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Vor Gericht gezerrt und angeklagt
- Mächtige Firmen und Verbände überziehen ihre Kritiker immer häufiger mit Klagen, um sie mundtot zu machen.
- Im Fadenkreuz stehen Menschenrechtler, Whistleblower und vor allem Umweltschützer wie der 36-jährige Karl Bär, gegen den 1376 Bauern Anzeige erstattet haben.
- Jetzt will die Europäische Union missbräuchlichen Klagen einen Riegel vorschieben – und stößt im Kampf um die Meinungsfreiheit an ihre Grenzen.
Dass Umweltschützer, Menschenrechtler oder Journalisten wegen ihrer öffentlichen Kritik angezeigt und verklagt werden, lässt sich auch außerhalb Südtirols immer häufiger beobachten. Zwischen 2018 und 2019 hat die Zahl solcher Klagen laut einer Untersuchung von Greenpeace International um 75 Prozent zugenommen.
Juristen bezeichnen diese Einschüchterungsklagen als „SLAPP“ („Strategic Lawsuits against Public Participation“). Ihr Ziel ist es nicht, vor Gericht recht zu bekommen. Vielmehr sollen horrende Anwaltskosten, lange Gerichtsprozesse und hohe Schadensersatzforderungen jede weitere kritische Äußerung über Missstände unterbinden und andere Kritiker abschrecken. Der Fall Bär gilt als eines der größten SLAPP-Verfahren weltweit. „Hier werden engagierte Menschen, die den Status quo zu Recht kritisieren, eingeschüchtert, psychisch belastet und finanziell unter Druck gesetzt“, kritisiert die EU‑Abgeordnete Sarah Wiener (Grüne), nachdem sie bei Karl Bärs letzter Verhandlung im Mai als Prozessbeobachterin bei Gericht war.
.......Karl Bär kämpft und lässt sich auch von 1376 Anzeigen nicht davon abbringen, den massiven Pestizideinsatz in Südtirol und die Klagen gegen ihn zu kritisieren. Das hat Wirkung gezeigt: Von den 1376 Apfelbauern haben fast alle ihre Anzeige zurückgezogen. Doch weil zwei Brüder an ihrer Klage festhalten, muss sich der Umweltaktivist Ende Oktober erneut vor Gericht verantworten. Gesprochen hat er mit den beiden Klägern nie, Verständnis für ihre Klage hat er auch nicht. „Die Strafanzeige gegen den politischen Gegner ist eine Grenzüberschreitung“, meint Bär und sei durch nichts zu rechtfertigen. Die beiden Brüder äußerten sich auf unsere Anfrage hin nicht.
Bär möchte jetzt so viel Wirbel wie möglich um die SLAPP-Klage machen, damit anderen der Ärger erspart bleibe. Sein Anwalt erklärt: „Wir haben ca. 60 Umweltexperten aus der ganzen Welt als Zeugen zum Prozess geladen.“ ...
Für die Südtiroler Landwirte könnten ihre 1376 Anzeigen noch unangenehme Folgen haben, nicht nur wegen der großen Aufmerksamkeit beim Prozess. Die Staatsanwaltschaft Bozen hat im Rahmen ihrer Ermittlungen die Betriebshefte von den Apfelbauern beschlagnahmt, in denen der Pestizideinsatz detailliert aufgelistet ist. „Wir haben jetzt einen nie dagewesenen Datenschatz, wer wann welche Pestizide spritzt“, sagt Bär und grinst. Bis zum Frühjahr dauert die Auswertung der Betriebshefte noch, dann will Bär die Daten zum Einsatz von Spritzmitteln auf Südtiroler Apfelplantagen öffentlich machen.
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