Montag, 30. Juni 2025

Gilt nicht nur in Österreich: Wer rechnen kann, treibt die Energie- Wende voran.

 Christoph Dolna-Gruber

Flood the zone with facts | Österreichische Energieagentur

„Der fossile Ausstieg wird meist als Beitrag zum Klimaschutz beworben. Doch er ist ebenso ein wirtschaftliches Projekt –
ein Schritt zu mehr Unabhängigkeit, weniger Kosten, mehr Wertschöpfung im Inland.“

Andras Szigetvari bringt die Vorteile des Ausstiegs aus Kohle, Öl und Erdgas gut auf den Punkt, in diesen Statement und insgesamt im Artikel. Das Thema ist ja komplex, es gibt viele „wenn“ und „aber“, Differenzierung ist wichtig. Hohe Investitionen müssen getätigt, Verteilungsfragen (wer zahlt was, wann?) und Details geklärt werden.

Aber, ein Ausstieg ist in vielen Bereichen rasch(er) machbar, besonders in Raumwärme, Niedertemperatur-Prozesswärme und im Verkehr - oder auch durch richtig große Vorhaben, wie den „Ersatz“ zweier Hochöfen durch strombasierte Lichtbogenöfen ab 2027 bei der voestalpine .

Und so lässt sich „mindestens 40 bis 50 Prozent des fossilen Verbrauchs relativ rasch, binnen zehn Jahre und auf Basis heute verfügbarer Technologie ersetzen".

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Hier Standard  András Szigetvari  29. Juni 2025, 

Fossile Achillesferse

Wie viel reicher es Österreich macht, wenn wir aus Öl und Gas aussteigen

Der Krieg im Nahen Osten hat gezeigt, wie verwundbar Österreich durch die fossile Abhängigkeit ist. Zehn Milliarden Euro gaben wir zuletzt im Jahr für Öl- und Gasimporte aus. Ein großer Teil dieses Geldes müsste nicht ins Ausland fließen

Das Spiel ist alt – und es wiederholt sich zuverlässig: Kaum bricht irgendwo eine Krise aus, schnellen Öl- und Gaspreise in die Höhe, und die Politik beschwört den Ausstieg aus den fossilen Abhängigkeiten. Doch kaum beruhigt sich die Lage, sinken die Preise. Und die großen Versprechen verfliegen.

Dabei ginge es auch anders – und besser. Österreich könnte in kurzer Zeit einen Wohlstandsgewinn erzielen, wenn es sich schrittweise von Öl und Gas verabschiedet. Fast der gesamte fossile Bedarf wird importiert, das Geld dafür fließt ins Ausland. Strom hingegen erzeugen wir zu einem großen Teil selbst. Mehr als 70 Prozent stammen aus erneuerbaren Quellen: Wasserkraft, Wind, Sonne. Sie liefern Energie, ohne uns ärmer zu machen.

Der fossile Ausstieg wird meist als Beitrag zum Klimaschutz beworben. Doch er ist ebenso ein wirtschaftliches Projekt – ein Schritt zu mehr Unabhängigkeit, weniger Kosten, mehr Wertschöpfung im Inland.

Der jüngste Krieg im Nahen Osten hat die bestehenden Verwundbarkeiten wieder vor Augen geführt. Nach dem israelischen Angriff auf den Iran am 13. Juni stieg der Ölpreis von 68 auf 78 Dollar pro Barrel für die Sorte Brent. Der Gaspreis an der TTF-Börse legte sogar um 15 Prozent zu – binnen weniger Tage.

Wohlstand fließt ab

Täglich passiert eine riesige Menge Öl und Flüssiggas die Meerenge von Hormuz – die schmale Seestraße zwischen dem Iran, Oman und den Emiraten. Einige Tage lang schien es möglich, dass die Meeresstraße Teil des Kriegsgeschehens wird. Die Folge: Die Händler hoben die Preise für Rohstoffe an. Erst als klar wurde, dass der Iran keine Eskalation will, gab der Markt nach – und die Preise fielen.

Wäre in der Straße von Hormuz tatsächlich etwas passiert, hätte das tiefe Spuren hinterlassen – auch in Österreich. Zwar beziehen wir kaum Öl aus dem Iran und nur wenig über diese Route. 70 Prozent unseres Rohöls kommen aus Kasachstan und Libyen. Und wenn das Angebot weltweit knapper wird, steigen die Preise überall – egal, woher das Öl stammt. Ökonomen von Wifo und IHS haben errechnet: Steigt der Ölpreis um zehn Dollar, schrumpft Österreichs Wirtschaftsleistung um 0,15 Prozent.

Das klingt nach wenig – und die Verwundbarkeit war in den 1970er-Jahren sicher höher. Doch im Ernstfall wäre der Ölpreis nicht um zehn Dollar angestiegen, sondern um 40, 50 oder sogar 100.

Vorstoß von Kanzler Stocker

Ein Anstieg auf 150 Dollar hätte Österreich 3,4 Milliarden Euro an Wohlstand gekostet, weil teure Energie zur Last wird: für die Industrie, für Konsumenten, für das ganze Land. Kanzler Christian Stocker (ÖVP) und Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) kündigten als Reaktion auf den Nahost-Krieg diese Woche daher einen Mechanismus an, um künftig extreme Preisaufschläge bei Energie abzufedern.

Dabei würde das nur einen Teil der fossilen Probleme lösen. Mit dem Eingriff ließe sich verhindern, dass teure Energie die Inflation antreibt – und damit auch die Löhne. Doch Öl und Gas müssen weiterhin importiert werden, auch wenn der Staat bezuschusst. An den hohen Kosten der fossilen Importe für die Gesellschaft ändert sich durch den Mechanismus also nichts.

Im vergangenen Jahr gab Österreich rund zehn Milliarden Euro für den Import von Erdöl, Erdgas und Kohle aus. Fast sieben Milliarden davon entfielen auf Erdöl – der größte Posten und zugleich der am einfachsten zu reduzierende, sagt Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur. 84 Prozent des Öls werden als Treibstoff im Verkehr verbraucht, acht Prozent als Heizöl in Haushalten. In der Industrie spielt importiertes Erdöl so gut wie keine Rolle mehr. Ein kleiner Teil des Öls im Verkehrssektor geht als Kerosin an die Luftfahrt, wo es bisher noch keine Alternativen gibt.

Doch rund 70 Prozent der Ölimporte, also der Großteil von Benzin und Diesel, ließen sich heute schon komplett durch E-Autos und bald E-Lastwagen ersetzen.

Beim Gas ist die Rechnung komplexer. Rund 40 Prozent des Rohstoffs werden zur Stromerzeugung oder für die Gewinnung von Fernwärme genutzt, den Rest verbrauchen Haushalte und Industrie. In der Industrie, wo Temperaturen von mehreren Hundert Grad benötigt werden, lässt sich Gas nur schwer ersetzen. Für Gebäude gibt es mit Wärmepumpen eine elektrische Alternative zu Gasheizungen. Und je weniger Gas in der Stromproduktion eingesetzt wird, desto weniger drücken die Gaspreise den Strompreis nach oben.

Die nächste Abhängigkeit?

"Mindestens 40 bis 50 Prozent des fossilen Verbrauchs lässt sich relativ rasch, binnen zehn Jahre und auf Basis heute verfügbarer Technologie ersetzen", sagt Energieexperte Dolna-Gruber. Trifft das zu, könnten die Kosten für den Einkauf fossiler Energie im Vergleich zum Vorjahr um fünf Milliarden Euro sinken. Zum Größenvergleich: Für die innere Sicherheit gibt Österreich heuer vier Milliarden Euro aus.

An dieser Stelle gibt es viele Einwände: Wer weniger Öl und Gas importiert und mehr auf Strom setzt, muss zumindest vorübergehend in Stromnetze, Batteriespeicher, Windräder und Solaranlagen investieren. Das kostet Geld. Ein Großteil der benötigten Technik stammt aus China, bei Photovoltaik fast alles. Auch im Steuersystem, das noch stark auf fossile Energien setzt, ist Nachbesserung nötig.

Aber das ließe sich lösen. Die neue Energie-Infrastruktur entsteht außerdem hierzulande, laufende Energieimporte werden weniger. Die Abhängigkeit ist nicht vergleichbar mit Gas, wo Russlands Staatschef Wladimir Putin nur den Hahn zudrehen musste.

Ein anderer Einwand lautet: Gas und Öl sind meist günstiger als Strom. Doch Preisausschläge zeigen, dass das nur begrenzt stimmt. Außerdem sind neue Technologien oft effizienter. Ein E-Auto braucht weniger Energie als ein Verbrenner, eine Wärmepumpe weniger als eine Gasheizung.

Sind wir auf dem Weg in die Post-Fossil-Welt? Ja, aber langsam.

Bei Kohle, dem unbedeutendsten fossilen Rohstoff, ist der Weg kurz: Die Voest plant, die kohlebasierten Hochöfen ab 2027/2028 auf strombasierte Lichtbogenöfen umzustellen. Beim Sprit zeigt sich, dass eine Wende eingeleitet wurde: Im vergangenen Jahr wurden laut Mobilitätsagentur VCÖ 7,4 Millionen Tonnen Sprit vertankt. 2019 waren es noch fast 8,9 Millionen. Grund dafür dürfte der rückläufige Tanktourismus sein, denn Sprit wird in Österreich höher besteuert. Auch die E-Mobilität nimmt zu, dies jedoch noch langsam.

Bei Gas gab es zuletzt ebenso Bewegung. 2023 sank die Zahl der Gaskunden um 35.000, vor allem Haushalte stiegen auf andere Wärmequellen um. Für 2024 wird ein weiterer Rückgang erwartet. Trotzdem bleiben noch immer 1,2 Millionen Gas-Kunden übrig.

Was uns weniger E-Autos kosten

Der Gasverbrauch steigt auch wieder an. Im Jahr 2023 wurde um 20 Prozent weniger Gas verbraucht als in den Jahren vor dem Ukrainekrieg. Heuer soll das Minus bei nur zehn Prozent liegen. Das deutet darauf hin, dass ein großer Teil des Verbrauchsrückgangs weniger tatsächlichen Einsparungen geschuldet war als zufälligen Faktoren. Niedrigere Wasserstände bei Flüssen sorgten heuer dafür, dass Gaskraftwerke öfter bei der Stromerzeugung dazugeschaltet werden mussten.

Die Energiewende spart also Geld; ist der Umstieg geschafft, mehrere Milliarden Euro pro Jahr. Doch der Weg ist noch lang. Es braucht weiter konsequente Investitionen in Erneuerbare, bessere Netze und Speicher. Ohne diese bleibt die Abhängigkeit hoch.

Welche Lehre sollte die Politik daraus ziehen? Vielleicht diese: Wer rechnen kann, treibt die Wende voran. Wer Förderungen kürzt, muss bedenken, dass auch Kosten damit verbunden sind, wenn weniger E-Autos und Wärmepumpen gekauft werden. (András Szigetvari, 29.6.2025)

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