Samstag, 7. Juni 2025

Befürworter des Biosphärengebiets formieren sich

Schwäbische Zeitung  hier  6.6.25  Paul Martin

„Als Bauer halte ich das für eine Sache, die wir brauchen“

Im Ringen um ein mögliches Biosphärengebiet in Oberschwaben tritt ein neuer Verein auf den Plan. Die Gründer wollen der Allianz der Landeigentümer etwas entgegensetzen.

Kommt in Oberschwaben ein neues Biosphärengebiet? Darüber werden Gemeinderäte in den betroffenen Kommunen im westlichen Landkreis Ravensburg sowie in Teilen der Kreise Sigmaringen und Biberach in den kommenden Monaten entscheiden müssen.

Eine „Entscheidungshilfe“ derer, die das Großschutzgebiet verhindern wollen, sind große Plakate, die man seit einigen Wochen in der Region sieht: „Vernunft statt Bürokratie“ steht darauf. Doch es gibt auch Befürworter des Naturreservats. Im Verein „Pro Biosphäre“ haben sich die Gegner der Gegner zusammengeschlossen. Rund 30 Mitglieder hat der Verein nach eigenen Angaben. Fünf von ihnen erklären im Gespräch mit der „Schwäbsichen Zeitung“, wie sie die Mandatsträger überzeugen wollen.

„Als Bauer halte ich das für eine Sache, die wir brauchen“, sagt Alfons Notz. Der Landwirt im Unruhestand hat seinen Hof bei Leutkirch inzwischen an seinen Sohn übergeben, der ihn als Demeter-Betrieb weiterführt. Doch Teil eines Biosphärengebiets - so es denn komme - wäre der Hof Notz nicht. Denn die das württembergische Allgäu spielt in den aktuellen Karten mit Ausnahme des Wurzacher Rieds keine Rolle mehr. Der Grund: Im Allgäu hätte es zwar Flächen gegeben, die zur Kernzone taugen, sie gehören aber Privatleuten. Und zu Beginn des Prozesses stand das Versprechen, dass nur öffentliche Flächen Kernzone werden. „Es ist schon schade, dass durch Ereignisse vor 500 Jahren alle potenziellen Kernzonen im Allgäu in Privatbesitz sind“, so Notz. Wobei man bezweifeln darf, dass seine Berufskollegen im Bauernkrieg ihr Leben gelassen haben, damit eines Tages ein Biosphärengebiet entstehen kann.

Wie Härle überzeugen will

Gottfried Härle, bekanntlich ebenfalls Leutkircher, hält es für nicht unwahrscheinlich, „dass in zehn Jahren auch Allgäu-Gemeinden mitmachen wollen“.  Und das würde den Brauereichef freuen: „Ich sehe das aus der Brille eines Unternehmers, habe mit Landwirten als Zulieferer und Gastronomen als Abnehmer zu tun.“ Für beides könnte ein Biosphärengebiet Impulse setzen. „Man darf es aber nicht als Verbotsgebiet sehen, denn das ist es nicht“, so Härle. „Das sagt sogar der Bauernverbandschef von der Schwäbischen Alb: Es gab keine Einschränkungen.“

Davon will der Verein nun Bevölkerung und Entscheidungsträger überzeugen. Kein leichtes Unterfangen, wie Dorothée Natalis, Grünen-Kreirätin aus Isny, erklärt: „Wir haben in unserem Raum inzwischen tiefe Gräben zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Und die Gegner haben sie noch tiefer gemacht.“ Ihr falle es schwer zu akzeptieren, „dass die Bauern die Chance nicht sehen, mit den Verbrauchern an einem Strang zu ziehen“. Nun müsse man entstandene Gräben überwinden, meint Gottfried Härle. Zu einem Dialog mit den Gegnern kam es bisher allerdings nicht.

Vereinschefs sitzen gemeinsam im Gemeinderat

Das bedauert auch Bernhard Klein, der bei „Pro Biosphäre“ als erster Vorsitzender fungiert. In seinem Heimatort Kißlegg sitzt er für die Grünen im Gemeinderat. Interessanterweise hat dort der Sprecher der Allianz, Michael Fick, für die CDU einen Sitz inne. Bernhard Klein sagt, man schätze sich sehr. Abstimmen werden die beiden aber nicht über das Biosphärengebiet, weil auch Kißlegg in den aktuellen Planungen nicht vorkommt.

Fast alle Pro-Biosphäre-Vertreter, die beim Pressetermin für das Naturreservat werben, würden also gar nicht in dem Großschutzgebiet leben. Mit einer Ausnahme: Eva-Maria Armbruster kommt aus Wilhelmsdorf. Die großen Moorflächen in ihrer Heimatgemeinde wären ein Filetstück des möglichen Biosphärengebiets. „Das Thema sollte nicht nur Wald- oder Landbesitzer beschäftigen“, findet sie. „Wir als Bürgerschaft sollten diese Entwicklungschance einfordern.“ Denn für die Umsetzung innovativer Ideen würden die Geldgeber in einem Biosphärengebiet „praktisch Schlange stehen“, so Armbruster: „Das Unesco-Label ist so ein Aushängeschild, dass einem die Fördermittel nur so angetragen werden. Auch von privaten Stiftungen und dergleichen.“

Verständnis für die Gegner?

Können sich die Pro-Biosphäre trotzdem vorstellen, warum andere ein Biosphärengebiet skeptisch sehen? „Das liegt an der Geschichte mit den FFH-Gebiete“, holt Alfons Notz aus. Anfang der 2000er Jahre wurden Landbesitzer durch rigorose Einschränkungen in den sogenannten Flora-Fauna-Habitaten vor den Kopf gestoßen. „Die Ängste, dass sich so etwas wiederholt, werden nun ganz bewusst geschürt“, so Notz. Eva-Maria Armbruster versucht dem folgendermaßen etwas entgegenzusetzen: „Wenn die Kernzonen heute schon Naturschutzgebiete und außerdem öffentliche Flächen sind, was soll dann für eine Einschränkung für einen Privaten geben?“ Drumherum könne - wenn man am Biosphärengebiet nicht interessiert ist - man weitermachen wie bisher, ist sie sich sicher.

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