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Der Infineon-Aufsichtsrat Diess hat eine dezidierte Meinung zu den Vorstößen des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und Frau #Reiche.
Gegenüber der WirtschaftsWoche sagt er:
„Wir diskutieren hier immer noch über neue Gaskraftwerke. Wahrscheinlich ist aber fossile Stromerzeugung nicht einmal mehr mit staatlichen Subventionen wettbewerbsfähig gegen die mittlerweile extrem wettbewerbsfähige Kombination aus Solar und Batteriespeicher“
Merkur hier Artikel von Fabian Hartmann 1.6.25
„Nicht wettbewerbsfähig“: Ex-VW-Chef zerlegt Reiches Pläne zur Energiewende
China als Vorbild gefeiert
Infineon-Aufsichtratschef Diess betont das weltweite Wachstum von PV-Anlagen und Energiespeichern. China ist für ihn Vorbild, Deutschlands Energiewende erntet Kritik.
Vom 7. bis 9. Mai kamen führende Unternehmen aus der Branche erneuerbarer Energien auf der Messe „Intersolar Europe“ in München zusammen. Dort zugegen war auch Herbert Diess, Ex-VW-Vorstandschef und aktuell Aufsichtsratschef des Chipkonzerns Infineon sowie Vorsitzender des Verwaltungsrats von The Mobility House, einem Anbieter von Ladeinfrastruktur für E-Autos. Als Eindrücke nahm Diess dabei vor allem die gestiegene Wettbewerbsfähigkeit von Photovoltaik in Zusammenspiel mit Batteriespeichern wahr.
Während Diess China als globalen Vorreiter und als Vorbild der Elektrifizierung mittels erneuerbarer Energien ansieht, kritisiert er die neuerlichen Vorstöße von Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Katherina Reiche (CDU), künftig wieder vermehrt auf Gaskraftwerke zu setzen.
Top-Manager Diess beurteilt Solarindustrie weltweit als „sehr wettbewerbsfähig“
Als „spürbar“ bezeichnet Diess das weltweite exponentielle Wachstum in den Bereichen Photovoltaik, Batterie-Speicher und Elektroautos, wie er es am Sonntag (3. Juni) im Zuge einer Kolumne für die Wirtschaftswoche formulierte. Im Vorjahr sei etwa ein Drittel der globalen Stromproduktion aus erneuerbaren Energien gewonnen worden, in Europa seien es gar 47 Prozent gewesen. Weltweit verdoppele sich die PV-Anlagen-Produktion alle drei Jahre, womit ihr Ausbau in ähnlichem Tempo stattfindet wie die Batteriezellen-Produktion für Speicher und E-Autos.
Diess zufolge ist die Solarindustrie inzwischen „sehr wettbewerbsfähig geworden“, was der ehemalige VW-Vorstandschef vor allem am großen Produktionsvolumen des chinesischen Markts und einem intensiven Wettbewerb festmacht. Global erfolgt der Zubau erneuerbarer Energieanlagen zur Stromerzeugung inzwischen zu über 80 Prozent mittels Solaranlagen, wobei laut Diess 70 Prozent der im Vorjahr neu generierten Leistung von insgesamt rund 600 Gigawatt in Asien installiert wurde. Weil es Europa im selben Zeitraum nur auf einen Zubau von PV-Anlagen mit insgesamt 80 Gigawatt Leistung schaffte, empfiehlt er, den Blick für eine gelingende Energiewende nach Asien – und dort insbesondere nach China – zu richten.
Eine besonders effiziente Möglichkeit der Stromerzeugung mittels Solaranlagen sieht Diess im Zusammenspiel von Photovoltaik-Anlagen und Energiespeichern, wie sie bereits in China in großem Stil zur Anwendung kommen. Die Kombination beider Methoden ermöglicht es, Energie zu sonnigen Zeiten tagsüber direkt zu speichern, um sie am Abend zu höheren Preisen ins Stromnetz einspeisen zu können.
Während der Energieexperte und ehemalige Volkswagen-CEO China für seine Elektrifizierung mittels Solartechniken als Vorbild für Europa lobt, kritisiert Diess auch die unlängst von Bundeswirtschaftsministerin Reiche hierzulande neu in Gang gebrachte Debatte, fossile Energieträger wie etwa Gaskraftwerke wieder stärker zu fördern: „Wir diskutieren hier immer noch über neue Gaskraftwerke. Wahrscheinlich ist aber fossile Stromerzeugung nicht einmal mehr mit staatlichen Subventionen wettbewerbsfähig gegen die mittlerweile extrem wettbewerbsfähige Kombination aus Solar und Batteriespeicher“, betont Diess dazu gegenüber der Wirtschaftswoche.
Diess betont die systemische Struktur der Energiewende und kritisiert Gaskraftwerk-Diskurs in Deutschland
Mit dem geplanten Ausbau der Gaskraftwerke will die neue schwarz-rote Bundesregierung eine energiepolitische Neuausrichtung im Zuge der Energiewende vollziehen. Dem Koalitionsvertrag zufolge sollen bis zu 20 Gigawatt neuen Gaskraftwerkskapazitäten entstehen – das wären etwa 40 neue Anlagen und damit annähernd doppelt so viele, wie in der ursprünglichen Planung von Reiches Amtsvorgänger Robert Habeck (Grüne) vorgesehen.
Fördern will Wirtschaftsministerin Reiche nun vor allem den Zubau von Gaskraftwerken in Süddeutschland, wofür sie am Montag einen „Südbonus“ in die Diskussion einbrachte, wie die CDU-Politikerin nach einer Klausur des bayerischen Kabinetts unter Leitung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Tegernsee sagte. Bereits vor Wochen sagte Reiche der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ): „Deutschland wird sich absehbar nicht allein mit erneuerbaren Energien versorgen können, wenn wir aus der Kohle aussteigen und der Strombedarf in Zukunft noch steigen wird.“
China kommt schneller voran: Dort werden die Effekte auf den Strompreis schnell spürbar sein
Dem entgegen weist Energieexperte Diess auf die systemischen Zusammenhänge der Energiewende hin. Vorstellen lässt sich dies wie ein Kreislauf, in dem die jeweiligen Sektoren und Triebkräfte der Energiewende jeweils aufeinander angewiesen sind, um fossile Energieträger durch sinkende Preise langfristig abzulösen. „Die Erneuerbaren brauchen dringend günstige stationäre Speicher und flexible Ladezeiten für E-Autos, damit ihre immensen Kostenvorteile gegenüber der fossilen Konkurrenz wirklich zum Tragen kommen und die Netze nicht durch gigantische Investitionen weiter verteuert werden“, betont Diess gegenüber der Wirtschaftswoche. Umgekehrt seien E-Autos etwa auf günstig erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien angewiesen.
Weil China auf all diesen Handlungsfeldern anders als Europa und Deutschland gleichermaßen effizient elektrifiziert, werden sich Diess zufolge dort auch umso schneller die Vorteile sinkender Strompreise spüren lassen. (fh)
WiWo hier KOMMENTAR von Herbert Diess 03.06.2025
„Wir diskutieren immer noch über neue Gaskraftwerke“
Die Wettbewerbsfähigkeit von Fotovoltaik in Zusammenspiel mit Batteriespeichern wächst. Warum China ein Vorbild bei der Elektrifizierung ist. Eine Kolumne.
Es war ein eindrucksvoller Auftritt der im Geschäft mit dem Stopp des Klimawandels erfolgreichen Unternehmen auf der Intersolar Europe 2025 in München: Solar, Batterie-Speicher, E-Autos – das exponentielle Wachstum aller drei Branchen weltweit war spürbar.
Ein Drittel der weltweiten Stromproduktion stammte 2024 erstmals aus erneuerbaren Energieträgern, 47 Prozent sind es bereits in Europa. Die weltweite Solaranlagen-Produktion verdoppelt sich derzeit etwa alle drei Jahre, ebenso die Herstellung von Batteriezellen für Speicher und E-Autos. Die Windanlagen- und Elektroauto-Produktion entwickelt sich etwas langsamer.
Die Solarindustrie wächst weltweit exponentiell und das weitgehend ohne Subventionen. Durch riesige Produktionsmengen für den chinesischen Markt und intensiven Wettbewerb ist sie sehr wettbewerbsfähig geworden.
Weltweit erfolgt der Zubau neuer Anlagen zur Stromerzeugung mittlerweile zu über achtzig Prozent mit Solaranlagen. Siebzig Prozent der im Jahr 2024 neu installierten rund 600 Gigawatt Leistung wurden dabei in Asien installiert. Europa ist mit rund 80 Gigawatt Zubau im letzten Jahr nur um fünfzehn Prozent gewachsen.
Mindestens ebenso schnell nimmt der Zubau stationärer Energiespeicher zu. Der Preisverfall ist hier noch schneller. Häufig wird bereits in Kombination in Fotovoltaik und Speicher investiert. Um den Strom tagsüber praktisch nicht zu verschenken, wird die Energie direkt auf dem Solarfeld in Batteriecontainern gespeichert und nach Sonnenuntergang zu höheren Preisen eingespeist.
Auch hier fällt Europa im Wettbewerb um günstigen erneuerbaren Strom – und damit Ausblick auf niedrige Energiekosten für Industrie und Verbraucher – im internationalen Vergleich eher zurück. Wir diskutieren hier immer noch über neue Gaskraftwerke. Wahrscheinlich ist aber fossile Stromerzeugung nicht einmal mehr mit staatlichen Subventionen wettbewerbsfähig gegen die mittlerweile extrem wettbewerbsfähige Kombination aus Solar und Batteriespeicher.
Die Zusammenhänge im Geschäft mit der CO2-Reduzierung sind systemisch. E-Autos brauchen günstigen Strom aus Wasser, Wind oder Sonne, um sich beschleunigt durchzusetzen. Die Erneuerbaren brauchen dringend günstige stationäre Speicher und flexible Ladezeiten für E-Autos, damit ihre immensen Kostenvorteile gegenüber der fossilen Konkurrenz wirklich zum Tragen kommen und die Netze nicht durch gigantische Investitionen weiter verteuert werden. Der Blackout in Spanien hat diese Dringlichkeit nochmals eindrucksvoll verdeutlicht.
China spielt auf allen Stellhebeln gleichzeitig und elektrifiziert die gesamte Volkswirtschaft schneller als jedes andere Land der Welt. Und wird damit auch schneller die Vorteile weiter sinkender Energiepreise genießen.
In Europa und den USA ist man überrascht und scheint zu bedauern, dass chinesische Unternehmen in den relevanten Technologien inzwischen vorne liegen. Das führt in Europa vielleicht auch dazu, dass die Dynamik der Elektrifizierung zuletzt eher etwas nachgelassen hat. Dafür gibt es keinen Grund: 800.000 Menschen arbeiten europaweit in der Solarindustrie.
Von mir geschätzt stehen dem eher 10.000 bis 20.000 Arbeitsplätze in China für die europäischen Bedarfe für Polysilicon, die Wafer, die Zellen und Modulproduktion gegenüber. Der weit überwiegende Anteil der Wertschöpfung findet also hier statt, in der Vermarktung, Installation und Wartung, über 90 Prozent der mit der Technologie erzielten Gewinne fallen außerhalb Chinas an – der Wettbewerb um Marktanteile ist nahezu ruinös für die chinesischen Wettbewerber. Es gibt also gar keinen Grund, beim weiteren Ausrollen der Solarmodule und Speicher nachzulassen.
Natürlich könnte man daran denken, chinesische Unternehmen stärker zu motivieren, sich in Europa anzusiedeln, damit unsere Forschung und unsere Werkzeugmaschinenindustrie in ihnen neue Partner finden. Denn die Entwicklung geht weiter. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) – immer noch das wahrscheinlich leistungsfähigste Institut für Solartechnologie – zeigt vor allem Innovationen in der Anwendung und Aufstellung. Alle Hersteller arbeiten weiter an graduellen Wirkungsgradverbesserungen und an ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
Die Solarindustrie ist aus heutiger Sicht als wichtigster Stromversorger der nächsten Dekaden nicht mehr einzuholen. Strom, der mit Fotovoltaik-Modulen hergestellt wird, wird jedes Jahr billiger. Kein Kartell hält für den wichtigsten Rohstoff der Energiewende künstlich die Preise hoch.
Wachstumsdynamik in den USA abgeschwächt
Den Ansatz der USA, im Rahmen des Inflation Reduction Act mit 200 Milliarden Dollar staatlichen Investitionen eine eigene Industrie aufzubauen, darf man zumindest im Bereich Solar als weitgehend gescheitert abhaken. Etwa dreimal teurer ist heute, trotz (oder vielleicht wegen) der Subventionen und Marktzugangshürden, eine Solaranlage in den USA gegenüber Europa. Die Wachstumsdynamik ist damit deutlich abgeschwächt.
Weil der Wandel systemisch gedacht werden muss, hat sich das Messekonzept der Intersolar Europe in München über die Jahre weit über eine Leistungsshow der Solarunternehmen hinaus entwickelt. Es ist zu einem Treffpunkt der Energiewirtschaft und einer Plattform für die Diskussion des Gesamtprojektes „Elektrifizierung und Dekarbonisierung“ geworden. Der Fokus in diesem Jahr: Nutzung des Autos als Energiespeicher.
Hohen Andrang gab es in den Hallen der Sonderausstellung V2G (Vehicle to Grid). Immer deutlicher wird der Bedarf sichtbar, die Autos als Speicher zu nutzen. Nicht nur bei The Mobility House, dessen Verwaltungsratsvorsitzender ich bin, findet man die ersten Gesamtlösungen und bidirektionalen Ladeboxen. Man spürt das wachsende Interesse: Viele Besucher, viel Netzwerken, viele neue Ankündigungen zu V2G und letztlich auch ein politisches Commitment dazu im Koalitionsvertrag. Das Auto soll netzdienlich werden und nicht noch mehr zusätzlichen Netzausbau nötig machen.
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