Mittwoch, 15. Oktober 2025

Warum die Gaskraftwerke noch teurer werden könnten als gedacht

 Rico Grimm LinkedIn

Deutschland will den Bau neuer Gaskraftwerke subventionieren – aber es zeichnet sich schon jetzt ab, dass das alles teurer wird als gedacht.

Die Bundesregierung will erst mal nur den Bau der Kraftwerke anreizen. Den Betrieb sollen die Anlagen am Markt finanzieren. 

Doch genau hier liegt das Problem: Große Batteriespeicher drängen auf all die Märkte, auf denen sich auch die neuen Gaskraftwerke finanzieren sollen. Vom Primärregelleistungsmarkt bis zum normalen Stromhandel – überall verschlechtern sie die Wirtschaftlichkeit der Gaskraftwerke.

In den nächsten Jahren gehen 20–30 GW neue Speicherleistung ans Netz. Je mehr Speicher am Markt sind, desto seltener können Gaskraftwerke zu profitablen Preisen laufen. Weniger Laufzeit bedeutet höhere Kosten pro erzeugter Kilowattstunde.

Die Bundesregierung plant zwar, die Gaskraftwerke später in einen Kapazitätsmarkt zu überführen. Aber auch dort zeigt sich in anderen Ländern bereits: Ohne politische Manipulation haben Batteriespeicher oft die Nase vorn. In Polen hat die Regierung den Bewertungsfaktor für Speicher kurzerhand von 61% auf 13% gesenkt – damit Gas die Auktionen gewinnen konnte.


Die Folge für Deutschland?


Wir werden nicht nur
den Bau der neuen Gaskraftwerke subventionieren.
Auch ihr Betrieb wird dauerhaft Zuschüsse brauchen –
das wäre aber eigentlich kein Zuschuss mehr,
sondern risikofreie Vollförderung. 

Und das für eine klimaschädliche Technologie?


Es droht ein doppelter Lock-in: ein fossiler UND ein Subventions-Lock-in.

Am Ende steht ein kurioser Befund: Wir subventionieren die klimaschädliche Technologie zulasten der komplett privat finanzierten klimafreundlichen Technologie – die wir sowieso früher oder später in großer Zahl ins Netz integrieren müssen.

Wäre es da nicht rational, so wenig wie möglich von der klimaschädlichen und teuren Technologie zu bauen? 

Wirklich nur so viel Gas, wie es nach Ausschöpfung aller anderen Wege braucht, um Deutschland mit Strom zu versorgen?


Alle Quellen und Belege findest du hier in meinem Newsletter: https://www.cleantech.ing/p/warum-katherina-reiches-gaskraftwerke-noch-teurer-werden-k-nnten-als-gedacht

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Langfassung;

Warum die Gaskraftwerke noch teurer werden könnten als gedacht

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat immer wieder betont, dass sehr schnell neue Gaskraftwerke kommen müssten – aber Reiche kommt mit diesem Vorhaben nur langsam voran.

Denn die Europäische Kommission muss zustimmen, dass die Bundesregierung Firmen wie Uniper, RWE oder E.ON Geld für den Bau neuer Gasblöcke geben kann. Stichwort „Beihilferecht“. 

Nun hat die Nichtregierungsorganisation Deutsche Umwelthilfe ein Gutachten der internationalen Wirtschaftskanzlei K&L Gates veröffentlicht. Es bestünden laut der Anwälte ganz grundsätzliche rechtliche „Zweifel“ an der Beihilfe. 

Gaskraftwerke sollen ihren Betrieb am Markt finanzieren
Diese Diskussion ist für die Energiewende und die Klimaziele wichtig.

Denn die Bundesregierung will nur den Bau der Kraftwerke anreizen, den Betrieb allerdings müssen diese laut Gutachten am Markt finanzieren. 

Nur: Große Batteriespeicher drängen auf all die Märkte, auf denen sich auch die neuen Gaskraftwerke finanzieren sollen – und verschlechtern so die Wirtschaftlichkeit dieser neuen Gaskraftwerke noch weiter.

Am Ende steht ein kurioser Befund: Wir subventionieren die klimaschädliche Technologie zulasten der komplett privat finanzierten klimafreundlichen Technologie – die wir sowieso früher oder später in großer Zahl ins Netz integrieren müssen.

Wenig Batteriespeicherleistung senkt die Preise am Markt für alle

Vermutlich unterschätzen viele, wie groß der Einfluss von Batteriespeichern tatsächlich auf einzelne Märkte ist. 

Christian Schäfer, Berater und Autor von „Regelleistung Online“, hat 2022 in einer hypothetischen Berechnung für die Vorjahre gezeigt, dass die geringe Summe von 100 MW Batteriespeicherleistung auf allen Märkten große Folgen gehabt hätte.

Wichtiger Kontext: Energieerzeuger und Batteriespeicher können nicht nur im eigentlichen Stromhandel Geld verdienen, sondern auch mit sogenannten Systemdienstleistungen. 

  • Primärregelleistungsmarkt (Abfedern von Laständerung in Sekundenschnelle) –100 zusätzliche MW hätten die Preise um 35 % und 74 % verringert.

  • Sekundärregeleistungsmarkt (Abfedern in Minutenschnelle) – Preise circa 4 % geringer

  • Handel am Strommarkt (Day-Ahead, Intraday, kontinuierlicher Intraday) – “Durch den Einsatz eines 100 MW/100 MWh Speichers hätte sich die Spanne zwischen dem minimalen und maximalen täglichen Strompreis um 5,3% verringert. „Dieses Ergebnis ist überraschend, da eine Einheit mit einem Marktanteil von nur 0,5 % den Marktpreis um jeweils etwa 2,5 % nach oben und unten verschieben kann.“

Heute sind deutlich mehr Batterieleistung und -kapazität am Markt. Entsprechend größer sind die Folgen: Die Märkte für Primär- und Sekundärregeleistung sind dicht. Batteriespeicher müssen immer öfter am Arbitragemarkt ihr Geld verdienen. 

Christian Schäfer sagte mir: “Die größte Marge erzielt man, wenn man alle Märkte bedienen kann. ‘Cross-Market-Optimierung’ ist das wirtschaftlichste.”

Das zeigt sich bereits in weiter entwickelten Batteriemärkten, wo die Speicher von Systemdiensleistungen („ancillary services“) in den normalen Stromhandel drängen. 

Speicher drücken dabei die für Gaserzeuger besonders lukrativen Preisspitzen weg. 

Je mehr Speicher am Markt sind, desto seltener können Gaskraftwerke zu profitablen Preisen laufen. Weniger Laufzeit bedeutet höhere Kosten pro erzeugter Kilowattstunde.

Aber die neuen Gaskraftwerke sollen ihre Betriebskosten just auf diesem Strommarkt decken, bis es einen Kapazitätsmarkt gibt. 

Weil jedes Jahr immer mehr Gigawatt neuer Batteriespeicherleistung ans Netz gehen, verschlechtert sich also die Rentabilität der geplanten subventionierten Gaskraftwerke. Einer Frontier-Economics-Untersuchung zufolge könnten Batteriespeicher den Bedarf an Gaskraftwerken um bis zu 9 GW senken (PDF). 

Was die sinkende Wirtschaftlichkeit für die geplanten Gaskraftwerke bedeutet, habe ich bisher noch nirgendwo gelesen. Vielleicht können sie heute noch ihre Betriebskosten am Markt finanzieren, aber was ist in 5 oder 10 Jahren – wenn weitere 20 bis 30 GW Batteriespeicherleistung am Netz sind? 

Der Kapazitätsmarkt ist anfällig für politische Manipulationen

Die Bundesregierung plant, die neuen Gaskraftwerke in einen sogenannten Kapazitätsmarkt zu überführen. Darin sollen sie mit anderen Technologien, um die Bereitstellung von Kapazitäten konkurrieren. Die Idee ist, alle Technologien gleichermaßen dafür zu belohnen, dass sie gesicherte Leistung vorhalten. 

In anderen Ländern wie Belgien, Italien oder Polen sehen wir bereits heute, wie so ein zentraler Kapazitätsmarkt funktioniert. Die Regierung würde mehrere Faktoren nutzen, um die jeweiligen Technologien zu bewerten. 

Bei Batteriespeichern ist u.a. der sogenannte Derating-Faktor wichtig. Der weist die tatsächliche Leistung aus, die ein Speicher liefern kann – und wird zentral festgelegt bzw. angenommen. Ist er hoch, ist das schlecht für Gas. Ist er niedrig, ist das gut für Gas. 

Die Bundesregierung hat in die Gaskraft schon investiert („sunk-cost-fallacy“) – zumindest politisches Kapital, den Bau finanzieren ja die Stromkunden. Sie hat also einen Anreiz, diesen Kapazitätsmarkt so zu gestalten, dass er Gaskraft bevorteilt und BESS benachteiligt. 

Das ist kein Hirngespinst.

In Polen hat die Regierung den Kapazitätsmarkt zugunsten von Gas manipuliert

Nachdem in Polen im Dezember Batteriespeicher die Auktionen bei einem bereits gesenkten Derating-Faktor von 61 % dominierten, hat die Regierung in der jüngsten Auktion den Faktor auf knapp 13 % gesenkt. Kein Speicher konnte da mithalten. Gas erhielt – wie gewünscht – den Zuschlag.

Den neuen Gaskraftwerken wird es also schwerfallen, sich am Markt zu finanzieren. Gleichzeitig werden sie im Kerngeschäft, dem Vorhalten gesicherter Leistung in einem Kapazitätsmarkt, bei ordentlichen Marktbedingungen zunehmende Konkurrenz durch Batteriespeicher bekommen. 

Ich hatte u.a. bei RWE nachgefragt, wie sie als Betreiber zukünftiger Gaskraftwerke unter diesen Rahmenbedingungen ihre Anlagen finanzieren wollen, aber bis jetzt keine Antwort erhalten. Das Wirtschaftsministerium wollte nichts mitteilen, bevor die Ausschreibungsbedingungen festgezurrt sind. 

Ohne diese Antworten liegt ein Schluss nahe: Die Stromkunden werden den Bau der Gaskraftwerke finanzieren und später auch ihren Betrieb – das wäre kein Zuschuss mehr, sondern risikofreie Vollförderung.

Es droht nicht nur ein fossiler Lock-In, sondern auch ein Subventions-Lock-In. 

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