis hat gar 13 Gebiete, 12 davon vorrätig überplant mit BBP nach §13b. In Ostrach, im eher baulich beruhigten Kreis Sigmaringen, wurden bereits 15 Gebiete nach §13b rechtskräftig, wie der dortige SOFA-Blog aufführt.

In Bad Wurzach im Kreis Ravensburg ist die Rede von 10 - Gebieten…., Bad Saulgau und Horgenzell im Oberschwäbischen Hinterland sollen auch gut mit dabei sein.

 

 

 Zum Nachlesen

 

1: https://lnv-bw.de/blog/2019/06/06/suendenfall-%C2%A713b-baugesetzbuch-ein-dammbruch-im-baurecht/
Das vollständige LNV-Info zum Herunterladen: LNV-Info “Sündenfall §13b Baugesetzbuch”

 

2: UNSER Ländle4Future - UNSERE Region Bodensee-Oberschwaben : Und schon wieder § 13b - Baindt im Focus (regionbodenseeoberschwaben.blogspot.com)

 

3: https://www.bund-ravensburg.de/fileadmin/ravensburg/S4F_Kritische-Wuerdigung-Regionalplanentwurf-BO_Entwurf-mit-Anlagen_Endversion_11Feb2021.pdf

 

Mehr zu den §13b-Baugebieten im Bereich RV Bodensee-Oberschwaben:
https://regionbodenseeoberschwaben.blogspot.com/search/label/§13b

 

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