Bedeutung von §13b beim Flächenverbrauch
Die Fortschreibung des Regionalplanes war begleitet von massiven und lauten Protesten.
In der lokalen Schwäbischen Zeitung hieß es am 4.1.22:
Einen solchen Widerstand und Proteste gegen die Fortschreibung eines Regionalplans wie im vergangenen Jahr hat es in der Region noch nicht gegeben. Vor allem Naturschützer, Klimaaktivisten und die Gegner der umstrittenen Kiesgrube in der Nähe des Vogter Teilorts Grund schlossen sich zu einem breiten Aktionsbündnis zusammen. Baumbesetzer machten sich im Altdorfer Wald breit, Diskussionsrunden und Demonstrationszüge hat es gegeben.
Besonders der ungebremste Flächenverbrauch, der durch die überzogenen „Bedarfe“ der Regionalplanung auch noch legitimiert wird, war Inhalt der Proteste („KlimaHöllenPlan“)
Trotz anders lautender Aussagen des statistischen Landesamtes beharrte der Regionalverband auf einem Wohnflächenbedarf von 1000 ha bis zum Jahr 2035
(als „Orientierungswert", Seite 16 Textteil Fortschreibung Regionalplan)
Die Scientists 4 future Ravensburg erstellten ein kritisches Gutachten zu den vorliegenden Zahlen (3):
In diesem Gutachten führen sie vor, dass die Summe der ausgewiesenen Bedarfe des Regionalplans aus klimapolitischer Sicht bei weitem zu hoch ist. Sie schreiben:
Der geplante Flächenverbrauch ist mehr als doppelt so hoch, wie die Ziele der Bundesregierung vorgeben (30 ha -Ziel für 2020)……
Im Regionalplanentwurf dürfte also der Flächenverbrauch über alles (d.h. Siedlungsflächen, Gewerbeflächen und Flächen für Straßenbauvorhaben und andere Verkehrsinfrastrukturen) in der Summe 1.253 ha nicht übersteigen, um eine nachhaltige und den Klimaschutzzielen angemessene Entwicklung festzulegen.
Alleine für Wohnen, Gewerbe, Rohstoffabbau und Straßen sind weit über 3000 ha veranschlagt. Energiegewinnung wurde ausgespart indem es in einem Extra-Plan ausgewiesen werden soll.
Sie äußern sich auch zu §13b:
… Dass dies kein abstraktes Problem, sondern eine realitätsnahe Einschätzung der Lage ist, zeigt der Umgang mit dem § 13b BauG in den vergangenen Jahren.
Von 860 Bebauungsplanverfahren nach dem §13b in BadenWürttemberg, die den Regierungspräsidien derzeit bekannt sind, entfielen auf die Region Bodensee-Oberschwaben allein 134 Verfahren, also > 15% aller Verfahren im Land.
Die Verfahren wurden nach Aussagen der anerkannten Naturschutzverbände, die als Träger öffentlicher Belange zu diesen Planungen Stellung nehmen können, überwiegend im ländlichen Raum durchgeführt und häufig mit einer geplanten Bebauung mit Einfamilienhäusern. (Die S4f gingen im Gutachten noch von 214 ha aus, inzwischen wissen wir, dass mindestens 333 ha beansprucht wurden)
Doch anhand der Berechnungen nach dem offiziell gültigen „Plausibilitätspapier des Landes BW“ kommt man für die nächsten 15 -20 Jahre im Regionalgebiet Bodensee-Oberschwaben „nur“ auf einen Bedarf von 503 ha Wohnfläche
Zum direkten Vergleich: Im Zeitraum von nur 2,5 Jahren wurde durch § 13b die Ausweisung von mindestens 333 ha Fläche „zusätzlich" außerhalb der genehmigten Flächennutzungspläne möglich.
Das Gesetz
Bei einer
Novellierung des Baugesetzbuches (BauGB) im Jahr 2007 wurde der § 13a
eingeführt. Seither entfällt für Bebauungspläne der Innenentwicklung die
Pflicht zum Ausgleich und zur Vorlage eines Umweltberichtes. Seitens der
Umweltverbände wurde das kritisch gesehen, da es eine Abkehr vom Ziel war,
keinen Nettoverlust an Biotopwert hinzunehmen („no net loss“).
Später kam es im Zeichen des Wohnungsmangels in
Ballungsräumen und der Flüchtlingskrise zum Dammbruch. Der Bundestag beschloss
in einer Änderung des Baugesetzbuches, die am 12.Mai 2017 in Kraft trat, den § 13b Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte
Verfahren, der nach Gesetzeslage
am 31.12.2019 auslaufen sollte – also mit einer Geltungsdauer von 2,5 Jahren. (1)
Vorraussetzung:
• Es werden nicht mehr als 1 ha bebaubare Fläche am
Stück geschaffen. Bei einer Grundflächenzahl von 0,25 kann so ein Bebauungsplan
4 ha groß werden.
• Der Bebauungsplan muss der Wohnnutzung dienen
• Er muss sich an bereits überplante Fläche anschließen
Die Erleichterungen
für Verfahren nach § 13b sind:
• Es gilt nicht die
Verpflichtung zum Ausgleich von Eingriffen in den Naturhaushalt
• Es muss keine formale Umweltprüfung erfolgen und kein Umweltbericht erstellt
werden
• Der Plan muss nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden.
• Es gelten reduzierte Bürgerbeteiligungspflichten
Unter riesigem
Protest seitens des Naturschutzes wurde §13 b 2020 neu aufgelegt, er gilt bis
zum Ablauf des 31. Dezember 2022 .
Die Landesregierung BW hat im Mai 21 einen Antrag auf
Bundesebene eingebracht, der den §13b auf den Bereich der Innenentwicklung
beschränken sollte, dafür gab es aber (LEIDER) keine Ländermehrheit.
Handhabung im Bereich des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben
Wir
haben im Rahmen der Diskussion um die „Fortschreibung des Regionalplan
Bodensee-Oberschwaben“ versucht, genaue Zahlen zur Flächeninanspruchnahme durch
§13b während der ersten Geltungs-Periode bis 2019 zu erhalten.
Dieses
Vorhaben erwies sich als ziemlich schwierig, denn weder die Kreisverwaltungen
(der Kreise Sigmaringen, Ravensburg und Bodenseekreis), noch das
Regierungspräsidium Tübingen, noch das zuständige Ministerium (weder das Alte
noch das Neue) sahen sich auf Anfrage in der Lage, eine genaue Flächenbilanz herauszugeben.
Die Handhabe des §13b liegt nach deren Aussage ausschließlich in
den Händen der Kommunen.
Eine Anfrage an das REGIERUNGSPRÄSIDIUM TÜBINGEN über "Frag den
Staat" ergab folgende Antwort:
Wir haben
keine Informationen darüber, wieviele Baugebiete im Regierungsbezirk oder in
einzelnen Landkreisen nach § 13b-BauGB ausgewiesen wurden.
Wir
werden hier lediglich als Träger öffentlicher Belange beteiligt und geben dann
unsere Stellungnahme zu einem in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan ab.
Wir
haben jedoch keine Daten darüber, wieviele Baugebiete letztlich tatsächlich
nach § 13b-BauGB ausgewiesen wurden und werden. Folglich haben wir auch keine
Informationen zum Flächenumfang von ausgewiesenen Baugebieten nach § 13b-BauGB
im Regierungsbezirk Tübingen.
Um hier
exakte Daten zu bekommen, müssten Sie die von Ihnen gewünschte Information bei
den einzelnen Kommunen erfragen.
Eine
Anfrage an das MINISTERIUM für
Landesentwicklung und Wohnen (urspr. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und
Wohnungsbau) über "Frag den Staat" ergab
folgende Antwort:
Die
durchschnittliche Größe des Geltungsbereichs der nach § 13b BauGB aufgestellten
Bebauungspläne, deren Plangebietsgrößen im Rahmen der Abfrage gemeldet wurden,
lag landesweit bei ca. 1,6 Hektar.
Eine Aufschlüsselung der jeweiligen
Geltungsbereichsgrößen nach Kommunen sowie weitergehende Informationen zu den
Planverfahren nach § 13b BauGB liegen uns nicht vor, weil die Städte und
Gemeinden die Bebauungspläne im Rahmen ihrer grundgesetzlich garantierten
Planungshoheit eigenverantwortlich aufstellen und eine Genehmigungspflicht
weder seitens des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen noch einer
anderen Behörde besteht
Am meisten
aussagekräftig waren noch die Angaben des Landratsamtes vom Bodenseekreis, von
den beiden anderen Kreisen liegen nur grobe Aussagen zu den Gesamtzahlen vor,
Stand 2020.
Kreis
Sigmaringen: 61 Verfahren nach §
13b BauGB mit einer
Gesamt-Flächeninanspruchnahme von insgesamt mindestens 110 ha. (Aussage
LRA)
Dem Ministerium waren nur 49 Verfahren
bekannt.
Kreis Ravensburg: Beim Kreis Ravensburg liegt eine
Gesamt-Flächeninanspruchnahme von insgesamt mindestens 165 ha vor.(Aussage
LRA)
Das Ministerium weiß von 73 Verfahren.
Bodenseekreis: 17 Bebauungspläne (Beteiligung als TÖB nach § 13b ) und 15 dem LRA bekannte
Aufstellungsbeschlüsse durch Mitteilungen/Anfragen der Gemeinden.
Beim Bodenseekreis liegt eine Gesamt-Flächeninanspruchnahme von insgesamt mindestens
58 ha vor (Aussage LRA)
Das Ministerium weiß von 12 Verfahren.
Der
Bearbeiter im Bodenseekreis listete die ihm bekannten Gebiete auf und schrieb:
"Eine
Genehmigung dieser Bebauungspläne sieht der Gesetzgeber nicht vor…..
Ob die Voraussetzungen des § 13b BauGB eingehalten waren, wurde in den
Verfahren geprüft, eine statistische Erfassung der festgesetzten
Grundflächen nimmt das Landratsamt nicht vor….
Für
welche Bauflächen davon konkret Baugenehmigungen erteilt und durch
Bauausführung bereits in Anspruch genommen wurden, entzieht sich unserer
Kenntnis"
Bei allen 13 b Baugebieten müsste der Bedarf vorab
"plausibel begründet" werden.
Es wäre äußerst spannend zu erfahren, ob schon jemals ein §13b
Gebiet abgelehnt wurde (von wem?), weil der Bedarf nicht plausibel begründet
werden konnte.
Vermutlich eher nicht, was ein Bericht aus Baindt nahelegt (2):
Als
der Gemeinderat von Baindt am 3. Dezember 2019, also kurz vor Toresschluss, den
Aufstellungsbeschluss für das Baugebiet „Lilienstraße“ fasste, richtete das
Regierungspräsidium Tübingen einen geharnischten Brief an das planende Büro
Sieber in Lindau. Da nunmehr der sechste Bebauungsplan im beschleunigten
Verfahren auf den Weg gebracht werden soll, heißt es in dem Schreiben, habe
die höhere Raumordnungsbehörde Zweifel, „ob ein solches Vorgehen noch der
Intention des Gesetzgebers bei der Einführung des § 13b in das Baugesetzbuch
entspricht“.
Das
Instrument der beschleunigten Planung dürfe nicht zur vorsorglichen Ausweisung
von neuen Baugebieten führen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Baindt
kaum ein dringender Wohnraumbedarf bestehe, formulierte die Behörde weiter.
„Ein verantwortungsvoller Umgang der Gemeinden mit dem Instrument ist aus
unserer Sicht unabdingbar“, heißt es. Das Schreiben blieb aber ohne
Folgen.
Tettnang
im Bodenseekreis hat gar 13 Gebiete, 12 davon vorrätig überplant mit BBP nach
§13b. In Ostrach, im eher baulich beruhigten Kreis Sigmaringen, wurden bereits
15 Gebiete nach §13b rechtskräftig, wie der dortige SOFA-Blog aufführt.
In
Bad Wurzach im Kreis Ravensburg ist die Rede von 10 - Gebieten…., Bad Saulgau
und Horgenzell im Oberschwäbischen Hinterland sollen auch gut mit dabei sein.
1: https://lnv-bw.de/blog/2019/06/06/suendenfall-%C2%A713b-baugesetzbuch-ein-dammbruch-im-baurecht/
Das vollständige
LNV-Info zum Herunterladen: LNV-Info
“Sündenfall §13b Baugesetzbuch”
Mehr zu den §13b-Baugebieten im Bereich RV
Bodensee-Oberschwaben:
https://regionbodenseeoberschwaben.blogspot.com/search/label/§13b
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