Montag, 29. September 2025

Pflegende Angehörige als Arbeitsverweigerer - bis das System dann kippt

 

Sandra Postel, Pflegekammer NRW   LinkedIn

Rund 400.000–800.000 Bürgergeld-Empfänger*innen pflegen Angehörige in Deutschland 

Oft unter schwierigen Bedingungen, aber unverzichtbar für das Pflegesystem. Würden sie ihre Angehörigen stattdessen in die stationäre Langzeitpflege geben (~3.100 €/Monat), wären die Kosten deutlich höher. 

Schon heute leisten sie damit eine Arbeit, die das System um Milliarden entlastet – während sie selbst 500–700 € Bürgergeld plus 500–900 € Pflegegeld erhalten.

Trotz dieses Beitrags zeigt die Politik ihnen vielfach eine verächtliche Haltung: Oft werden pflegende #Bürgergeld-Empfänger*innen in Berechnungen, etwa von Merz und Linnemann, als „Verweigerer“ eingestuft, die „ja arbeiten könnten“. Entscheidungen werden auf Grundlage ideologischer Betrachung gefällt. 

Die volkswirtschaftlichen und versorgungstechnischen Konsequenzen bleiben unzureichend bedacht. Es fehlt an Menschlichkeit, Erfahrung und Führungsstärke – nicht nur bei einzelnen Akteur:innen, sondern quer durch die Politik.

Die Folgen sind gesamtgesellschaftlich spürbar, und eben auch bei uns: 

Beruflich Pflegende hatten über die letzten Jahre hinweg kaum die Möglichkeit und den Auftrag, Familiensysteme präventiv zu stabilisieren. Früher unterstützten Gemeindeschwestern Familien gezielt; heute verhindert der immer weiter verfeinerte Arztvorbehalt, dass Pflege wirklich präventiv wirken kann. 

Deswegen wird sie häufig auf reine Arzt-Assistenz oder auf Kompensation von Verrichtungen reduziert. #Pflege als eigenständiger #Heilberuf mit genau solchen Aufgabenfeldern, die auch im ICN beschrieben werden, konnte nicht entwickelt werden. Reformüberlegungen greifen hier nur marginal und reichen nicht aus, um das Stützpotenzial der Pflege zurückzugewinnen. 

Wenn zusätzlich das Bürgergeld „kippt“, also undifferenziert gekürzt wird, werden diese Menschen auf der Strecke bleiben und das Pflegesystem massiv belastet. Dann sind ideologisch geprägte Reformumsetzungen schnell äußerst unökonomisch!

Fazit: Soziale Fragen und Fragen der Gesundheit und Versorgung gehören zusammen! Wir brauchen politische Führung, die die Konsequenzen erkennt, anpackt und das Stützpotenzial unserer Gesellschaft systemisch nutzt – statt punktuell und ideologisch zu agieren oder sich gar vollständig unsichtbar zu machen, wenn genau über diese Fragen lautstark diskutiert wird. Eigentlich ein klassischer Auftrag für eine Gesundheitsministerin und eine Pflegebevollmächtigte.


Kommentar Marc Raschke

Es wird so viel Arbeit in D erledigt, die unsichtbar bleibt. Gerade Menschen wie Merz und seine Chaos-Truppe der CDU haben keinen Blick für diese Arbeit, weil sie mit einer Ideologie aus dem letzten Jahrhundert dieses Land managen wollen. Und das geht täglich schief, wie wir feststellen.


Kommentar Mareike Przysucha

In der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) war heute ein Interview mit Jens Spahn, bei dem ich mir die Frage gestellt habe: "Wer zählt zu denen, die arbeiten können"? Bei einem Kommentar zur stillenden Politikerin in der NOZ wurde in einem Leserkommentar die Frage auf nach Frauen und Kindern gestellt. Bei web.de wurde heute die "Sandwich"-Falle vorgestellt. In meinen Augen muss die Politik die Frage beantworten, wie Care-Arbeit (Versorgung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen), bezahlte Arbeit und das Privatleben zusammenpassen und welche Rolle beruflich Pflegende in diesem Szenario spielen sollen. Daher: Danke und 👍 für diesen Beitrag. 

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