Am 29.3.21 wurde bei der Kreistagssitzung das Statement des Kreises zum Regionalplan verabschiedet. Normalerweise ist dies gar kein Punkt, der im Kreistag diskutiert werden müsste, denn in erster Linie sind die Fachbehörden dazu aufgefordert ihre fachlichen Stellungnahmen abzugeben.
Offensichtlich war "man" jetzt aber der Meinung, dass hier dringend ein politisches Statement von Nöten sei und dass es nichts schaden könne, hier nochmal richtig Dampf zu machen um den Regionalplan dann im Sommer zu verabschieden.
So fand sich also dieser Punkt auf der Tagesordnung wieder und es kam zu Stellungnahmen der verschiedenen Fraktionen.
Update: hier wurde der Artikel aus der Schwäbischen Zeitung eingestellt, in dem vor allem der Salemer BM Härle/CDU und sein Owinger Kollege Wengert /FW mit Högel/ AFD an einem Strick zogen.
Stellungnahme Fraktion Bündnis 90 / die Grünen / Ulrike Lenski
Hr. Franke, ein Satz von Ihnen ist mir absolut in Fleisch
und Blut übergegangen:
„Bei uns wächst alles, die Wirtschaft, die Bevölkerung, …
nur nicht die Fläche!“ deshalb haben wir diesen extremen Zielkonflikt, mit enormer
politischer Sprengkraft.
Schwierige Aufgabe des Regionalverbands und im Übrigen
nicht des Kreistags! ist es, die einzelnen Belange von Gewerbe, Siedlung und
Freiraum sauber gegeneinander ab zu wägen. Und hierzu dient auch die Stellungnahme
der Unteren Behörden. Mit ihrer Expertise arbeiten sie die Belange ihres Fachgebietes
heraus. Da unsere Fachbehörden dieser Aufgabe adäquat nachgekommen sind, vielen
Dank Frau Schuster an dieser Stelle, ist die Stellungahme als solches für unsere
Fraktion eigentlich unproblematisch.
Eigentlich…. Aber!, uneigentlich sind wir doch einmal
ehrlich, hier und jetzt geht es doch gar nicht um die Inhalte der Stellungnahme.
Hier und heute geht es zu aller erst um ein politisches Plädoyer und Bekenntnis
für "Mehr Gewerbefläche". Bestimmt wird dieser Ruf nach "Mehr Gewerbefläche" einzig
durch den Focus auf das Wirtschaftswachstum in unserer Region, alle weiteren
Belange ignorierend.
Aber, kann Flächeninanspruchnahme in unserer heutigen Zeit
wirklich nur durch die Brille der Wirtschaftlichkeit betrachtet werden? Ich denke nein. Die Aussage der
Stellungnahme, dass 76% der Gesamtfläche innerhalb der regionalen Grünzüge
liegen, mag manch einem suggerieren, dass wir über einen riesigen Pool an frei
verfügbarer Fläche verfügen. Dem ist mitnichten so.
Bei dieser Fortschreibung wurde alles in die Grünzüge
hineingepackt. Landwirtschaftliche Nutzflächen, Waldgebiete,
Landschaftsschutzgebiete, Frischluftschneisen, Naherholungsgebiete, Gewässer.
Setzten wir also den Ruf nach mehr Gewerbefläche in Kontext zu weiteren
Bedarfen, stellt sich zwangsläufig die Frage: Welchen Wald also wollen wir
abholzen, welche Streuobstwiese fällen, oder welche Landwirtschaftlichen
Betriebe opfern?
Fakt ist, Fläche ist unser limitierender Faktor.
Und diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Hervor zu
heben ist, dass die Unterdeckung im Bereich der Gewerbeflächen der
herausragenden Bodenseelandschaft geschuldet ist. Bereits 2002 postulierte der
Landesentwicklungsplan eine klare Entlastung der Bodenseeuferregion.
Pfullendorf und Sigmaringen werden als Entlastungsregion genannt. Seit fast 20
Jahren war also klar, wohin die Reise geht. Hat das zu Konsequenzen im
Flächenverbrauch geführt? Haben wir Gewerbeflächenmanagement entwickelt,
Parkplätze in die Höhe oder Tiefe gebaut, verdichtet? Geschenkt!
Unsere Flächenverknappung verschärft sich von
Jahr zu Jahr. Keine Bautätigkeit, bei denen uns nicht heftig geführte Debatten die
Endlichkeit der Ressource Fläche deutlich vor Augen führen. Dennoch, der Ruf
nach immer weiteren Gewerbeflächen bleibt unvermindert laut. Wir wollen
weitermachen wie bisher, die Endlichkeit der Ressource ignorieren, getreu dem
Motto: dass nicht sein kann, was nicht sein darf.
Aber genau diese emotionale Grundhaltung, dass nicht sein kann,
was nicht sein darf, ist
nicht nur unwissenschaftlich, sie verhindert auch möglichen Fortschritt". Aber genau das können wir uns nicht leisten,
wollen wir uns den größten Herausforderungen unserer Zeit stellen: dem
Klimawandel und dem Rückgang der Biodiversität. Wenn wir nur den Hauch einer Chance haben wollen,
dann müssen wir raus aus unserer Komfortzone der Wirtschaftsverwöhntheit und
wirtschaftliches Wachstum neu denken, müssen wir uns dem Transformation Prozess
der Wirtschaft stellen.
Jedoch! dazu ist der vorliegende Entwurf zur
Fortschreibung des Regionalplans in seiner Gesamtheit wenig geeignet!
Die Unterdeckung beim Gewerbe im BSK darf nicht darüber
hinwegtäuschen, dass die Fortschreibung des Regionalplans mit einer
Versiegelung von 2700 ha Fläche, lediglich das Wachstumsmodell der
Vergangenheit fortschreibt und keinen Plan für die Zukunft hat. Oder, um es mit
den Worten der S4F aus zu drücken. Der Regionalplan zeigt den unbedingten
Willen zum Wachstum. Wachstum in einer Größe, mit der die Klimaziele krachend
verfehlt werden. Er ist laut VCD auch nicht geeignet, die notwendige
Verkehrswende in unserer Region herbei zu führen, und weißt nach den Worten des
Bauernverbands Sigmaringen einen ungezügelten Angriff auf landwirtschaftliche
Fläche auf.
Für uns als grüne Fraktion steht die Forderung nach
Gewerbefläche immer im Kontext zu ökologischen, ökonomischen und sozialen
Belangen. Sie kann nie isoliert durch die Brille der Wirtschaft beurteilt
werden. Das hieße, ohne zu hinterfragen dem Primat der Wirtschaft zu folgen. Aus
diesem Grund können wir an dieser Stelle nicht unsere Zustimmung geben.
Gegen diesen Regionalplan, der so wenig geeignet ist,
Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zukunft zu geben, erhebt sich
breiter öffentliche Protest. Allein hinter den großen Naturschutzverbänden BUND
und NABU stehen 15000 Mitglieder und Förderer, die den Aufruf für einen
zukunftsfähigen Regionalplan und einer Reduktion der Flächeninanspruchnahme um
die Hälfte fordern. Und dabei sind BUND und NABU nur zwei von 30 Mitgliedern
des Aktionsbündnisses fair Wandel.
Selbstverständlich distanziere ich mich von jedem
gesetzeswidrigen Protest. Aber, dass es bei diesem breiten Protest zwei Fälle
gab, darf nicht heißen, den Protest in seiner Gesamtheit in Misskredit zu
bringen. Das Recht auf Demonstration ist eine wesentliche Säule unserer
Demokratie! Und, wie wir aktuell sehen, gibt es auch bei uns Volksvertretern
einzelne, die sich nicht rechtskonform verhalten. Stellen wir deshalb unser
System in Frage?
Erlauben Sie mir hierzu einen letzten Gedanken:
Meine erste Veranstaltung als Kreistagsmitglied, war der Jugendklimagipfel. Obwohl nicht unbeleckt beim Thema Klimawandel war es eine erschütternde Erfahrung, inmitten von Jugendlichen, die am Anfang ihres Lebens stehen, die Dimension und die Folgen des Klimawandels so glasklar vor Augen geführt zu bekommen. Hr. Professor Dr. Grobe vom Alfred-Wegener-Institut forderte damals die Schüler auf, zu demonstrieren, was sie ja seitdem auch brav machen. Wir haben uns schon fast daran gewöhnt. Aber was passiert mit jemanden der in jungen Jahren unermüdlich auf die Straße geht, um eine Zukunft kämpft und feststellen muss, dass nicht das passiert, was passieren müsste?
Noch nie
waren wir Volksvertreter so gut übe eine bevorstehende Katastrophe informiert
und dennoch fehlt es uns an der nötigen politischen Konsequenz! Die einen
treiben wir damit in die Resignation. Die anderen auf Bäume und Dächer, wie im
Fall der Regionalplanung. Können wir uns wirklich darüber echauffieren, dass
sie da oben sitzen ohne uns zu fragen, wer oder was sie da hochgetrieben hat?
Welches Verbrechen an der kommenden Generation ist es denn, nicht zu handeln?
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