hier Dr. Stefan Preiß 4. Juni 2025
Die EU-Kommission sieht die Länder in der Europäischen Union weitgehend auf Kurs, die Ziele für THG-Einsparungen und erneuerbare Energien zu erreichen.
Die Lücke etwa bei den Erneuerbaren beträgt mit Blick auf das Jahr 2030 nur 1,5 Prozentpunkte: Angepeilt werden 42,5 Prozent Erneuerbaren-Anteil, Brüssel sieht die EU-Mitgliedstaaten auf 41,0-Prozent-Kurs.
Der Titelbericht der Ausgabe 23.2025 von ContextCrew
Neue Energie fasst die zentralen Ergebnisse der Bewertung der Nationalen Energie- und Klimapläne der Mitgliedstaaten durch die Kommission zusammen.
Zwischen 2022 und 2024 installierten die Mitgliedstaaten rund 205 GW an neuer Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien – mehr als im gesamten Zeitraum von 2014 bis 2021, berichtet die Kommission.
Schätzungen zufolge hätten Stromverbraucher in der EU im Zeitraum 2021 bis 2023 durch die zusätzliche Stromproduktion aus neu installierter Solar- und Windkapazität rund 100 Mrd. Euro eingespart, heißt es in der Mitteilung der Kommission.
Was plant die Kommission, um sicherzustellen, dass die Ziele für 2030 erreicht werden?
Im Vergleich zu 2019 und den Entwürfen der NECPs (Nationalen Energie- und Klimapläne) zeigen die finalen Pläne ein höheres Ambitionsniveau, betont die Europäische Kommission. Die Beiträge zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz seien nun „weitgehend mit den vereinbarten Zielen für 2030 in Einklang“.
Die Kommission werde die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten intensivieren, um deren Umsetzungsbemühungen zu unterstützen – im Einklang mit den Empfehlungen aus der jetzt erfolgten Bewertung. Zudem werde sie Prozesse verschlanken und den Zugang zu Finanzmitteln verbessern. Bereits vorgeschlagen wurden Maßnahmen wie der Aktionsplan für bezahlbare Energie und der Clean Industrial Deal, die Energiekosten senken, die Wettbewerbsfähigkeit stärken und die Industrie der EU dekarbonisieren sollen.
Im Bereich erneuerbare Energien gilt: Wenn die Mitgliedstaaten ihre Prognosen vollständig umsetzen, wird die bestehende Ambitionslücke geschlossen. Die Kommission will gesetzliche Verfahren vereinfachen, Genehmigungszeiten verkürzen, Investitionsrahmen verbessern und den Ausbau von erneuerbaren Energien durch verstärkte Elektrifizierung, den Ausbau von Power Purchase Agreements (PPAs) und flexible Lösungen unterstützen. Auch der Netzausbau und die Modernisierung der Strominfrastruktur sind zentrale Elemente für die Transformation.
Im Bereich Energieeffizienz prüft die Kommission den Aufbau eines EU-weiten Marktes für Energieeffizienz, z. B. durch Energieeinsparzertifikate. Zudem werde sie die EU-Energieverbrauchskennzeichnung und Ökodesign-Vorgaben überarbeiten, den Zugang zu Kapital verbessern und geeignete Finanzinstrumente im Rahmen der europäischen Energieeffizienz-Finanzkoalition fördern, heißt es von Seiten der Kommission.
Gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) prüfe die Kommission die Einführung eines EU-weiten Garantiesystems, um den Markt für Energieeffizienzdienstleistungen zu verdoppeln. Die Umsetzung des Clean Industrial Deal und des Aktionsplans für bezahlbare Energie soll zusätzliche Investitionen in erneuerbare Energien und Effizienz anstoßen.
Im Bereich Effort Sharing (Lastenteilung) und LULUCF (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) werde die Kommission weiter mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um bestehende Lücken zu schließen und Hindernisse zu beseitigen. Sie will den jährlichen Fortschritt bei der Zielerreichung überwachen und bei Bedarf Korrekturmaßnahmen einfordern. „Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, eine wirksame Umsetzung sicherzustellen und die nötigen Investitionen zu mobilisieren.“
Im Landsektor sollen stärkere CO₂-Entnahmepolitiken verfolgt, Mittel gezielt eingesetzt und marktbasierten Instrumente wie Carbon Farming und Zertifizierung genutzt werden. Für das ESR (Effort Sharing Regulation) sind Mitgliedstaaten, die nicht auf Kurs sind, angehalten, zusätzliche Maßnahmen mit vorhandenen Flexibilitäten zu kombinieren. Alle Mitgliedstaaten sollten das neue Emissionshandelssystem ETS2 zügig umsetzen, um Emissionen aus Straßenverkehr und Gebäuden kosteneffizient zu senken und nationale Maßnahmen zur Dekarbonisierung dieser Sektoren zu beschleunigen.
Die Kommission betont, dass die aktualisierten Nationalen Aktionspläne erst kürzlich finalisiert wurden und sich die Umsetzung noch in einem frühen Stadium befinde. „In den nächsten ein bis zwei Jahren muss daher der Fokus darauf liegen, diese Pläne vollständig umzusetzen und bestehende Lücken zu schließen.“
Für Deutschland attestiert die Kommission ebenfalls erkennbare Fortschritte, fordert zugleich weitere Anstrengungen und Konkretisierungen, wie die Ziele erreicht werden sollen.
„Deutschland beschreibt nicht, wie der Ausbau der erneuerbaren Energien durch den verstärkten Einsatz von Stromabnahmeverträgen (Power Purchase Agreements), Herkunftsnachweisen und einen förderlichen Rahmen für Eigenversorgung beschleunigt werden soll“, heißt es im Staff Working Document der Kommission. Der aktualisierte finale Plan enthalte eine detaillierte Liste von Maßnahmen zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien sowie zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen im Wärme- und Kältesektor, gehe jedoch nicht darauf ein, in welchem Umfang die einzelnen Elemente zum höheren Anteil erneuerbarer Energien in diesem Sektor beitragen sollen.
Sofortprogramm der Bundesregierung betrifft auch Erneuerbare
Diese Aufgabe, die geforderten Konkretisierungen zu bewirken, liegt nun vor der neuen Bundesregierung, die ein „Sofortprogramm“ formuliert hat. Die Energiebranche reagiert positiv auf das angekündigte Tempo, fordert zugleich aber Sorgfalt – und die Einbindung des Branchen-Know-hows in die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen. Angekündigt wird im Rahmen einer Investitionsoffensive ein Errichtungsgesetz für das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität, die gesetzliche Umsetzung höherer struktureller Verschuldungsmöglichkeiten der Länder zur Schaffung von Investitions- und Finanzierungsspielräumen sowie ein Umsetzungsgesetz zur Nutzbarmachung des 100-Mrd.-€-Anteils der Länder und Kommunen am Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität.
Hören sollte die neue Regierung auch auf das, was von Seiten der Bundesländer vorgebracht wird. Die Energieministerkonferenz hat ihre Erwartung deutlich gemacht, dass die Energiewende „konsequent und verlässlich“ fortgeführt werden muss. Die Energieministerinnen und -minister der Länder setzen sich unter anderem dafür ein, dass das Flexibilitätspotenzial und das Potenzial zur Sektorkopplung von Biogas und Biomethan stärker genutzt werden sollten.
Süddeutsche Zeitung hier 28. Mai 2025, Von Jan Diesteldorf, Brüssel
EU-Kommission sieht Klimaziele für 2030 in Reichweite
Klar, der Klimaschutz steht jetzt weiter unten auf der EU-Prioritätenliste. Die ambitionierten Ziele aber bleiben. Und siehe da: Bei der Emissionsminderung läuft es gar nicht so schlecht.
Der Grüne Deal hat einen schweren Stand, seitdem in den drei zentralen EU-Institutionen eine konservative Mehrheit den Ton angibt. In der Europäischen Kommission, im Rat der Mitgliedstaaten und im EU-Parlament sind die grünen Ambitionen auf der Prioritätenliste deshalb weit nach unten gerutscht. Wachstum und Wirtschaftspolitik haben Vorrang, Klima- und Umweltschutzregeln werden inzwischen vor allem als Störfaktor wahrgenommen.
Was man dabei leicht vergisst: Die Klimaziele der EU gelten unverändert. Und die Kommission beharrt darauf, dass sie auch unter veränderten Vorzeichen an ihnen festhalten will – sie ist nur nicht mehr so laut.
Jetzt müssen die Länder auch umsetzen, was sie sich vorgenommen haben
Am Mittwoch hatte die Brüsseler Behörde da einmal gute Nachrichten zu verkünden. Zumindest vordergründig. Die EU sei auf bestem Wege, ihre Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen, teilte die Kommission mit. Nach einer Analyse der nationalen Klimapläne, die Mitgliedstaaten in Brüssel einreichen müssen, dürften die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 bis Ende des Jahrzehnts um 54 Prozent sinken. Das wäre nur ein Prozentpunkt weniger als die gesetzlich festgelegten 55 Prozent Emissionsminderung. Die EU bleibe also auf Kurs, lautet das Fazit der Kommission, das allerdings unter Vorbehalt steht: falls denn all das auch umgesetzt werden sollte, was sich die einzelnen Länder vorgenommen haben.
Die für die grüne Transformation zuständige Vizepräsidentin der Kommission, Teresa Ribera, sieht in den Ergebnissen einen Beleg dafür, dass die EU vieles richtig macht. „Die aktualisierten nationalen Energie- und Klimapläne zeigen, dass die grüne Agenda nicht nur ein Ziel ist“, sagte sie, „sondern ein Weg, um unsere Volkswirtschaften zu modernisieren.“ Ribera ist auch verantwortlich für den neuen „Saubere-Industrie-Deal“, der auf den Grünen Deal folgt und künftig Klima- und Industriepolitik vereinen soll. Klima-Kommissar Wopke Hoekstra verband die guten Nachrichten mit einem Appell: „Wir müssen noch mehr in saubere Technologien, Kohlenstoffbindung in der Landwirtschaft, Elektrifizierung, die Modernisierung der Stromnetze und Fähigkeiten von Arbeitnehmern investieren“, forderte er.
Denn tatsächlich legt die Analyse der Kommission auch große Lücken offen, die geschlossen werden müssten, um das Klimaziel für 2030 zu erreichen. Im Sinne einer möglichst fairen Lastenteilung hat die EU diese Aufgabe über mehrere Sektoren der Wirtschaft verteilt. Unter eine entsprechende Verordnung fallen der Verkehr ohne Luftfahrt, der Gebäudesektor, die Landwirtschaft, Kleinindustrie und die Abfallwirtschaft. Berechnungen der Kommission zufolge verfehlen fünf Länder ihre jeweiligen Sektorziele, darunter Deutschland und Frankreich als die beiden größten EU-Volkswirtschaften.
Es sind „entschlossenere Maßnahmen zur Senkung des Energiebedarfs“ notwendig
Nachholbedarf gibt es auch bei der Energieeffizienz. Theoretisch ist das der einfachste Weg, Emissionen zu vermeiden: indem man sie gar nicht erst verursacht. Bis 2030 soll die EU um zwölf Prozent weniger Energie verbrauchen im Vergleich zu 1990. Derzeit steht sie bei einem Minus von 8,1 Prozent. Das verlange „entschlossenere Maßnahmen zur Senkung des Energiebedarfs“, resümiert die Kommission.
Ein großer Faktor bei der Energieeffizienz ist der Anteil an erneuerbaren Quellen am Energiemix. Von den Ausbauzielen bis Ende des Jahrzehnts ist die EU nicht mehr weit entfernt. Es bestehe nur noch eine „Ambitionslücke“ von 1,5 Prozentpunkten, um auf den angepeilten Anteil von 42,5 Prozent erneuerbarer Energien an der Energieversorgung zu kommen. Mehrere Mitgliedstaaten hätten ihre Ausbauziele angehoben. Sollten diese alle erfüllt werden, könne das Ziel sogar übertroffen werden, schreibt die Kommission.
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