Wichtige Weichenstellungen müssen jetzt politisch umgesetzt werden
Meeresschutz: Deutschland hat viel versprochen, nun zählen die Taten
Gefahr Tiefseebergbau: Präsentes Thema, die Allianz der Staaten gegen Tiefseebergbau ist stark aufgetreten, wenig gewachsen
Ernährungssicherung und Fischerei: Perspektiven zur Überwindung der Klimawirkungen auf Ernährung und menschenwürdiges Leben im globalen Süden fehlen weiterhin
Am heutigen Freitag endet die 3. UN-Meereskonferenz in Nizza. Angesichts des schwierigen geopolitischen Umfelds ist es bereits als Erfolg zu werten, dass sich fast alle UN-Mitgliedsstaaten erneut zur Diskussion und zu Verhandlungen über globale Meerespolitik getroffen haben.
Auf der Konferenz war ein ehrliches Bekenntnis der Staaten zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Meere zu erkennen. Gleichzeitig muss sich das Ergebnis der Konferenz nun daran messen lassen, wie ambitioniert die Mitgliedstaaten die Beschlüsse in nationale Politik umsetzen.
Meeresschutz
Ein besonderes Momentum konnte die Konferenz bei der Ratifizierung des UN-Hochseeschutzabkommens (Agreement on Biodiversity beyond National Jurisdictions, kurz BBNJ) entfalten. Zwar wurde die notwendige Anzahl von 60 Ratifizierungen vorerst nicht erreicht, es gilt aber als sicher, dass dieses Ziel bis zur UN-Generalversammlung im September 2025 erfüllt wird. Damit wäre für den seit Jahrzehnten angestrebten Schutz der Hohen See ein wichtiger politischer Durchbruch erreicht.
Franziska Saalmann von Greenpeace merkt an: „Umweltminister Carsten Schneider hat für den Meeresschutz viel versprochen. Nun kann er zeigen, dass es ihm ernst ist. Deutschland sollte das BBNJ-Abkommen so schnell wie möglich ratifizieren und auf eine rasche Umsetzung drängen: Mit klaren Finanzierungszusagen, Vorschlägen für Schutzgebiete und enger internationaler Zusammenarbeit. Wenn die große Bühne in Nizza abgebaut ist, zählt was in Berlin passiert.”
„Gleichzeitig ist es bitter nötig, auch in den nationalen Meeresschutzgebieten nachzubessern.
Vor allem die Grundschleppnetzfischerei muss endlich aus diesen verbannt werden. Die schweren Netze zerstören den Meeresboden, fangen eine Vielzahl ungewollter Lebewesen als Beifang und verursachen sehr viel Unterwasserlärm. Da Deutschland der auf der Konferenz von Kanada und Panama gegründeten Koalition für leisere Meere (High Ambition Coalition for a Quiet Ocean) beigetreten ist, erwarten wir ambitioniertes Voranschreiten der deutschen Regierung um den zunehmenden Unterwasserlärm zu reduzieren”, sagt Bettina Taylor vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Tiefseebergbau
Die Kontroverse um einen zukünftig möglichen Tiefseebergbau bestimmte als zweites großes Thema die Diskussionen in Nizza. Obwohl zahlreiche Staaten ihre ernsten Bedenken zur Ausbeutung der Tiefsee zum Ausdruck brachten, schlossen sich nur vier weitere Länder der Forderung nach einem Moratorium an. Derzeit lehnen damit insgesamt 37 Staaten den Beginn von Tiefseebergbau zum jetzigen Zeitpunkt ab.
Klaus Schilder von Misereor macht deutlich: „Die im Juli stattfindenden Verhandlungen der Internationalen Meeresbodenbehörde zielen weiterhin auf den Start des industriellen Tiefseebergbaus ab, der Lebensräume und Nahrungsquellen von Menschen gefährdet. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen in den betroffenen Ländern fordern zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland die Bundesregierung auf, Tiefseebergbau deutlich abzulehnen, sowie Abbau-Tests und millionenschwere Technologieförderung zu beenden.”
„Tiefseebergbau ist eine maximal umweltzerstörerische, neue industrielle Ausbeutung der Meere, die die Menschen und unsere Umwelt im Pazifik bedroht. Eine neuer blauer Kolonialismus findet in der Region statt. Wir fordern mehr in den globalen Meeresschutz zu investieren und die Achtung der Rechte der Menschen im Pazifik wie in anderen Regionen zu unterstützen”, sagt Jan Pingel vom Ozeanien-Dialog.
Ernährungssicherung und Fischerei
Die Meereskonferenz hat die Sorgen und Nöte hinsichtlich des Beitrags der Meere für Ernährungssicherung und Einkommen in der Kleinfischerei aufgegriffen. Es fehlen aber konkrete Schritte zur Eindämmung illegaler Fischerei und für den Schutz gegen steigende Meeresspiegel.
Francisco Marí von Brot für die Welt sagt: „Küstenländern und Inselstaaten im Globalen Süden steht das Wasser bis zum Hals. Ihre Fischgründe und die Küsten, von denen sie leben und sich ernähren, verschwinden.”
„Die Unverbindlichkeit der Abschlusserklärung enttäuscht uns, denn es fehlen Perspektiven zur Überwindung der Klimawirkungen auf Ernährung und menschenwürdiges Leben”, sagt Gaoussou Gueye vom afrikanischen Verband der Kleinfischerei.
„Staaten und Wirtschaftsunternehmen fordern, dass man mit einer ‘Blauen Wirtschaft’ noch mehr Geld und Gewinne aus den Meeren einstreichen kann, obwohl die Ozeane am Rande unumkehrbarer Kipppunkte stehen”, kritisiert Kai Kaschinski von Fair Oceans.
Deutschlandfunk hier Von Jule Reimer | 14.06.2025
Nizza - Ein Punktsieg für die Völkergemeinschaft
Die jüngste Ozeankonferenz hat viele freiwillige Projekte zum Meeresschutz auf den Weg gebracht. Der eigentliche Erfolg der Konferenz besteht jedoch im Rückenwind, den sie mehreren völkerrechtlich verbindlichen Abkommen geliefert hat.
In Nizza ist am 13. Juni die 3. UN-Ozeankonferenz (UNOC3) der Vereinten Nationen zu Ende gegangen. Helfen die vereinbarten Selbstverpflichtungen den Weltmeeren?
Inhalt
Das wurde in Nizza vereinbart – eine Einordnung
Ausweisung von Schutzgebieten, Kampf gegen Überfischung
Tiefseebergbau
Plastikmüll
Schiffsverkehr
So geht es weiter
Das wurde in Nizza vereinbart – eine Einordnung
Die UN-Bildungsorganisation UNESCO will 10.000 Handelsschiffe dafür gewinnen, wissenschaftliche Meeresdaten zu erheben. Mehrere Staaten mit langen Küstenlinien wollen ihre Schutzgebiete ausweiten. Stiftungen, Unternehmen, Regierungen und staatliche Entwicklungsbanken haben versprochen, bis zu 35 Milliarden Euro zu investieren.
Das sind ein paar der rund 2.500 Selbstverpflichtungen und Finanzzusagen anlässlich der Nizza-Konferenz. Sie sollen dazu beitragen, das UN-Nachhaltigkeitsziel Nummer 14 bis zum Jahr 2030 zu erfüllen: Die Entwicklung einer nachhaltigen Meereswirtschaft, die das Leben unter Wasser nutzt, es aber auch schützt.
Umwelt und Verbraucher
UN-OzeankonferenzErfolg für Meeresschutz? Interview mit Nicolas Entrup, Ocean Care
05:50 Minuten13.06.2025
Alle Zusagen sind freiwillig: Was umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Trotzdem gilt die UNOC3 als Erfolg. Denn sie hat mehreren völkerrechtlich verbindlichen Abkommen erheblichen Rückenwind verschafft. Allerdings komme es jetzt auf die Umsetzung an, sagt Nicolas Entrup von der Umweltorganisation Ocean Care.
Ausweisung von Schutzgebieten, Kampf gegen die Überfischung
Überhitzt, versauert, überfischt, vermüllt – das größte Ökosystem der Erde ist durch den Menschen enorm belastet. Deshalb fordern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler viel mehr Meeresgebiete, in denen keine wirtschaftliche Ausbeutung stattfindet.
Der Weltnaturvertrag von Montreal sieht vor, dass ein Drittel der Meeresfläche bis zum Jahr 2030 unter Schutz gestellt werden soll, mal mehr, mal weniger streng. Derzeit beträgt der Anteil acht Prozent. Mit den Ankündigungen von Nizza wird diese Zahl auf fast elf Prozent steigen. Nicht immer sind diese Meeresparks gut gemanagt. In der EU wird in manchen Schutzgebieten immer noch die umweltschädliche Grundschleppnetzfischerei praktiziert. Umweltorganisationen kritisieren die Deklaration von Nizza im Bereich Fischerei als viel zu lau.
Mehr Hoffnung auf Ratifizierung des UN-Hochseeschutzabkommens
Allerdings können Frankreich und Costa Rica als Ausrichter der UN-Konferenz einen wichtigen Erfolg einfahren: Die Ratifizierung des UN-Hochseeschutzabkommens BBNJ hat in Nizza an Fahrt aufgenommen. Es gilt als sicher, dass es Anfang 2026 Inkrafttreten kann. Mit dem Abkommen wird es eine juristische Grundlage geben, in internationalen Gewässern gemeinsam verwaltete Schutzgebiete einzurichten und besser gegen die illegale Fischerei vorzugehen.
Das Hochseeabkommen BBNJ soll die Meere besser schützen. Die neue US-Regierung schürt jedoch Begehrlichkeiten, den bislang verbotenen Tiefseebergbau aufzunehmen. US-Präsident Trump stellt damit anerkanntes Völkerrecht infrage.
Ob das ebenfalls der Ratifizierung harrende Fischerei-Abkommen der Welthandelsorganisation WTO noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden kann, blieb in Nizza ungewiss – viele Entwicklungsländer fühlen sich in dem Abkommen benachteiligt.
Tiefseebergbau
Der „Freiheit der Meere“ auf der Hohen See setzt das UN-Seerechtsabkommen UNCLOS Grenzen. Dort ist festgelegt, dass der Tiefseeboden als gemeinsames Erbe der Menschheit zu betrachten ist. Bergbaulizenzen darf deshalb nur die internationale Meeresbodenbehörde ISA (International Seabed Authority) mit Sitz auf Jamaika vergeben, die wiederum durch die 170 Mitgliedsstaaten der UNCLOS gesteuert wird.
Die USA sind kein Mitglied, haben das Abkommen aber bisher weitgehend respektiert. US-Präsident Trump versucht jetzt allerdings, per US-Dekret den umstrittenen kommerziellen Abbau von Rohstoffen in internationalen Gewässern voranzutreiben. Völkerrechtler wie der Hamburger Professor für Internationales Seerecht, Alexander Proelß, stufen dies als völkerrechtswidrig ein
Wissenschaftler warnen vor den gravierenden Umweltfolgen in der Tiefsee. Während einige UN-Mitglieder, vor allem kleinere und ärmere Inselstaaten im Pazifik, den kommerziellen Tiefseebergbau als wirtschaftliche Chance sehen, fordert eine Gruppe von 37 Ländern, ihn noch auszusetzen, solange die Umweltfolgen nicht ausreichend erforscht sind. Zu letzteren zählen große Industriestaaten wie Deutschland, Kanada, Frankreich oder Australien.
Trumps Vorstoß lehnten in Nizza jedoch alle Regierungen ab. In der Abschlusserklärung wird die Rolle der Internationalen Meeresbodenbehörde gestärkt.
Plastikmüll
Mindestens 23 Millionen Tonnen Kunststoff landen derzeit pro Jahr als Müll in den Weltmeeren. Bis 2040 wird sich diese Belastung voraussichtlich verdoppeln. Eine UN-Plastikkonvention könnte eine Kehrtwende bringen. Über deren Inhalte werden die UN-Mitgliedsstaaten im August 2025 in Genf verhandeln. Einige erdölexportierende Länder wie Russland, Saudi-Arabien und der Iran vertreten die Position, es reiche, das Einsammeln und Recycling von Plastik zu verbessern, das meist aus Rohöl hergestellt wird.
Beobachter rechnen damit, dass sich die jetzige US-Regierung im August deren Position anschließen wird. Unter Führung Frankreichs nutzen dagegen Umweltminister aus 100 Ländern die Bühne der UNOC3, um ein umfassendes Plastikabkommen einzufordern. Zentraler Punkt: Eine UN-Plastikkonvention müsse vorgeben, künftig die Kunststoffproduktion zu reduzieren, weil sich die Mengen nicht mehr bewältigen ließen. „Wir geben unsere Forderung nicht auf“, erklärte Frankreichs Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher in Nizza.
Schiffsverkehr
Die Abschlussdeklaration von Nizza bekräftigt die Notwendigkeit, Schiffe bis 2050 auf klimafreundliche Treibstoffe umzurüsten. Damit stärkten die Konferenzteilnehmer ein weiteres internationales Abkommen. Anfang April hatten sich die Mitgliedsstaaten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO auf eine Mindeststeuer für fossile Abgase von Schiffen geeinigt – die erste Abgabe ihrer Art.
Demnach soll eine Mindeststeuer von rund 88 Euro für jede Tonne Kohlendioxid fällig werden, die Schiffe ausstoßen. Die neuen Regeln sollen frühestens 2028 in Kraft treten. Die USA hatten wegen dieser Vereinbarung abgelehnt, an den Beratungen teilzunehmen.
So geht es weiter
„Auf der Konferenz war ein ehrliches Bekenntnis der Staaten zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Meere zu erkennen“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung von BUND, Greenpeace, Misereor und weiteren. Das Ergebnis müsse sich nun daran messen lassen, wie ambitioniert die Mitgliedstaaten die Beschlüsse in nationale Politik umsetzten.
Bei den Verhandlungen der Internationalen Meeresbodenbehörde im Juli 2025 könne die neue Bundesregierung dann zeigen, dass es ihr mit der Forderung nach einer Aussetzung des Tiefseebergbaus ernst sei, erklärte Greenpeace-Meeresbiologin Franziska Saalmann.
Standard hier Alicia Prager Benedikt Narodoslawsky 14. Juni 2025,
War die UN-Ozeankonferenz in Nizza für die Fisch'?
Ein verbindliches Abkommen für die Hohe See in Reichweite, neue Meeresschutzgebiete und Stimmung gegen den Tiefseebergbau: Die bislang größte Konferenz für die Meere bringt kleine Schritte nach vorn
Was die Konferenz erreicht hat auf einen Blick:
Klima, Meeresressourcen, Plastikmüll, Artenschutz: Die UN-Ozeankonferenz (UNOC) in Nizza brauchte einen langen Verhandlungstisch. Mehr als 50 Staatsoberhäupter kamen in die französische Metropole und machten die UNOC zum Gipfeltreffen der internationalen Spitzenpolitik. Delegierte aus mehr als 120 Ländern verhandelten an der Côte d'Azur die Zukunft der Ozeane. "Das Meer ist die ultimative gemeinsame Ressource", sagte UN-Generalsekretär António Guterres in seiner Eröffnungsrede am Montag. "Aber wir lassen es im Stich.Bisher haben 50 Staaten das UN-Hochseeabkommen ratifiziert. Weitere 15 Staaten haben angekündigt, sich anzuschließen. Damit das Abkommen in Kraft tritt, müssen zehn von ihnen das Abkommen tatsächlich ratifizieren.
Eine Staatengruppe hat sich neu formiert, die Tempo in die Umsetzung des Hochseeabkommens bringen will.
Französisch-Polynesien, Kolumbien, Samoa, Tansania sowie São Tomé und Príncipe richten neue Meeresschutzgebiete ein. Jenes von Französisch-Polynesien ist die bislang größte Schutzzone der Welt.
37 Staaten fordern ein Moratorium gegen den Tiefseebergbau.
Knapp 100 Staaten veröffentlichen den "Weckruf von Nizza", mit dem sie ein ambitioniertes Abkommen gegen die Plastikverschmutzung fordern. Im August gehen die Verhandlungen dazu in die nächste Runde.
37 Staaten gründen eine neue Koalition, die den schädlichen Unterwasserlärm in den Meeren reduzieren will, auch Österreich ist dabei.
Die EU hat 40 Millionen Euro für die Umsetzung des Hochseeabkommens zugesichert, sowie knapp eine Milliarde für verschiedene Projekte weltweit für den Meeresschutz.
Nach einem fünftägigen Verhandlungsmarathon nahmen die Delegierten am Freitagabend schließlich eine gemeinsame Deklaration an, die bereits in der Woche vor der UN-Konferenz verfasst worden war. Der Ozean sei "für das Leben auf unserem Planeten und für unsere Zukunft fundamental". Man sei "besorgt über die hohe und rasch zunehmende Menge an Plastikmüll", darüber hinaus "zutiefst beunruhigt über die sich stetig verschlechternden Trends beim Zustand der globalen Meeresfischbestände". Man stehe zur Entscheidung, "den Ozean und sein Ökosystem zu schützen, zu erhalten, nachhaltig zu nutzen und wiederherzustellen".
Die Deklaration liest sich wie eine blumig formulierte Absichtserklärung ohne konkrete Zugeständnisse. Zukunftsweisender als die schönen Worte im Abschlusstext sind ohnehin die diplomatischen Fortschritte, die im Hintergrund gelungen sind. Was hat die Konferenz also im Detail gebracht?
Der prominenteste Punkt der Verhandlungen war das Abkommen zum Schutz der Hohen See (BBNJ), das die Staaten bereits 2023 aufgesetzt, allerdings bislang nicht umgesetzt haben. Dieses völkerrechtlich verbindliche Abkommen, das erstmals internationale Gewässer schützen soll, tritt automatisch in Kraft, sobald es 60 Staaten ratifiziert haben. Mit der Konferenz in Nizza ist Tempo in den Prozess gekommen. 50 Staaten haben das Abkommen bereits ratifiziert, 15 weitere wollen dies in den kommenden Monaten nachholen. Wenn elf von ihnen Wort halten, ist das Abkommen in Kraft.
Rechtsfreier Raum
Bisher sind die internationalen Gewässer ein nahezu rechtsfreier Raum. Industrielle Überfischung, Verschmutzung und die Erderhitzung setzen ihnen immer stärker zu. Dazu kommen zunehmend konkrete Pläne wie zuletzt jene von US-Präsident Donald Trump, Rohstoffe in der Tiefsee abzubauen – obwohl die Folgen für das Leben im Meer bislang kaum erforscht sind.
Das Hochseeabkommen soll die Ausbeutung internationaler Gewässer bremsen und regulieren. Dazu sieht der Vertrag auch Mechanismen vor, um Meeresschutzgebiete auf Hoher See einzurichten. Zusammen mit nationalen Gewässern sollen bis 2030 insgesamt 30 Prozent der Meeresflächen unter Schutz stehen. In Nizza kündigten mehrere Staaten neue Schutzzonen an, während andere ein besseres Management bestehender Gebiete versprachen. Die Hoffnung dahinter: Nicht nur die Artenvielfalt soll sich erholen, auch die Fischerei kann profitieren. Studien zeigen, dass rund um streng geschützte Meeresschutzgebiete deutlich mehr Fisch gefangen werden kann, weil sich die Bestände innerhalb der Schutzzonen rascher vermehren.
Meeresschutz auf dem Papier
Vom Ziel, bis 2030 knapp ein Drittel der Ozeane zu schützen, sind die Staaten allerdings noch weit entfernt. Vor der UN-Ozeankonferenz in Nizza standen acht Prozent der Meeresflächen unter Schutz, mit den neuen Zusagen sind es jetzt elf Prozent. Doch wenn es um Gebiete geht, in denen großflächige Fischerei tatsächlich verboten ist, klafft die Lücke noch weiter. Denn in den meisten Meeresschutzgebieten – auch in Europa – ist die Fischerei weiterhin erlaubt. In rund 60 Prozent der europäischen Schutzgebiete dürfen sogar Bodenschleppnetze eingesetzt werden, die besonders großen Schaden anrichten.
"Viele Schutzgebiete unterscheiden sich kaum von nicht geschützten Flächen – oft sind sie nicht mehr als Linien auf einer Landkarte", kritisiert Enric Sala von National Geographic Pristine Seas und wissenschaftlicher Berater und Produzent des Films Ocean, den der berühmte Natur-Dokumentarfilmer David Attenborough vor der Ozeankonferenz herausgebracht hat. Die Dokumentation zeigt unter anderem verstörende Szenen, in denen ein Bodenschleppnetz über den Meeresgrund fegt und alles mitnimmt, was dort lebt. Dabei wühlen die Netze das Sediment stark auf – Unmengen an CO2 werden freigesetzt. Die Emissionen sind laut einer Studie, die in der wissenschaftlichen Publikation Nature veröffentlicht wurde, vergleichbar mit jenen der globalen Luftfahrt.
Die Erwartungen vor der Konferenz waren groß: Viele hofften, dass die Staaten endlich Schritte setzen würden, um die Fischerei mit Bodenschleppnetzen einzuschränken. Doch im Abschlusstext blieb die umstrittene Fangmethode trotz reger Debatte außen vor. Besonders das Gastgeberland Frankreich steht dafür in der Kritik. "Das war Frankreichs Moment, um Führung zu zeigen – und sie haben die Gelegenheit verpasst", sagt Alexandra Cousteau, Beraterin bei der Organisation Oceana und Enkelin des Tauchpioniers Jacques-Yves Cousteau. "Präsident Macron hat versprochen, gegen die Fischerei mit Bodenschleppnetzen in Schutzgebieten vorzugehen, doch es bleiben leere Worte."
Auch Enric Sala von National Geographic Pristine Seas sieht den langsamen Fortschritt skeptisch. "Wir haben keine Zeit mehr, um in Richtung der Ziele zu kriechen – wir müssen rennen", meint er. "Die Wissenschaft zeigt uns, dass Meeresschutzgebiete Nahrungssicherheit, Artenvielfalt und Klimaschutz bringen können, wenn sie streng geschützt sind." Einige Staaten hätten nun zwar wichtige Schritte gesetzt, doch der Schutz könne nicht länger optional bleiben.
50 von 60 Ländern
Mehr Verbindlichkeit soll unter anderem das Hochseeschutzabkommen liefern, das in Nizza starken Aufwind bekommen hat. War die Ozeankonferenz unterm Strich doch ein Erfolg?
Die Antwort hängt von der Sichtweise ab. Im Vorfeld hatten Umweltorganisationen darauf gedrängt, dass auf der UNOC die notwendigen 60 Länder das UN-Hochseeschutzabkommen ratifizieren, damit es in Kraft treten kann. Es sind zwar nur 50 Länder geworden, aber ein starker Push in die richtige Richtung war es allemal. Allein die fehlenden EU-Länder können den Durchbruch bringen. Schließlich gilt die EU selbst als starke Fürsprecherin des Vertrags. Alle EU-Mitgliedsstaaten haben ihn bereits unterzeichnet, aber erst die Hälfte davon auch ratifiziert. Österreich gehört zur langsamen anderen Hälfte.
Neuer Schwung
"Aus meiner Sicht war die UN-Ozeankonferenz ein Erfolg für die internationale Umweltdiplomatie", sagt Politikwissenschaftlerin Alice Vadrot von der Uni Wien. "Ihr Wert liegt darin, dass den Staaten auf höchster Ebene Bekenntnisse abgerungen werden konnten." Zwar sei das Abschlussdokument, das die Staaten gemeinsam verabschiedeten, zu wenig ambitioniert. Aber die UNOC selbst habe Schwung für die nächsten Verhandlungen gebracht.
Im Juli verhandeln die Staaten den Tiefseebergbau, im August das UN-Plastikabkommen. "Diese Verhandlungen befinden sich in einer kritischen Phase. Bei der UNOC wurde ein Momentum geschaffen, damit die Prozesse umgesetzt werden können", sagt Vadrot. Konkret gehe es beim Plastikabkommen darum, ehrgeizigere Ziele anzustreben, um die Vermüllung der Ozeane zu stoppen. In der Frage des Tiefseebergbaus brauche es hingegen eine noch größere Allianz für ein Moratorium, um den Meeresgrund vor der Ausbeutung zu schützen.
Dieser Schwung sei laut der Politikwissenschaftlerin auch deshalb möglich geworden, weil die Gastgeberländer Costa Rica und Frankreich die Ozeankonferenz zu einer diplomatischen Veranstaltung auf höchstem Niveau gemacht haben. So seien Räume entstanden, in denen nicht nur Länder Allianzen für den Meeresschutz schmieden konnten, sondern auch Akteure aus der Wirtschaft und der Wissenschaft.
Beispielsweise haben sich nicht nur 37 Staaten für ein Moratorium für den Tiefseebergbau zusammengeschlossen und damit den Finger auf die Stopptaste gelegt, um den Meeresboden zu schonen, anstatt ihn der industriellen Ausbeutung preiszugeben. Auch einige Unternehmen bekannten sich dazu, ihre Vorhaben und Investitionen in den Tiefseebergbau zu unterlassen. "Es ist wichtig, dass man Unternehmen an Bord gebracht hat, weil der Druck, den Tiefseebergbau zu erlauben, gerade aus der Wirtschaft kommt", sagt Vadrot. Philantropen, Investoren und Banken haben sich darüber hinaus dazu entschlossen, über die nächsten fünf Jahre 8,7 Milliarden Euro in die Blue Economy zu pumpen, also die nachhaltige, maritime Wirtschaft zu stärken.
Ambitionierte Allianzen
Die Liste der Allianzen lässt sich fortführen: 90 Länder unterstützen die Deklaration "Der Nizza-Weckruf für ein ehrgeiziges Plastikabkommen", die sich dafür einsetzt, die Plastikproduktion auf ein nachhaltiges Niveau herunterzufahren und die gefährlichsten Plastikprodukte samt deren Chemikalien auslaufen zu lassen. Außerdem formierten sich rund um Panama und Kanada 35 weitere Länder zur ersten politischen Allianz, die sich für stillere Ozeane starkmacht. Schließlich gehört Unterwasser-Lärm zu den größten Bedrohungen für Meerestiere. Österreich hat sich beiden Allianzen angeschlossen.
"Die Etablierung der High Ambition Coalition for a Quiet Ocean und die wachsende Opposition gegen Tiefseebergbau bieten Grund für Zuversicht", urteilt die Umweltorganisation Oceancare, die sich für den Schutz der Weltmeere einsetzt. Doch die Bewertung des großen Ganzen fällt ernüchternder aus. Die Staaten hätten es auf der Konferenz insgesamt versäumt, Antworten auf die Ozeankrise zu liefern. Fabienne McLellan, Geschäftsführerin von Oceancare, kritisiert: "Angesichts der anhaltenden Verschlechterung des Gesamtzustands der Ozeane sind wir enttäuscht über die mangelnde Verantwortung der Staaten, die sich nicht auf einen klaren Weg nach vorn einigen konnten, der konkrete Aktionspunkte für den Meeresschutz definiert." (Alicia Prager, Benedikt Narodoslawsky, 14.6.2025)
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