Donnerstag, 27. Januar 2022

Widerstand gegen Biosphärengebiet: Land- und Forstwirtschaft wehren sich

 Schwäbische Zeitung hier von Philipp Richter

Oberschwaben ist eine Märchenlandschaft. Die Region der Landkreise Ravensburg, Biberach und Sigmaringen hat mit dieser Kulisse beste Voraussetzungen, mit einem Namen geadelt zu werden, den bisher nur 24 Landschaften in Deutschland bekommen haben: Biosphärengebiet. Doch genau dieser Titel entzweit die Region. Wo Gastronomen, Touristiker und manche Kommune Chancen sehen, ruft bei Landwirten und manchen Landeigentümern Existenzängste hervor. Sie haben sich zu einer Allianz zusammengeschlossen, um ein solches Biosphärengebiet zu verhindern. Droht jetzt ein Projekt zu scheitern, das bei einem Vorstoß im Allgäu 2010 schon einmal gescheitert ist?



Ferdinand Graf zu Waldburg-Wolfegg aus Kißlegg ist einer, der sich der Allianz aus Landwirten, Forstbetrieben, Forstkammer Baden-Württemberg und dem Landesverband der Jagdgenossenschaften angeschlossen hat. Er bewirtschaftet rund 200 Hektar Wald rund um Kißlegg. „Mein Vater sagte schon immer: Ich habe mehr Ziegel auf dem Dach als Bäume im Wald. Ich lebe vom Wald und unterhalte mit dem Ertrag sechs denkmalgeschützte Gebäude“, sagt Graf Ferdinand, der den väterlichen Betrieb vor drei Jahren Betrieb übernommen hat.
Seine Einkünfte beziehe er zu 70 bis 80 Prozent aus dem Wald. Coronabedingt läuft das Geschäft mit dem 2018 eröffneten Tagungshaus im Alten Schloss Kißlegg schlecht. Was bleibt, ist der Wald. Und genau, den sieht er mit dem Biosphärengebiet als Haupteinnahmequelle in Gefahr.....

Tatsächlich ist noch vieles im Vagen. Viel mehr als das Ziel, einen Prozess zu initiieren, gibt es noch nicht. Doch wer mit den Vertretern der Allianz spricht, der merkt schnell: Viele vermissen Informationen, ärgern sich darüber, dass vonseiten des Landes erst mit ihnen gesprochen wurde, als sie sich zu Wort gemeldet haben. So berichten sie es.

Das ärgert auch den CDU-Landtagsabgeordneten Raimund Haser aus dem Allgäu, der den Koalitionsvertrag in der CDU-Verhandlungsgruppe Umwelt mit ausgearbeitet hat, sich aber jetzt mit einem offenen Brief zu Wort gemeldet hat und Partei für die Landeigentümer ergreift. Es herrsche ein Gefühl vor, dass das Biosphärengebiet ein Automatismus ist und nicht ein mögliches Resultat eines ergebnisoffenen Prozesses.

...Schon 2010 wollte man im Allgäu ein Biosphärengebiet initiieren, was vor allem am Widerstand aus der Landwirtschaft gescheitert ist. Rudi Holzberger, Wissenschaftsjournalist und ausgewiesener Waldexperte, erinnert sich an damals: Im bayerischen Buchenberg seien zur Gemeinderatssitzung 150 Bauern gekommen, die den Gemeinderat zur Ablehnung des Biosphärengebiet gebracht haben. Letztlich sind die anderen Kommunen gefolgt.

Eine vertane Chance, findet Holzberger, weil er große Vorteile für die Region und die Perspektive auf einen „historischen Kompromiss zwischen Landwirtschaft und Naturschutz“ sieht. Aber auch er sagt: „Die Sorgen der Bauern sind nicht unbegründet, die kann und muss man ausräumen, wenn man es gescheit machen will.“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen