SWR 3.4.2025,
Auch wegen Wahlergebnis der AfD: BeneVit baut keine Pflegeschule in Albstadt
das Unternehmen BeneVit eine Pflegeschule auf der Alb bauen. Jetzt wurde das Projekt abgesagt. Ein Grund: Angst vor Fremdenfeindlichkeit.
Es hätte eine Win-Win-Situation werden können - für das Pflegeunternehmen BeneVit aus Mössingen (Kreis Tübingen) und die Stadt Albstadt (Zollernalbkreis). BeneVit wollte im Stadtteil Onstmettingen eine Pflegeschule für ausländische Pflegekräfte bauen. Im Gebäudekomplex wäre auch eine städtische Kindertagesstätte untergekommen - eine günstige Lösung für die Stadt mit ihrer knappen Haushaltskasse. BeneVit hatte geplant, zehn Millionen Euro in den Neubau zu investieren.
BeneVit-Geschäftsführer führt zwei Gründe an
Jetzt ist das gemeinsame Projekt geplatzt. Am Montag hat BeneVit-Geschäftsführer Kaspar Pfister verkündet, dass er seine Schule nicht in Onstmettingen bauen wird. Dafür gebe es zwei Gründe. Zum einen die gesetzlichen Rahmenbedingungen: Pfister will ein neues Konzept in der Altenpflege etablieren: "Stambulant" - eine Mischung aus stationärer und ambulanter Pflege. Die Bundesregierung hat dieses Modell aber bis heute nicht anerkannt, obwohl es bereits solche Ankündigungen gab. Solange die "stambulante" Pflege weiterhin nur ein Modellprojekt bleibt, wolle er mit großen Investitionen noch abwarten, sagte Pfister.
AfD-Wahlergebnis war der letzte Tropfen
Und dann ist da noch ein zweiter Grund, der für den Unternehmer schließlich den Ausschlag gegeben habe: das Ergebnis der vergangenen Bundestagswahlen. In zwei Onstmettinger Wahllokalen hat die AfD Ende Februar jeweils die meisten Stimmen bekommen. Einmal lag das Ergebnis bei 33 Prozent, im anderen Wahllokal haben 37 Prozent die AfD gewählt.
OB Tralmer: Wahlergebnisse beeinflussen auch die Region
Albstadts Oberbürgermeister Roland Tralmer (CDU) bedauert die Absage von BeneVit. Zum einen, weil die Pflegeschule die Stadt bereichert hätte. Vor allem aber, weil Onstmettingen dringend neue Kitaplätze brauche. Für Tralmer wäre es schön gewesen, das jetzt verwirklichen zu können. Der Fall zeige ihm, dass bestimmte Wahlergebnisse nicht nur die Dinge in Berlin verändern, sondern "ganz bis nach unten durchschlagen". Gleichwohl betonte Tralmer, dass die Onstmettinger aber keine "eingefahrene Rechtsextremisten" seien.
BeneVit positioniert sich gegen Extremismus
Es ist nicht das erste Mal, dass BeneVit-Geschäftsführer Kaspar Pfister mit seiner Haltung öffentlich auffällt. Er und das Unternehmen sind auf Pflegekräfte aus dem Ausland angewiesen. Vergangenes Jahr hat er in einem Brief angekündigt, nur noch Geld an Vereine zu spenden, die sich klar gegen "rechts- und linksextreme Verhaltensweisen" positionieren.
Frankfurter Rundschau hier 14.06.2025 Von: Amy Walker
Davor haben alle gewarnt: In dieser AfD-Hochburg zieht ein Investor Pläne
zurück – und geht in andere Stadt
Die AfD gilt als Standortrisiko für Deutschland. Dennoch haben sie viele Stimmen bei der Bundestagswahl bekommen. Die Folgen werden nun spürbar.
Albstadt – Längst ist nicht mehr nur der ohnehin sehr konservative Osten betroffen: In ganz Deutschland erfährt die AfD mittlerweile große Zustimmung. Bei der Bundestagswahl im Februar erhielt die in Teilen rechtsextreme Partei 20,8 Prozent der Stimmen und war damit zweitstärkste Kraft. Vor der Wahl haben insbesondere Unternehmer und Ökonomen gewarnt, wie ein Erstarken der Rechten die Wirtschaft noch weiter erlahmen könnte. Das bewahrheitet sich jetzt zumindest in einem medienwirksamen Fall.
Deutscher Investor zieht Pläne aus AfD-Hochburg zurück: Zu risikant für seine Pflegeschule
In der baden-württembergischen Kleinstadt Albstadt wollte der Unternehmer Kaspar Pfister eine Pflegeschule für ausländische Beschäftigte bauen lassen. Investitionsvolumen: zehn Millionen Euro. Alles war fertig, das Geld stand bereit die Baupläne waren genehmigt. Dann sah er, so berichtete er es gegenüber der Deutschen Presseagentur im April, dass in dem Ortsteil, wo die Schule stehen sollte, 37 Prozent der Menschen die AfD gewählt haben. Er stoppte die Pläne.
Ein Grund war die Sorge vor Rassismus. Gegenüber dem Tagesspiegel erzählt Pfister nun: „Wenn in einem Ort mit 6000 Einwohnern 37 Prozent AfD-Wähler sind, kann ich doch keine Pflegeschule für ausländische Fachkräfte dort hinsetzen.“ Für den Unternehmer, der 1900 Menschen an 40 Standorten in Deutschland beschäftigt, war das einfach zu riskant.
Der Oberbürgermeister des Ortes, Roland Tralmer (CDU), äußerte Bedauern über die Entscheidung Pfisters. Und er wiederholte das, was Ökonomen schon mantraartig vor jeder Wahl betonen: „Die AfD ist ein negativer Standardfaktor in der Wirtschaft.“ Es gebe aber nun viele, die ins Nachdenken kämen, glaubt Tralmer.
AfD ist schlecht für die Wirtschaft: Das haben alle Populisten gemein
Dass Unternehmen in AfD-Hochburgen Probleme haben, hat schon im August 2023 eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergeben. Darin hat fast jeder zweite (48 Prozent) befragte Unternehmer in einer AfD-Hochburg gesagt, er habe schon jetzt Probleme, Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen. 27 Prozent, also fast jeder Dritte Befragte, sagte damals, dass es sogar auch Probleme bei der Sicherung von Fachkräften aus dem Inland gebe.
Die konkreten Folgen von Populisten (von rechts wie von links) haben die Ökonomen des Institus für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel im vergangenen Jahr untersucht. Dabei haben sie die wirtschaftlichen Folgen von Populisten auf den von ihnen regierten Länder über einen Zeitraum von über 100 Jahren verglichen. Das Ergebnis ist ernüchternd: „Schon wenige Jahre nachdem sie in die Regierung eingetreten sind, sind die negativen Folgen messbar. Nach 15 Jahren liegt das reale Bruttoinlandsprodukt eines Landes sogar ganze 10 Prozent niedriger. Diese starken Auswirkungen sind ähnlich, ob nun Rechts- oder Linkspopulisten an der Macht sind“, so das IfW.
Das zentrale Versprechen der Populisten, ihren Bürgerinnen und Bürgern ein besseres Leben zu ermöglichen, werde nie eingelöst. „Im Gegenteil, die Daten zeigen, dass nicht nur Wachstum und Konsum sinken, sondern auch, dass die Ungleichheit eher ansteigt. Besonders bei rechtspopulistischen Regierungen geht die Schere zwischen Arm und Reich auseinander, da untere und mittlere Einkommensschichten besonders stark verlieren.“
Rechte schwächen die Wirtschaft: Trump-Regierung merkt das jetzt schon
Diese Entwicklung können wir in Europa jetzt auch in den USA beobachten. Durch die Zölle, die US-Präsident Donald Trump auf China, Kanada und Mexiko verhängt hat, ist die US-Wirtschaft im ersten Quartal schon um 0,3 Prozent geschrumpft. Noch nicht mit eingerechnet sind hier die Zölle auf alle Welt, die er im April an seinem „Liberation Day“ verkündete.
Hinzu kommt noch seine Einwanderungspolitik: Etwa elf Millionen Menschen leben ohne gültige Papiere in den USA – und sind dadurch ein echter Wirtschaftsfaktor. Trump will diese Menschen aus dem Land schaffen, hat sogar schon damit begonnen. Das wirkt sich auf US-Unternehmen aus, wie das Wall Street Journal berichtet. Aus Sorge vor Abschiebung gehen viele Latinos seltener einkaufen oder im Restaurant essen.
AfD zweifelt Fachkräftemangel an: Die Pflege lebt mittlerweile von Ausländern
Auch die AfD fordert einen deutlich restriktiveren Kurs in der Migration in Deutschland. In ihrem Wahprogramm von 2025 stellt die Partei den Fachkräftemangel in Frage. Es sei „antideutsch“ Fachkräfte aus dem Ausland holen zu wollen. Durch Automatisierung und Digitalisierung gebe es bald keinen Mangel an Fach- und Arbeitskräften mehr, postuliert die AfD.
Dass das nicht stimmt, dafür reicht der Blick in einer der am schwersten vom Fachkräftemangel betroffenen Branchen im Land: der Pflege. Die Zahl derer, die gepflegt werden müssen, wird in den kommenden Jahren enorm steigen, schließlich werden nun die Babyboomer immer älter. Seit 2014 hat sich die Zahl der Pflegebedürftigen auf 5,6 Millionen verdoppelt, verrät der aktuelle Pflegebedürftigkeitsreport.
Pflegeschule wird nicht mehr in Albstadt gebaut – andere Stadt bekommt sie
Um diese Bedarfe abzudecken, braucht es mehr Personal. Seit 2021 bleibt die Zahl der Pflegenden mit deutscher Staatsangehörigkeit allerdings konstant, in der Altenpflege sinkt sie sogar. Das zeigt eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarktforschung (IAB). Ausgeglichen wird dieses Defizit mit immer mehr ausländischen Beschäftigten. In der Altenpflege kommen mittlerweile 20 Prozent der beschäftigten aus dem Ausland.
Daher wollte auch Kaspar Pfister seine Pflegeschule für ausländische Fachkräfte bauen. In Albstadt wird sie – wegen der AfD – jetzt nicht mehr stehen. Dem Tagesspiegel verrät er jedoch, dass er einen neuen Standort hat. „Manchmal denkt man ja, eine negative Entscheidung zieht einen runter. Aber manchmal kommt ja auch der berühmte Phönix aus der Asche“.
Kommentar dazu:
Francesco Garita hier auf LinkedIn
Standort geschlossen – wegen rechter Stimmung
Albstadt, 37 % AfD: Ein Investor will hier eine moderne Pflegeschule für ausländische Fachkräfte bauen. Finanzierung steht, Baugenehmigung liegt vor, alles bereit – und dann zieht er zurück. Warum? Weil das gesellschaftliche Klima toxisch ist. Weil er nicht riskieren will, dass seine Schüler angefeindet werden. Weil in dieser AfD-Hochburg der Menschenhass salonfähig geworden ist.
Das ist kein Einzelfall. Und es wird garantiert keiner bleiben.
Wirtschaftsinstitute warnen längst vor einem „Standortrisiko Rechtsruck“.
Pflegeanbieter, Industriebetriebe, selbst kleine Dienstleister prüfen inzwischen genau: Können wir in Regionen investieren, wo Ausländer nur geduldet, nicht gewollt sind? Die Antwort wird immer öfter Nein lauten.
Der Schaden trifft dabei nicht „die da oben“. Er trifft genau die, die AfD wählen.
Die auf Ausbildungsplätze hoffen, auf neue Kitas, auf Arbeit im Ort. Doch wenn der Bauzaun leer bleibt, weil das Klima vergiftet ist, wird plötzlich klar:
Nationalstolz füllt keine Stellen und baut keine Zukunft.
Und es geht nicht nur um Investoren. Auch Fachkräfte, Ärztinnen, Pflegepersonal, Start-ups – sie alle schauen aufs Umfeld. Kein Mensch will dort leben, wo er nur geduldet wird. Nicht im Alltag, nicht im Kindergarten, nicht auf dem Wohnungsmarkt.
Dieses Land wird keine Zukunft bauen können, wenn es zuerst Mauern zieht – und dann erwartet, dass jemand freiwillig kommt, um sie abzureißen.
Zeit hier 4. April 2025 Quelle: dpa Baden-Württemberg
Wahlergebnis: AfD-Wähler ein Faktor? Bedauern über Aus für Pflegeschule
Wahlergebnis: Benevit-Chef Kaspar Pfister macht sich Sorgen um ausländische Pflegekräfte wegen zu hoher Zustimmung für die AfD bei Wahlen
Nach der Absage für eine Pflegeschule für ausländische Fachkräfte und wegen vieler AfD-Stimmen bei der Bundestagswahl macht sich Albstadts Oberbürgermeister Roland Tralmer Sorgen um den Standort. Wenn eine Schule für ausländische Fachkräfte entstehen solle und es die Vermutung gebe, dass die Fachkräfte dort nicht willkommen seien und nicht integriert werden könnten, sei das besorgniserregend, sagte der CDU-Politiker. «Die AfD ist ein negativer Standardfaktor in der Wirtschaft.»
Angst um ausländische Fachkräfte
Der Hintergrund: Das Unternehmen Benevit aus Mössingen (Kreis Tübingen) wollte im Ortsteil Onstmettingen eigentlich eine Pflegeschule bauen. Das Projekt wurde aber abgesagt. Ein Grund war Sorge vor Rassismus. Benevit-Chef Kaspar Pfister begründet sie Absage zum einen mit der Unsicherheit, in welche Richtung sich die Pflegereform entwickeln werde, aber auch mit dem Wahlergebnis in Onstmettingen.
«Also da sind für mich zwei Dinge: Die rechtliche Unsicherheit. Und dann kommt auch dieser hohe AfD-Anteil in diesem Ort. Also wenn ein Eimer mal voll ist, dann reicht einfach der letzte Guss, den einfach zum Überlaufen zu bringen. Und deswegen habe ich gesagt: Nein, in der Situation ist mir das Ganze zu riskant, da zehn Millionen zu investieren.» Pfister will ein neues Konzept in der Altenpflege etablieren, eine Mischung aus stationärer und ambulanter Pflege.
OB Tralmer: Reaktionen in Albstadt gemischt
Die Reaktionen in Albstadt sind laut Tralmer unterschiedlich. Der Großteil sei betrübt. «Dann gibt es teilweise von den AfD-Fans wütende Proteste und die Unterstellung, es liege nur am Geld und man wolle es auf die AfD schieben, was nachweislich nicht der Fall ist.» Zudem gebe es sehr viele, die einfach ins Nachdenken kämen. «Und damit wäre ja schon mal durchaus was erreicht.» Die AfD kam in Onstmettingen bei der vergangenen Bundestagswahl laut Tralmer auf bis zu 37 Prozent. In ganz Albstadt kam die AfD dem Statistischen Landesamt nach auf 27,7 Prozent.
© dpa-infocom, dpa:250404-930-423881/1
Wie ein schwäbischer Mittelständler gegen die AFD vorging
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