Spiegel /Eine Kolumne von Christian Stöcker hier 31.08.2025
Einige Architekten von Trumps autoritärem Regierungsprogramm sowie Vertreter des Märchens »Konservativ ist auch pro-fossil« kommen zu einer Konferenz nach Berlin. Die Union scheint auf Distanz zu gehen. Gut so.
US-Präsident Donald Trump weiß über viele Dinge sehr wenig, glaubt aber, dass er andere belehren kann und muss. Das trifft auch auf das Thema erneuerbare Energien zu: »Ich versuche, dass die Leute sehr schnell etwas über Wind lernen, und ich glaube, das habe ich auch gut gemacht, aber nicht gut genug, weil manche Länder es immer noch versuchen«, sagte Trump kürzlich .
Er verabscheut Windenergie. Das hat wohl unter anderem damit zu tun, dass er einen Windpark in der Nähe eines seiner Golfplätze in Schottland nicht verhindern konnte . Und mit der Tatsache, dass sein gar nicht so heimliches Regierungsprogramm »Project 2025« maßgeblich von Organisationen verantwortet wird, die im Sold der US-Ölbranche stehen.
Trump hat immer wieder Bizarres über Windenergie behauptet, beispielsweise, dass Windparks Wale töten würden. Das ist Unsinn . Gerade erst hat er trotzdem einen fast fertigen Offshore-Windpark gestoppt – zumindest vorübergehend.
Zum AutorChristian Stöcker, Jahrgang 1973, ist Kognitionspsychologe und Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Dort verantwortet er den Studiengang Digitale Kommunikation und mehrere Forschungsprojekte über digitale Öffentlichkeit und Desinformation. Vorher leitete er das Ressort Netzwelt bei SPIEGEL ONLINE.
Zweistellige Wachstumsraten
Dass »manche Länder es immer noch versuchen« mit dem Windstrom ist eine originelle Umschreibung für ein globales Kapazitätswachstum in Höhe von 11,5 Prozent im Jahr 2024. Tatsächlich ist die Wachstumsrate leicht zurückgegangen, im Jahr zuvor waren es noch 13 Prozent. Aber Windenergie wächst weiter, besonders stark in China, aber deutlich zweistellig auch in so unterschiedlichen Ländern wie Australien, Brasilien, Argentinien und Finnland. Die Europäische Union bestritt 2024 bereits etwa 19 Prozent ihrer Stromerzeugung aus On- und Offshore-Windkraft. Solarstrom wächst noch viel schneller (auch den hasst Trump ).
Gleichzeitig leidet Europa bereits jetzt massiv unter der nicht mehr zu übersehenden Klimakatastrophe. Europäerinnen und Europäer waren dieses Jahr mit Hitzewellen, Waldbränden , Dürre einerseits, Stürmen und Starkregen andererseits konfrontiert. Die Klimakrise fordert Menschenleben. Gleichzeitig sinken landwirtschaftliche Erträge, wie eine kürzlich in »Nature« erschienenen Studie einmal mehr vorrechnet.
Klimaschutz ist »böse«?
Doch wo immer Trump und seine Leute auftauchen, bestreiten sie die Fakten. Trumps aus der Fracking-Branche stammender Energieminister Chris Wright nannte das Ziel, bis 2050 die CO₂-Emissionen auf netto null zu senken, im Februar »böse«. Es geht immer um dasselbe Ziel: Die USA wollen mehr Öl und Gas exportieren, denn die USA von heute sind ein Petrostaat.
Erneuerbare Energien und Elektrifizierung bieten für die überwältigende Mehrheit der Länder auf der Erde auch jenseits von Klimaschutz zahlreiche Vorteile: geopolitische Unabhängigkeit von Akteuren wie Russland, Saudi-Arabien, Katar oder eben Trumps Amerika, weniger Luftverschmutzung, höhere Effizienz und am Ende niedrigere Energiekosten. Das wissen Trumps fossile Einflüsterer. Deshalb führen sie, mit Trump als Handlanger, einen erbitterten Abwehrkampf. Auch gegen die Fakten selbst.
Die Leute, die diesen Abwehrkampf führen, agieren international, sie sind unermüdliche Netzwerker. Kommende Woche etwa findet in der deutschen Hauptstadt die sogenannte Berlin Campaign Conference statt. Es handelt sich nicht zuletzt um eines der vielen Treffen der globalen Allianz all jener, die weiterhin glauben, »konservativ« sei gleichbedeutend mit »pro-fossil«.
Zum Kreis der Sprecherinnen und Sprecher gehören wie im vergangenen Jahr Leute, die für die Organisationen arbeiten, die Trumps autoritäres Regierungsprogramm entworfen haben: allen voran die Heritage Foundation, aber auch das sogenannte Leadership Institute. Erstere hat »Project 2025« koordiniert, Letzteres steht auf der Liste der »beratenden« Organisationen. Das »Leadership Institut« hat unter anderem die Indoktrination junger Menschen zum Ziel. Wie viele andere dieser Organisationen auch, haben diese beiden im Laufe der Jahre gewaltige Summen von den Stiftungen des Ölmilliardärs Charles Koch und aus anderen fossilen Geldquellen enthalten.
Die US-Regierung ist auf den alten Lügen hängen geblieben
Die Lüge, das Faktum der menschengemachten Klimakrise anzuerkennen, sei irgendwie »links«, ist Jahrzehnte alt. Sie wurde systematisch verbreitet, von eigens ausgebildeten Botschaftern, und hervorragend finanziert. Ein Aussteiger dieser Szene, ein ehemaliger Adept des »Leadership Institute« beschrieb dem Portal »Climate Connections« der Yale University einmal, welche Ideologie in diesen Kreisen vermittelt wird: Diese Organisationen leugneten die Krise deshalb, »weil der Klimawandel, wenn er so schlimm ist, wie die sagen, Regierungshandeln rechtfertigen würde. Und wir können Interventionen durch Regierungen nicht rechtfertigen, weil sie etwas Schlechtes sind.«
Die aktuelle US-Regierung vertritt auch international weiterhin die alten Lügen. Ganz im Sinne von »Project 2025«. Zitat: »Der nächste konservative Präsident sollte darüber hinausgehen, die Energieinteressen Amerikas zu verteidigen, und in die Offensive gehen, ihnen rund um die Welt Geltung verschaffen. Amerikas gewaltige Reserven von Öl und Erdgas sind kein Umweltproblem; sie sind das Lebenselixier des Wirtschaftswachstums.«
Nachlassender Enthusiasmus
Um die Agentur The Republic, die die Campaign Conference organisiert, ist es in der letzten Zeit ruhiger geworden: 2021 war sie mit einem gewissen Rummel als Gegenpol zu einer vermeintlichen »Linksdrift« Deutschlands gestartet. Friedrich Merz hatte damals »den Initiatoren viel Erfolg« gewünscht, sich darüber hinaus aber nicht beteiligt. Manche aus der Union distanzierten sich von Anfang an klar . Die aktuell eher wegen unklarer Geldflüsse in der Kritik stehende Caroline Bosbach (CDU) hatte eine »Kolumne« bei The Republic (»Bosbach-Report«), ebenso wie Stefan Müller, bis März 2024 Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Geschäftsführer der Agentur ist der mit vielfältigen Verbindungen nach Trumpland ausgestattete CSU-Mann Armin Petschner-Multari .
Seit 2023 scheint sich auf der Website der Agentur nichts mehr getan zu haben, doch als Konferenzveranstalterin tritt sie weiterhin in Erscheinung. Der Enthusiasmus für die Berlin Campaign Conference scheint allerdings nachgelassen zu haben. 2024 trat dort noch Christine Carboni auf, Hauptabteilungsleiterin Kampagne und Mobilisierung der CDU Deutschlands. Heuer finden sich unter den Sprecherinnen und Sprechern keine prominenten Unionsmitglieder, nur der Kommunikationschef der Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Die Union scheint nicht mehr so offensiv die Nähe zu jenen Kreisen zu suchen, die Trump und Viktor Orbán als Vorbilder betrachten.
Als Sponsorin und Mitorganisatorin der Campaign Conference tritt neben The Republic aber auch die unionsnahe »Union Stiftung« aus dem Saarland in Erscheinung. Sie verspricht »den Austausch innovativer Ideen und die Förderung bürgerlicher Zusammenarbeit«.
An der Leugnung oder Relativierung der menschengemachten Klimakrise ist aber nichts »bürgerlich«. Wenn Europas Konservative an einer lebenswerten Zukunft interessiert sind, müssen sie das von der Ölindustrie herbeifinanzierte Märchen, fossile Brennstoffe seien irgendwie »konservativ«, vollständig über Bord werfen. Je schneller, desto besser.
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