Von Katrin Pribyl | 16.06.25
Weiteres Klimaschutzgesetz in Brüssel „unter Beschuss“
Einige EU-Länder wollen die bereits in Kraft getretene Methan-Verordnung abschwächen. Methan ist aber für ein Drittel der bisherigen Erderhitzung verantwortlich.
Eine Fackel zur Verbrennung von Methan aus der Ölförderung. Das Treibhausgas entsteht unter anderem in der Öl-, Gas- und Kohleindustrie.Foto: Matthew Brown/AP, dpa
Die Katastrophe war auf den ersten Blick unsichtbar. Denn das Gas entwich farb- und geruchlos – damals, nach den Sprengungen der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee im September 2022. 445.000 bis 485.000 Tonnen Methan wurden dabei freigesetzt. Nie zuvor sei durch ein einzelnes Ereignis mehr von dem Klimagas in die Atmosphäre gelangt, hieß es von einer Forschungsgruppe Anfang dieses Jahres. Obwohl laut Experten der Anteil am gesamten jährlichen, von Menschen verursachten Ausstoß mit 0,1 Prozent dennoch eher gering war, blieb es ein Desaster für Ozean und Atmosphäre. Denn Methan ist das zweitwichtigste Treibhausgas nach Kohlendioxid, laut EU-Kommission ist Methan für ein Drittel der bisherigen Erderhitzung verantwortlich. Weil rund 60 Prozent der globalen Ausstöße von Menschen verursacht sind, schritt die EU ein. Vergangenen Sommer trat die EU-Methanverordnung in Kraft, die strengere Vorgaben für die Förderung und den Transport von Öl, Gas und Kohle macht. Noch.
Denn das Gesetz im Rahmen des Grünen Deals, des gigantischen EU-Klimaschutzprogramms, „steht sie nun unter Beschuss“, wie die grüne Europaabgeordnete Jutta Paulus sagt. Am Montag trafen sich die EU-Energieminister in Luxemburg. Und einige Mitgliedstaaten, darunter Italien, Polen, Rumänien und die Slowakei, wollten erreichen, dass die EU-Kommission die Verordnung im Zuge ihrer Entbürokratisierungspläne noch einmal aufmacht – und damit verwässert?
Text zu russlandkritisch?
Vorneweg die Polen, die derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehaben und damit die Agenda der Minister bestimmen, wünschen eine Abschwächung. In einem Entwurf der Schlussfolgerungen wurde die Brüsseler Behörde aufgefordert, rasch zu prüfen, welche EU-Energiegesetze vereinfacht werden können, „um den Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten, die Industrie und die Bürger zu verringern, zum Beispiel die Methanverordnung, da sie sich auf die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsbeteiligten von außerhalb der EU auswirken könnte“. Doch weil Ungarn und die Slowakei Teile des übrigen Texts in Sachen Energiesicherheit als zu russlandkritisch bewerteten und das Papier deshalb nicht unterstützten, gab es letztlich keine gemeinsame Erklärung.
Ist das Thema nun erledigt? Oder wird sich die EU-Kommission die Methan-Verordnung trotzdem noch einmal genauer ansehen? Jutta Paulus hofft nicht. „Sie ist einer der wirksamsten Hebel im Kampf gegen die Klimakrise“, so die Grüne. So schreibt sie etwa vor, dass Energieunternehmen alle Emissionen genau messen, die Netze überwachen und wenn nötig reparieren müssen. Zudem ist das Abfackeln und Ablassen von Gas bis auf Ausnahmen untersagt. Mit den Regeln wollte die Gemeinschaft erreichen, dass bis 2030 im Energiesektor 80 Prozent der Methan-Ausstöße reduziert werden. Denn es heizt das Klima umgerechnet auf 100 Jahre 28 Mal stärker auf als dieselbe Menge CO2.
EU-Vorgaben gelten auch für Importeure von Öl und Gas
Treiber des jetzigen Vorstoßes waren unter anderem EU-Länder, die einen mindestens halbstaatlichen Öl- und Gaskonzern haben, während es den Polen um ihre Steinkohleminen ging. Tatsächlich meldet sich europaweit die Lobby aus der Industrie immer lauter zu Wort. Unternehmen befürchten, dass die Verordnung die Einfuhr von Flüssigerdgas aus den USA behindern könnte. Die Vorgaben nämlich sind nicht nur auf europäische Firmen beschränkt. Die EU verlangt ab 2029 auch von den Importeuren von Öl und Gas, die mit diesen Einfuhren verbundenen Methanemissionen zu überwachen und zu melden. Halten sie den geltenden europäischen Benchmark nicht ein, drohen Strafen.
Nico Beckert@nicobeckert.bsky.social
#Methan ist DER heimliche Klimakiller Nr 1.
Die Emissionen steigen, obwohl Methan kurzfristig 80x schädlicher ist als CO₂. Die EU wollte die Emissionen regulieren, doch auf US-Druck könnte sie ihre Methan-Verordnung verwässern. NGOs fordern jetzt ein globales Abkommen
Seit Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens haben #Methan-Emissionen mehr zur globalen Erwärmung beigetragen als CO₂. Zahlreiche freiwillige Industrie-Initiativen beispielsweise der Öl- und Gasindustrie zur Senkung der Emissionen waren fast wirkungslos.
NGOs haben gestern auf der COP-Zwischenkonferenz in Bonn ein globales Abkommen zur verpflichtenden Senkung der Methan-Emissionen gefordert – ganz ähnlich dem Montreal-Protokoll, mit dem das #Ozonloch / FCKW erfolgreich bekämpft wurde.
Stattdessen wird es wohl eher zur Aufweichung einer bestehenden EU-Regulierung kommen - auf Druck der #USA, die mehr Fracking-Gas nach Europa exportieren wollen. Dabei verursacht das Fracking #LNG besonders viel Methan-Emissionen. (Mit @manuelberkel.bsky.social )
Tabea Pottiez @tabeapottiez.bsky.social
US-Erdgasproduzenten haben keine Lust, ihr Methan-Problem anzugehen und attackieren die #EU-Methan-Verordnung, die genau das von ihnen fordert.
Jetzt beschwichtigt die EU-Kommission die jammernden US-Lobbyisten. Das Signal: Wenn ihr laut meckert, bauen wir euch Schlupflöcher. Die Erdgasindustrie stemmt sich beim #WorldLNGSummit gegen die EU-Methan-Verordnung.
Für mich sind genervte LNG-CEOs erstmal ein Zeichen dafür, dass die neuen Regeln für Erdgasproduzenten tatsächlich Wirkung entfalten können!
Pressemitteilung der DUH Mittwoch, 25.06.2025
Unkontrollierte Klimagefahr: Neue Aufnahmen decken erhebliche Methan-Emissionen an Gasinfrastruktur in Niedersachsen auf
• Aufnahmen der Deutschen Umwelthilfe und Clean Air Taskforce enthüllen regelmäßige und teils sehr hohe Methan-Emissionen an fossiler Gasinfrastruktur wie Produktionsstätten, Pipelines und Speichern
• Bei 17 von 26 besuchten Standorten belegt Spezialkamera teils sehr hohe unkontrollierte Emissionen von klima- und gesundheitsschädlichem Methan durch Leckagen und routinemäßiges Ausblasen
• Umweltorganisationen fordern konsequente Umsetzung der Methanverordnung und sofortige Behebung der dokumentierten Emissionsquellen
Eine neue Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und der Clean Air Taskforce (CATF) belegt massive Methan-Emissionen an Gasinfrastruktur in Niedersachsen, Bremen und Hamburg.
An 17 von 26 besuchten Standorten tritt regelmäßig und in teils großen Mengen Methan aus.
Die Aufnahmen mit einer speziellen Kamera belegen Methan-Emissionen aus allen Teilen der Lieferkette, von Gasproduktionsstätten über Pipelineinfrastruktur bis zu Speichern. Methan ist nicht nur extrem klimaschädlich, es führt auch zur Entstehung von Ozonlöchern und wird mit Atemwegserkrankungen in Verbindung gebracht.
Die Ergebnisse unterstreichen nach Ansicht der DUH und CATF die Dringlichkeit einer zügigen und ambitionierten Umsetzung der EU-Methanverordnung. Die Verordnung ersetzt das bisher gültige System der Selbstverwaltung der Gasindustrie. Gegen eine Abschwächung der Methanverordnung, wie sie auf EU-Ebene derzeit besprochen wird, sprechen sich beide Organisationen entschieden aus.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Was in Niedersachsen passiert, ist genauso übertragbar auf die gesamte Gasinfrastruktur in Deutschland:
Die Gasindustrie hat ihre eigenen Emissionen nicht im Griff – das zeigen unsere Aufnahmen.
Das extrem schädliche Treibhausgas gefährdet unsere Klimaziele und die Gesundheit der Bevölkerung. Genau deswegen brauchen wir eine starke Methanverordnung, die endlich einen verbindlichen Ordnungsrahmen für die Gasindustrie setzt. Eine Abschwächung der Methanverordnung jetzt schon diskutieren zu wollen, bevor sie überhaupt in allen Bestandteilen in Kraft getreten ist, ist ein verheerendes Signal an Betreibende und Regulierungsbehörden. Die Bundesregierung muss jetzt alle Hebel auf europäischer Ebene in Bewegung setzen, um diese zentrale Errungenschaft des Green Deal zu schützen.“
Die Untersuchung dokumentiert neben unkontrolliert austretenden Methan-Emissionen zudem routinemäßiges Ausblasen von fossilem Gas. Die Methanverordnung verbietet diese klimaschädliche Praxis. Zudem verpflichtet die EU-Methanverordnung die Betreibenden zur regelmäßigen Leckagen-Suche sowie zur Reparatur gefundener Emissionsquellen innerhalb von 5 bis 30 Tagen. Ein neues Rechtsgutachten der DUH zeigt weitreichende Möglichkeiten der Zivilgesellschaft auf, solche Verstöße durch Beschwerden bei den Behörden zu ahnden. Die DUH kündigt an, die Umsetzung der neuen Vorgaben scharf zu beobachten und bei Verstößen juristische Schritte einzuleiten.
Théophile Humann-Guilleminot, Senior Campaign Manager, Methane Pollution Prevention bei Clean Air Task Force (CATF): „Das durchgängige Gas-Ausblasen, das wir unter anderem bei der Kompressorstation Wardenburg dokumentiert haben, ist genau die Art von großflächigem Methanausstoß, den die EU-Methanverordnung eigentlich verhindern soll. Und dennoch geschah er: routinemäßig und unkontrolliert.
Wir verfügen zwar über die Instrumente und Regeln, um diese Emissionen zu reduzieren, doch ohne strikte Umsetzung, Durchsetzung und Transparenz droht die Verordnung zu einem Papiertiger zu verkommen. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen über die EU-Methanverordnung nur wenige Monate nach ihrer Verabschiedung ist verantwortungslos. Sie birgt nicht nur die Gefahr, dass derartige Verstöße fortbestehen, sondern untergräbt unsere Ziele zur Methanreduzierung sowohl innerhalb der EU als auch bei unseren Importen fossiler Brennstoffe.“
Hintergrund:
Mit den Aufnahmen einer Spezialkamera können DUH und CATF den Austritt von Methan und das routinemäßige Ausblasen von Gas dokumentieren. Die Menge an austretendem Gas kann dabei jedoch nicht beziffert werden.
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