Donnerstag, 19. Juni 2025

Das AfD-Verbotsverfahren ist nicht sicher. Und es ist auch nicht die Lösung gegen den Rechtsruck und soll es auch gar nicht sein. Es ist eine Notbremse....

 hier Volksverpetzer von Thomas Laschyk | Juni 6, 2025 | Analyse

Wir sind näher am AfD-Verbotsverfahren, als du denkst

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass du zu der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung gehörst, die Angst vor der gesichert rechtsextremen AfD hat. Die diesen Hass, diese Lügen und die Bedrohung für unsere Demokratie ablehnen. Und die fürchten, dass das Ende der deutschen Demokratie bevorsteht.
Dass die AfD ihrem Vorbild Trump nacheifert, der gerade die US-Demokratie zerlegt, Unschuldige ohne Prozess illegal verhaftet und in ausländische Gulags deportiert, auch US-Staatsbürger. Dass man „Millionen“ aus dem Land vertreiben will, das sagt die AfD ja offen. Wahrscheinlich gehörst du auch zu der Mehrheit, die es inzwischen gibt, die sich für ein AfD-Verbotsverfahren ausspricht.

Und wahrscheinlich bist du auch nicht so optimistisch, was es angeht, das alles hier in Deutschland noch zu verhindern. Und verstehe mich nicht falsch, es bewegt sich sehr vieles in die falsche Richtung. Besonders die Merz-Regierung macht fast wie bei Malen nach Zahlen jeden Bilderbuchfehler, um den Rechtsruck-Speedrun in Deutschland durchzuführen. Es ist in der Wissenschaft ziemlich eindeutig, dass das Übernehmen rechtsradikaler Politik genau diese fördert. Und anstatt Wähler der faschistischen Partei abzugrasen, normalisiert die Regierung rechtswidrige, menschenverachtende und nicht funktionierende Politik.

Merz bereitet der AfD mit unehrlicher Politik den Boden
Im Gegenteil, man hat fast den Eindruck, Merz, Dobrindt & Co. würden der AfD regelrecht den Boden bereiten für ihre Machtübernahme mit ihrer kopflosen Politik. Es ist kein Geheimnis, dass diese Regierung uns bei den meisten Wahlversprechen nur etwas vorgespielt hat. Sondervermögen, Atomkraft, Heizgesetz, Gasnetz, Taurus-Lieferungen: Überall inszeniert oder verspricht man eine Kehrtwende, aber die (überraschend erfolgreiche) Ampel-Politik wird weitergeführt.

Auch im Bereich Migration ist vieles Show. Die Asylzahlen sinken seit bald zwei Jahren bereits kontinuierlich, die unerlaubten Einreisen auch. Die Zahl der Abschiebungen steigt seit Jahren immer weiter an. Mehr Migration hat nicht die Kriminalitätsrate steigen lassen. Dennoch hat die Union und ihre Presse so getan, als hätte die Ampel nichts getan und tut so, als gäbe es deswegen einen „Notstand“ und sie würde eine „Kehrtwende“ machen. Dafür führt man die sinnlosen Grenzkontrollen fort, die unser Wirtschaftswachstum signifikant schwächen dürften, die Polizei überfordern und kaum Effekt haben.

Nicht nur das, es ist noch schlimmer: Die Zurückweisungen Asylsuchender ist sogar offensichtlich rechtswidrig. Und es wird noch schlimmer: Dobrindt weigert sich mit fadenscheinigen Argumenten, ein entsprechendes Gerichtsurteil zu akzeptieren. In der Regierungsfraktion wird sogar das Europarecht in Frage gestellt. 

Der Tabubruch und das gebrochene Versprechen von Merz vor der Wahl, nicht mit den Faschisten gemeinsam Dinge zu verabschieden, haben das Vertrauen der Bevölkerung massiv verletzt. Und wie höhnisch warnt ein Spahn dann vor Vertrauensverlust. Die AfD jubelt. Ihre Lügen und ihre Scheinlösungen für Scheinprobleme sind Agenda für die Merz-Regierung. Kein Wunder, dass sie einen Höhenflug hat.

Show-Politik für den Rechtsruck
Der Politikstil von Merz ist schnell klar: Mit Worten und Taten die Propaganda der AfD legitimieren, und dann so tun, als würde man die Probleme, die man selbst herbeigeredet hat, lösen. Und wenn man erwartungsgemäß scheitert, heimlich die Ampel-Politik weiterführen. Nur wird das die AfD nicht schwächen, sondern gibt ihr das Futter zu sagen: Wer wirklich den Faschismus will, darf nicht die „AfD light“ wählen. Das sag nicht ich, das sagte Klöckner selbst:


Warum bin ich dennoch optimistisch beim AfD-Verbotsverfahren?
Es mag dich da überraschen, dass ich dennoch sehe, dass wir in Deutschland den Faschismus noch stoppen können. Dass auch ein AfD-Verbotsverfahren nicht vom Tisch ist, im Gegenteil. Es ist so nah wie noch nie zuvor. Wir bei Volksverpetzer beschäftigen uns mit der Frage, ob die AfD verfassungsfeindlich ist – und verboten werden muss nach dem deutschen Grundgesetz.

Deshalb haben wir im vergangenen Jahr eine Petition gestartet, die genau darauf abzielt: Lasst das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob ein AfD-Verbotsverfahren notwendig ist. Auf der Petitionsplattform Innn.it haben bislang knapp 1,2 Millionen Menschen unterschrieben – ein klares Signal an die politischen Entscheidungsträger.

Im Januar 2024 haben wir die Petition offiziell an den Bundesrat übergeben. Das war nicht irgendeine Übergabe: Es war die größte Petition, die jemals an dieses Gremium übergeben wurde, soweit wir wissen. Dass wir dann sogar zu einem Gespräch mit der damaligen Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig eingeladen wurden. Es hieß damals: Man müsse jetzt abwarten, bis ein Gericht bestätigt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen darf. Diese offizielle Einstufung kam im Frühjahr 2024.

Weil wir keine Zeit verlieren wollten, haben wir die Petition im Oktober 2024 auch noch einmal dem Bundestag übergeben, an die parteiübergreifende Initiative von Marco Wanderwitz (CDU). Wieder war es die größte Petition, die jemals an dieses Organ übergeben wurde.

Aber auch diese Initiative scheiterte – vor allem wegen der vorgezogenen Bundestagswahl. Seitdem scheinen viele zu glauben, dass der Zug abgefahren ist. Doch politische Vorhaben wie das AfD-Verbotsverfahren sind ein Marathon, kein Sprint.
                                                                                                                                                                       
Die Hochstufung der AfD als gesichert rechtsextrem hat noch einen massiven Push verursacht. In der Bevölkerung gibt es eine Mehrheit für ein AfD-Verbotsverfahren, und auch bei den Abgeordneten hat sich viel bewegt. Wie schon im letzten Parlament ist die LINKE natürlich dafür, auch offiziell. Das Zögern bei den Grünen ist weg, ebenso wie bei der SPD, wo lange von oben blockiert wurde. Auch Lars Klingbeil ist jetzt offen für ein AfD-Verbot. Der offizielle Beschluss soll auch noch kommen.

In der Union ist die Zustimmung zweifelsohne geringer. Söder forderte (erfolglos) ein Ende der Debatte darum, und Merz sei „sehr skeptisch“. Merz hat angeblich sogar Schweigen zur Sache in seinen Reihen angeordnet. Klar, Merz soll tatsächlich glauben, er könnte mit seiner AfD-Politik die AfD schwächen. Aber intern, so habe ich aus mehreren Quellen erfahren, bereitet man sich auf den Plan B vor.

Ist das ein geheimer Plan der Union?
Ich habe eingangs nicht nur lange die Doppelzüngigkeit der derzeitigen Unionsspitze detaillierter ausgeführt. Denn laut Insidern macht man das gleiche wie sonst auch: eine Show. Intern sollen im Justizministerium und im Innenministerium Gutachten angestellt werden, deren Ergebnisse nach der Sommerpause fertig werden. Auf den Fluren des Bundestags hört man gerüchteweise, dass es schon einen geplanten Zeitplan der Koalition für die Einleitung des Verbotsverfahrens gibt: April 2026, nach den Landtagswahlen. Mit genug Zeit für den Prozess bis zur Bundestagswahl.

Und über den Bundesrat könnte das unter diesen Voraussetzungen jetzt schon reichen, auch ohne die gesamte Union an Bord zu haben: Da Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther für ein AfD-Verbotsverfahren ist, und auch NRW-Ministerpräsident Wüst sich vorsichtig dafür ausgesprochen hat, hätte man mit den SPD-geführten Bundesländern eine Mehrheit im Bundesrat. Auch da passiert einiges im Hintergrund: Bremen hat offiziell schon beschlossen, sich dafür einzusetzen, intern soll es dazu auch Besprechungen auf der Innenministerkonferenz geben. Denn es gibt sicherlich so einige geheime, abgehörte rechtsextreme Pläne in der AfD, die man bewusst nicht in das Verfassungsschutzgutachten getan hat.

Auch die Zivilgesellschaft arbeitet daran
Von der Union hört man, dass die meiste Ablehnung keine Ablehnung per se ist. Sondern einfach nur, dass man sich bisher mit dem Thema dort nicht wirklich beschäftigt hatte. Das war bisher nur „linke Träumerei“ gewesen, so dort die Stimmung. Jetzt wird es aber eine politische Diskussion in der Mitte der Gesellschaft. Und da gibt es noch einige Mythen und Falscheinschätzungen – die man aber aufklären kann. In unserer letzten Podcastfolge haben wir die wichtigsten falschen Vorstellungen zum AfD-Verbotsverfahren besprochen, falls sich jemand interessiert.

Ja, der Zeitplan ist nicht sicher. Und das AfD-Verbot ist nicht ausgemacht. Es ist auch nicht ganz klar, dass es vollständig ausreicht. Dazu erstellt die Gesellschaft für Freiheitsrechte gerade ein umfassendes Gutachten, das quasi der Verbotsantrag werden könnte – wenn die (öffentlich bekannten) Belege nach Einschätzung von Experten den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprechen. Da diese Ergebnisse (auch von Volksverpetzer) nach und nach öffentlich gemacht werden, kann das auch Arbeit für diejenigen abnehmen, die später den „richtigen“ Antrag schreiben, und somit die notwendige Zeit verkürzen.

Das AfD-Verbotsverfahren ist nicht sicher. Und es ist auch nicht die Lösung gegen den Rechtsruck und soll es auch gar nicht sein. Es ist eine Notbremse, um die Machtergreifung einer möglichen faschistischen Partei zu verhindern. Das verhindert nicht, wenn aus der Union schon Angriffe auf den Rechtsstaat kommen. Aufklärung, gute Politik und strukturelle Lösungsansätze für die echten Probleme unserer Zeit sind die Lösung. Man kann ja aber beides machen.

Erst wenn wir aufgeben, verlieren wir
Wer mehr Angst davor hat, was passiert, wenn wir es nicht versuchen, sollte seine Energie die nächsten Monate da rein stecken, die zögerlichen und unentschlossenen in der Union aufzuklären. Über die schlechten Argumente gegen ein Verfahren. Schreibt euren (Unions-)Abgeordneten. Hier bei Abgeordnetenwatch könnt ihr herausfinden, wer in eurem Wahlkreis im Bundestag sitzt:

Schreibt ihnen höflich, klärt sie über falsche Mythen auf, wie dieses von Dobrindt, bittet sie, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Seid laut, sprecht in eurem Umfeld darüber, in Social Media. Solange wir darüber reden, ist wenigstens eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD vom Tisch, wie bereits einige in der Union wie Spahn versucht haben.

Aber wenn der Rechtsruck von Merz wie völlig zu erwarten weiter scheitern wird, und wenn ständig weitere Argumente für ein Verbot von der AfD geliefert werden, wie von einer Höchst oder einem Springer, und wenn wir die Unionspolitiker mit guten Argumenten überzeugen, sind wir auf dem Weg dahin.

Es ist noch lange nicht vorbei
Im Gegenteil, wir sind so nah an einem Verfahren wie noch nie. Die Mehrheit der Deutschen hat im Geschichtsunterricht aufgepasst. Und sie will die AfD nicht. Sie haben sogar Angst davor. Ich auch. Ich muss wahrscheinlich das Land verlassen, wenn die Faschisten an die Macht kommen. Oder meint ihr, sie werden „Volksverpetzer“ weiter ihre Lügen aufdecken lassen? Wir kämpfen für unsere trans Mitmenschen, unsere muslimischen Mitmenschen, Menschen mit Migrationshintergrund, queere, Arbeitslose, die Rechte von Frauen. Es geht um die Freiheit von uns allen.

Und wir können nur verlieren, wenn wir aufgeben. Wenn wir uns damit abfinden. Ich bin auch optimistisch, weil wir nur so unsere Demokratie retten können. Und weil ich weiß, dass du auch mit uns gemeinsam kämpfen wirst. Mehr dazu auch auf meiner Keynote-Rede auf der letzten re:publica 

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