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Saudi-Arabien, Japan und Australien
Wohlhabende Industriestaaten sollen zudem infrage gestellt haben, ob finanzielle Zuwendungen an ärmere Staaten, die den Umstieg auf klimaschonende Technologien ermöglichen sollen, in den bisher genannten Umfängen wirklich nötig sind, heißt es in dem Bericht.
Die »BBC« verweist auf mehr als 32.000 geleakte Dokumente und Kommentare, die aus Regierungskreisen oder von Unternehmen und anderen Interessengruppen stammen. Damit soll versucht worden sein, Wissenschaftler, die an Zustandsberichten des Weltklimarats IPCC, einem Uno-Gremium, arbeiteten, zu beeinflussen.
Mit Blick auf den Weltklimagipfel in Glasgow werfen die Dokumente zu dem Berichtsentwurf Fragen auf, heißt es. Denn damit sei offen, inwiefern Bemühungen dieser Staaten, die Ziele von Paris einzuhalten, ernst genommen werden könnten.
Welcher Bericht genau gemeint ist, bleibt unklar. Aber das Leak zeige, dass eine Reihe von Ländern und Organisationen argumentieren, dass die Welt den Verbrauch fossiler Brennstoffe nicht so schnell reduzieren muss, wie es der aktuelle Berichtsentwurf empfiehlt.
So habe etwa ein Berater des saudischen Ölministeriums gefordert, dass Formulierungen wie »die Notwendigkeit dringender und beschleunigter Minderungsmaßnahmen auf allen Ebenen« aus dem Bericht gestrichen werden sollen. Ein ranghoher australischer Regierungsvertreter lehnte dem Bericht zufolge die Schlussfolgerung ab, dass die Schließung von Kohlekraftwerken notwendig sei. Dabei ist das Ende der Kohlenutzung eines der erklärten Ziele der COP26-Konferenz. Australien exportiert große Mengen Kohle, Saudi-Arabien ist einer der größten Ölproduzenten der Welt.
Manche der Länder sehen offenbar in der Speicherung von klimaschädlichem Kohlendioxid im Untergrund eine Lösung für das Klimaproblem, darunter Saudi-Arabien, China, Australien und Japan – allesamt große Produzenten oder Nutzer fossiler Brennstoffe. Dabei gilt diese bisher noch teure Technologie bis auf Weiteres höchstens als ergänzende Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel. Zudem steckt die Carbon-Capture-and-Storage-Wirtschaft (CCS) noch in den Anfängen. Laut dem Uno-Bericht könne die Technik in Zukunft eine Rolle spielen, jedoch wird festgehalten, dass es Unsicherheiten über seine Durchführbarkeit gibt. Ähnliches hatte bereits ein früherer IPCC-Bericht festgehalten.
Stattdessen sei aber behauptet worden, dass die Kohlendioxidspeicherung die Emissionen fossiler Brennstoffe aus Kraftwerken und einigen Industriesektoren drastisch reduzieren könnte. Saudi-Arabien fordere die Wissenschaftler der Uno auf, ihre Schlussfolgerung zu streichen, dass der Fokus der Dekarbonisierungsbemühungen im Energiesektor auf der schnellen Umstellung auf kohlenstofffreie Quellen und dem aktiven Ausstieg aus fossilen Brennstoffen liegen müsse. Auch Argentinien, Norwegen und die Opec widersprechen der Aussage.
Die Forschenden des IPCC schätzen die Versuche der Beeinflussung offenbar als wenig dramatisch ein. Zwar seien Regierungskommentare von zentraler Bedeutung für den wissenschaftlichen Überprüfungsprozess. Aber die Autoren sind nicht verpflichtet, sie in die Berichte aufzunehmen. »Unsere Prozesse sind darauf ausgelegt, Lobbyarbeit zu verhindern – von allen Seiten«, zitiert der »BBC«-Bericht den IPCC. Zudem bestehe kein Zweifel an der Unparteilichkeit der Berichte. Alle Kommentare würden nach rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten überprüft, unabhängig davon woher sie kämen, sagte die Klimaforscherin Corinne Le Quéré von der University of East Anglia, die selbst an drei IPCC-Berichten mitgewirkt hat, der »BBC«.
Dass also ein Land oder eine Branche versucht, die eigenen Interessen durchzusetzen, kann nicht verwundern. So argumentieren die großen Fleischproduzenten Argentinien und Brasilien gegen eine Reduzierung des Fleischkonsums, die laut dem Berichtsentwurf notwendig ist, um weniger Treibhausgasemissionen zu produzieren.
Glasgow ohne viele Pazifikstaaten
Klimaexperten und Aktivisten fürchten unterdessen, dass ein ganz anderer Umstand einen negativen Einfluss auf die Klimakonferenz in Glasgow haben wird. Wegen der Coronapandemie planen viele kleine Inselstaaten und Territorien im Pazifik, keine eigenen Regierungsvertreter nach Glasgow zu schicken. Das sei aber wichtig, da gerade diese Nationen stark vom Klimawandel betroffen sind. Bei einem Treffen der pazifischen Regionalorganisationen sei bestätigt worden, dass sieben dieser Länder keine eigenen Vertreter nach Großbritannien entsenden wollten, 13 würden das trotz Corona beabsichtigen. Unter den abwesenden Ländern sind etwa die Marshallinseln oder Vanuatu.
Möglicherweise will man Interessen bündeln und mit anderen Delegationen abgleichen. Aber insgesamt werden dieses Jahr weniger Vertreter aus dieser Region der Welt anwesend sein als sonst – auch weil hohe Reisekosten eine Rolle spielen. Dabei habe bei der Klimakonferenz von Paris gerade die persönliche Anwesenheit dieser Staatsvertreter eine Rolle bei den Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels gespielt, sagte laut einem Bericht des »Guardian« der Oppositionsführer von Vanuatu.
Viele der Pazifikstaaten hatten es geschafft, die Pandemie von ihren Territorien fernzuhalten. Deshalb sei es zu riskant, aufgrund einer so langen Reise die Einschleppung des Virus und die Erkrankung von wichtigen Staatsoberhäuptern zu riskieren oder langwierige Quarantänen umzusetzen, hieß es.
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