Montag, 18. Oktober 2021

Wie Dänemark zu einem Labor der Klimawende wurde

Süddeutsche Zeitung  hier von Michael Bauchmüller

KlimaschutzIn Dänemark arbeiten Ingenieure mit Hochdruck an Lösungen für eine klimafreundliche Zukunft. Alles scheint dort leichter zu gehen, mit weniger Widerständen. Warum bloß?

Das Werk von Philip Loldrup Fosbøl entsteht unter einer Skipiste und nicht weit von einer riesigen Müllhalde, aber das spielt eigentlich keine Rolle. "Das hier ist die Chance unseres Lebens", sagt Fosbøl. "Sie kann einen Unterschied machen für unsere Gesellschaft, für Europa, die ganze Welt."
Ihn selbst motiviere es, wenn er bei der Arbeit an seine drei Kinder denke.
Willkommen in Dänemark, einer Art Großlabor auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Die ersten Windparks zur See entstanden hier, nirgends hängen so viele Haushalte an erneuerbarer Fernwärme, Städteplaner pilgern in Scharen nach Kopenhagen, um sich mal eine fahrradgerechte Metropole anzuschauen. Und dann ist da noch dieses Kraftwerk, das 2017 nach einem Architekturwettbewerb in Betrieb ging: Amager Bakke. Mit seiner Fassade aus Stahl und Glas sieht es aus, als wäre es einem Designprospekt entsprungen. Auf dem lang gezogenen, schrägen Dach steht ein Skilift, ein Wanderweg führt hinauf. ....

. Seine Mission: Er will an das Kohlendioxid, das zusammen mit dem Wasserdampf aus dem Schornstein des Kraftwerks entfleucht. Die Anlage dafür ist nicht groß, sie soll ja auch erst einmal zeigen, wie es gehen soll. Zwei 20 Meter hohe schmale Tanks braucht Fosbøl dafür. Im ersten sind Wasser und Chemie, sie soll das Kohlendioxid binden - in einer Art Sprudelwasser, sagt Fosbøl. "Trinken sollte man das aber nicht." Im zweiten Tank wird das Wasser erhitzt und so das Kohlendioxid abgeschieden. Das wiederum lasse sich unterirdisch lagern - oder chemisch weiterverwenden. Etwa indem man es mit Wasserstoff verbindet. Dann entsteht daraus Methan: Erdgas. "So schließt sich ein Kreis", sagt der Chemiker. An der Sache mit dem Wasserstoff arbeiten sie gerade gut 15 Kilometer südwestlich, in Avedøre......

In Deutschland scheitern viele Projekte am öffentlichen Widerstand

"Natürlich sind wir hier Pioniere", sagt Ulrik Stridbæk vom dänischen Energiekonzern Ørsted. "Aber uns ist irgendwann klargeworden, dass wir nicht weiterkommen, wenn wir nichts ändern." Die Idee mit dem Elektrolyseur hatte ein kleines Team im Unternehmen, jetzt entsteht auch hier das Große in klein. Bis 2030 wollen sie in Avedøre so viel Wasserstoff herstellen, dass sich, wenn daraus grünes Kerosin würde, der Bedarf des Kopenhagener Flughafens zu einem Drittel decken ließe. "Wir lernen hier gerade viel, was wir später für die größere Anlage brauchen", sagt Stridbæk.

Erforscht wird all das auch in Deutschland. Es gibt Windräder, Wasserstoffprojekte und seit vielen Jahren auch Forschung rund um die Speicherung von Kohlendioxid. Doch größere Projekte scheiterten am öffentlichen Widerstand, die CO₂-Speicherung wurde irgendwann faktisch verboten, und der Ausbau der Windkraft dümpelt seit Jahren dahin. Was läuft anders in Dänemark? "Wir glauben, dass uns das alles einen Wettbewerbsvorteil bringt", sagt Lars Sandahl Sørensen, Chef des dänischen Industrieverbands DI. In Dänemark habe die Industrie selbst für höhere Klimaziele geworben: Anders als Deutschland will Dänemark bis 2030 seine Emissionen schon um 70 Prozent unter den Wert von 1990 drücken, nicht um 65 Prozent. "Wir sind nicht naiv, die Kosten werden riesig sein", sagt Sørensen. "Aber unsere Analyse ist: Es gibt kein Zurück."

Hinter dieser Analyse steht in Dänemark eine große Mehrheit. Erst kürzlich verabschiedete das Parlament neue, scharfe Klimaziele für die Landwirtschaft, für Dänemark eine sensible Branche - dennoch stand eine breite Mehrheit dahinter. Auch Widerstand gegen Windräder gibt es bislang kaum. Veränderung sei eine Frage des Vertrauens, sagt Sørensen. "Und Vertrauen entsteht durch Transparenz." Was sich in einem kleinen Land wie Dänemark freilich leichter erreichen lässt, und mit einer Industrie, die nicht annähernd so stark auf Stahl, Chemie und Verbrennungsmotoren gebaut ist wie die deutsche. Aber hängt Dänemark den großen Nachbarn beim Klimaschutz am Ende ab?

Auf einer Energieinsel in der Nordsee soll Strom in Wasserstoff umgewandelt werden

In der Nordsee will ein halb staatliches, halb privates Konsortium an die 30 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um eine künstliche Energieinsel zu errichten, fast 100 Kilometer vom Festland entfernt. Rundherum sollen Windparks so viel Elektrizität erzeugen wie zehn Atomkraftwerke. Der Strom lässt sich von dort weiterverteilen, auch nach Deutschland, oder soll gleich auf der Insel zu Wasserstoff umgewandelt werden. Schiffe können dort anlegen und frischen Wasserstoff tanken. ....

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