hier Spiegel Von Timo Lehmann, Brüssel 19.06.2025
Neue Prüfungskommission: In Brüssel eskaliert der Streit über die NGO-Förderung
Seit Monaten gibt es im EU-Parlament Streit über die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen. Jetzt haben Konservative und Rechte zusammen ein Kontrollgremium eingeführt. Linke und Grüne sind schockiert.
Logo des EU-Parlaments in Brüssel Foto: Stephanie Lecocq / EPA
Der Streit schwelt seit Monaten, doch nun gibt es eine erste Entscheidung. Die Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament beschlossen in ihrer Sitzung am Donnerstag, eine feste Arbeitsgruppe im Haushaltsausschuss einzurichten. Diese soll alle Finanzströme und Verträge zwischen der EU-Kommission und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) untersuchen.
Die Mehrheit für diesen Vorschlag kam durch eine Allianz zwischen der konservativen EVP und rechten bis rechtsextremen Fraktionen zustande. Zur EVP gehören unter anderem CDU und CSU. Unterstützung kam von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), der unter anderem die polnische PiS-Partei und die italienischen Fratelli d’Italia angehören. Zusätzlich stimmte die Fraktion »Patrioten für Europa« für den Vorschlag, zu der die ungarische Fidesz und der französische Rassemblement National gehören.
Hintergrund des Konflikts ist die Debatte, ob und wofür NGOs EU-Gelder erhalten sollten. Im Fokus stehen vor allem NGOs, die sich für Umwelt- und Menschenrechte einsetzen. Rechte Parteien werfen der Kommission vor, diese Organisationen zu finanzieren, damit sie im Sinne der Kommission Lobbyarbeit betreiben und Unternehmen verklagen. Entsprechende Vereinbarungen sollen angeblich in den Verträgen zwischen der Kommission und den NGOs festgehalten sein – bis hin zu detaillierten Aufträgen, wie die NGOs vorgehen sollen.
Die progressiven Parteien argumentieren hingegen, dass die Kommission Umwelt- oder Sozialverbände unterstützt, um ein Gegengewicht zur Lobbymacht von Konzernen und der Industrie zu schaffen. Die Finanzierung sei unabhängig von den politischen Aktivitäten der NGOs.
So hatte die Kommission etwa NGOs finanziert, die sich gegen das Mercosur-Freihandelsabkommen einsetzten. Dabei hatten die Beamten das Abkommen mit den südamerikanischen Staaten selbst über Jahrzehnte zäh ausverhandelt. Auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wirbt oft in öffentlichen Reden für das Abkommen.
Dass die Kommission über die NGO-Finanzierung direkten Einfluss auf die Arbeit des Parlaments nimmt, ist in diesem Fall nicht erkennbar. Ihr konnten auch keine Regelverstöße nachgewiesen werden. Der Europäische Rechnungshof mahnte jedoch ebenfalls mehr Transparenz an. Die Kommission hatte intern deswegen bereits neue Richtlinien geschaffen.
»Wir sagen schon lange, dass nicht genug getan wird, um Transparenz bei der NGO-Finanzierung zu gewährleisten – und das meinen wir auch so«, sagt Tomáš Zdechovský, Sprecher der EVP-Fraktion für Haushaltskontrolle. »Ohne unsere Initiative wäre das nie passiert«, behauptet hingegen der EKR-Co-Fraktionschef Nicola Procaccini. »Wenn Steuergelder zur Finanzierung von Organisationen verwendet werden, die versuchen, Einfluss auf Entscheidungen der EU zu nehmen, haben die Bürger ein Recht darauf, darüber informiert zu werden.«
Linke, SPD und Grüne kritisieren EVP
Das neue Kontrollgremium soll nun mit eigenen Mitarbeitern ausgestattet sein – etwa um die umfangreichen Verträge zu untersuchen.
Aus Sicht der EVP ist das neu geschaffene Gremium ein Kompromiss. Die Konservativen hatten sich etwa gegen den Vorschlag eines Untersuchungsausschusses gestellt, den die rechte EKR-Fraktion forderte. Die linken Parteien sprechen dennoch von einem »Untersuchungsausschuss light«, der nun eingeführt würde. Jetzt stehe nicht mehr die Transparenz der Kommission im Vordergrund, sondern es ginge darum, politisch unliebsame Akteure zu schwächen.
»Mit den Stimmen der Rechtsextremen hat die EVP heute einen Angriff gegen die Zivilgesellschaft gegen die Stimmen der demokratischen Mitte durchgesetzt«, sagt die Fraktionschefin der Grünen, Terry Reintke. Die Kampagne stamme aus dem »Playbook von Viktor Orbán und Donald Trump«.
Die Grünen würden sich seit Jahren für Transparenz bei der Verwendung von EU-Geldern einsetzen. »Transparenz muss für alle Empfänger von EU-Geldern gelten, auch für Unternehmen, nicht nur für NGOs, die der EVP und den Rechtsextremen politisch nicht passen«, sagt Reintke.
Der Linkenfraktionschef Martin Schirdewan attackiert die Konservativen und deren Fraktionschef Manfred Weber ebenfalls. »Es ist unfassbar, wie schnell Manfred Weber die EVP in die trüben Gewässer eines Trump oder Orbán führt und sich die europäischen Konservativen an den Angriffen auf Demokratie und Rechtsstaat beteiligen«, sagt er.
Die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Iratxe García Pérez, hatte vorgeschlagen, nicht nur die Finanzierung von NGOs, sondern auch von anderen privaten Akteuren zu prüfen. Doch dies sei von der EVP abgelehnt worden. »Wir verurteilen diesen ungerechtfertigten Angriff des rechten Flügels des Parlaments auf die NGOs«, sagte García Pérez.
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