Peter Jelinek hier auf LinkedIn
Eine Katastrophe mit Ansage und ein gutes Beispiel, warum Klimaziele Alibipolitik bleiben, wenn wir die Maßnahmen dafür ignorieren.
Der Klima- und Transformationsfond (KTF) soll nach aktuellen Berichten für Strafzahlungen im Verkehrssektor herhalten, weil dieser die Klimaziele nicht einhält.
Sprich: Der Topf wird geplündert, der die Mobilitätswende einleiten sollte.
▪️ Wie steht es um die Emissionen im Verkehrssektor?
Bis auf die Corona-Pandemie verfehlt der Verkehrssektor in Deutschland jedes Jahr routiniert seine Klimaziele. Der Elefant im Raum bei den Emissionen wird nicht oder nur kaum angetastet. Dabei war der Verkehr 2022 für gut 1/5 der Emissionen verantwortlich hierzulande verantwortlich.
Europäisch sieht es auch düster aus: Zwischen 1990 und 2022 erhöhte sich der jährliche CO2-Ausstoß im Straßenverkehr EU-weit um 24 %. Am deutlichsten stieg der CO2-Ausstoß bei Autos (+56 %).
▪️ Was sind die Gründe?
Einer der Hauptgründe: Autos – und allen voran der SUV-Boom seit den 2010er Jahren. Mehr Masse frisst die Energieeffizienz auf. Doch die SUVs versprachen auch mehr Gewinne für Autokonzerne.
▪️ Was sollte dagegen getan werden?
Abhilfe sollte eigentlich das deutsche Klimaschutzgesetz (KSG) schaffen. Jeder Sektor sollte berichten, wie es um ihn steht. Droht eine Verfehlung, muss die Minister*in mit einem Sofortprogramm nachbessern. Im Verkehrssektor wäre das bspw. mit einem Tempolimit, Steuern oder der raschen Elektrifizierung möglich gewesen.
Die Debatten darüber erspare ich euch hier. Leider setzte sich in der Ampel-Regierung die FDP durch, das Klimaschutzgesetz aufzuweichen. Sektorziele? Gelten nicht mehr und der ehemalige FDPler und Verkehrsminister Wissing weigerte sich vehement, ein Sofortprogramm vorzulegen.
▪️ Das Problem nun?
Auf 🇪🇺-Ebene unterliegen die Emissionen des Verkehrssektors der Europäischen Klimaschutzverordnung (ESR). Diese sieht für Sektoren eine europäische Reduktion der Emissionen bis 2030 gegenüber 2005 um 40% vor. Für Deutschland gilt bei Verkehr ein Minderungsziel von 50%.
Bei Nicht-Einhaltung drohen Strafzahlungen. Eine Berechnung von T&E aus dem letzten Jahr zeigte: Bei aktuellem Kurs müsste Deutschland bis zu 16,2 Milliarden Euro für Emissionszertifikate bezahlen.
Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum die FDP vor einiger Zeit dafür plädierte, auch hier die Gesamtbilanz im ESR zu nehmen statt auf Sektorziele zu schauen – und die Union liebäugelt damit.
Das 2. Problem ist: Zusätzlich werden die Emissionen des Straßenverkehrs schrittweise zusammen mit den Emissionen in das neue Europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS 2) integriert. Sprich: Sprit wird teurer.
▪️ Fazit
Was FDP, CDU & CSU hier hinterlassen haben oder planen, ist also eine doppelte Steuererhöhung:
1. Indem Gelder aus dem KTF für Strafzahlungen verwendet werden.
2. Indem es über den ETS einfach den Bürger*innen überlassen wird.
Und die Merz-Regierung? Von CDU-Verkehrsminister Schnieder hört man nichts mehr von Mobilitätswende.
Christina Christiansen hier LinkedIn
Es ist ein perverser Kreislauf, den man eigentlich nur noch mit bitterem Lachen ertragen kann.
Deutschland verfehlt Jahr für Jahr die eigenen Klimaziele, vor allem in den Bereichen Verkehr und Gebäude. Das ist längst kein Betriebsunfall mehr, sondern ein Dauerzustand.
Der Expertenrat für Klimafragen hat gerade erst bestätigt: Der Verkehrssektor reißt seine Vorgaben deutlich. Bei den Gebäuden wird mit Statistiktricks herumlaviert, aber alle wissen, dass auch dort die Bilanz erbärmlich bleibt.
Während also auf allen Ebenen großspurig von „Klimaschutz made in Germany“ geredet wird, passiert in der Realität: nichts oder viel zu wenig.
Und was folgt daraus? Deutschland muss zahlen. Klingt nach einer Strafe, ist offiziell aber ein bürokratischer Euphemismus: Wir kaufen sogenannte Emissionszuweisungen von Ländern, die ihre Ziele übererfüllen. Das ist der Mechanismus der EU-Lastenteilungsverordnung.
Man könnte auch sagen: Deutschland kauft sich mit Geld aus seiner Klimafaulheit frei. Eine Tonne CO₂ weniger gibt es dadurch nicht. Keine Lärmschutzwand, keine Wärmedämmung, kein Bus fährt öfter, kein Haus wird saniert. Es ist die buchhalterische Absolution für politische Bequemlichkeit.
Und jetzt kommt der eigentliche Skandal: Die Bundesregierung will diese Milliardenkosten nicht irgendwo im Haushalt verstecken, sondern ausgerechnet aus dem Klima- und Transformationsfonds nehmen. Aus jenem Topf, der eigentlich für die Wärmewende, für erneuerbare Energien, für Dekarbonisierung der Industrie gedacht ist.
Mit anderen Worten: Das Geld, das wir dringend bräuchten, um die Ziele überhaupt einzuhalten, wird jetzt genutzt, um die Strafen für das Nichteinhalten zu bezahlen. Weniger Mittel für Investitionen, mehr Mittel für das Stopfen selbstgemachter Löcher. Eine Abwärtsspirale.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat schon festgestellt: Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung reicht nicht aus. Es ist ein klarer Rechtsbruch. Trotzdem hält man in Berlin lieber an Dienstwagenprivilegien, Pendlerpauschale und politischer Bequemlichkeit fest. Statt mutig gegenzusteuern, wird der Klimaschutzfonds geplündert, um die eigene Untätigkeit zu kaschieren. Wir zahlen also doppelt: mit Steuergeld für Zertifikate und mit der zerstörten Zukunft, die keine Zertifikate der Welt retten.
Die Botschaft ist klar: Wer jetzt nicht laut wird, bekommt bald gar nichts mehr außer Rechnungen. Wir stehen an einem Punkt, an dem Politik sich selbst auflöst in eine Farce. Klimaziele werden verfehlt, Strafen aus Klimageldern bezahlt, Investitionen blockiert. Das ist nicht nur ein schlechtes Management, das ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die seit Jahren für konsequenten Klimaschutz kämpfen.
Quelle: Expertenrat für Klimafragen, Prüfbericht Emissionen 2023; EU-Kommission zur Effort Sharing Regulation; Süddeutsche Zeitung über KTF-Mittel für Zertifikatskäufe (2025).
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