Dienstag, 21. Oktober 2025

Aus für Putins Gas: EU leitet Ende von Russlands wichtiger Einnahmequelle ein

So sehr ich diese Entscheidung begrüße, bleibt doch ein großer Zweifel am Umsetzungswillen, gerade in Deutschland. Waren da nicht zuletzt laute Stimmen aus der CDU zu hören - man denke nur an den Sigmaringer Abgeordneten Thomas Bareiß - die  eine  baldige Wiederaufnahme von NordStream 2 forderten? Und die Wirtschaftsministerin ist dem Gasverbrauch insgesamt nicht abgeneigt, wie könnten wir ihr hier vertrauen?

Spiegel hier  Von Benedikt Müller-Arnold und Gerald Traufetter  20.10.2025,

Europas schwieriger Abschied vom russischen Gas


2027 soll Schluss sein
Trotz des Ukrainekriegs kauft Europa weiter für viele Milliarden Euro Gas aus Russland. Nun stimmen die EU-Energieminister über ein Importverbot ab. Doch es gibt Streit über den Zeitplan – und eine mögliche Hintertür.


Für leidenschaftliche Unterstützer der Ukraine gleicht es einem Skandal: Auch mehr als drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs importieren viele EU-Staaten Erdgas und Erdöl aus Russland – und füllen damit indirekt die Kriegskasse Wladimir Putins.

Etwa 19 Prozent aller EU-Gaseinfuhren stammten voriges Jahr aus Russland, berichtet die EU-Kommission. Der Wert dieser Importe lag bei gut 15 Milliarden Euro. Und auch im ersten Quartal dieses Jahres kamen noch 14 Prozent der EU-Gaseinfuhren aus Russland.

Per Pipeline kommt russisches Gas in der Slowakei, Bulgarien und Ungarn an. Flüssigerdgas (LNG) landet beispielsweise in französischen oder spanischen Häfen an. Deutschland importiert direkt zwar kein Gas aus Russland mehr. Es ist aber davon auszugehen, dass russisches LNG über den Gasbinnenmarkt der EU auch in hiesige Leitungen und Speicher strömt.

Der Abschied von Gas aus Russland fällt Europa damit insgesamt schwerer als der von russischen Kohle- oder Öleinfuhren.

Ende aller Nord-Stream-Fantasien?
Nun allerdings kommt Bewegung in die Sache: Die EU-Energieminister sollen an diesem Montag bei ihrem Treffen in Luxemburg eine Verordnung beschließen, die Importe russischen Gases in die EU spätestens ab Ende 2027 verbietet. Für Deutschland reist Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) zum Energierat.

Bereits am Donnerstag hatten mehrere Ausschüsse des Europäischen Parlaments mehrheitlich dafür gestimmt, Energieimporte aus Russland in die EU zu verbieten. Es ist – über die Gegenwart hinausgeblickt – auch der Versuch, Diskussionen über eine Reparatur und Reaktivierung der beschädigten Nord-Stream-Pipelines von Russland nach Deutschland gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Energiekonzerne, die noch langfristige Lieferverträge mit russischen Exporteuren haben, sollen sich auf höhere Gewalt berufen können, sobald das geplante Verbot greift. So könnten sie gegenüber russischen Lieferanten argumentieren: Man habe als Importeur keinen Einfluss darauf, was EU-Instanzen beschließen.

Doch vertrauliche Korrespondenzen, die dem SPIEGEL vorliegen, zeigen: Der Weg zu einer Einigung war für EU-Beamte, Diplomaten und Abgeordnete bislang kompliziert. Selbst wenn die Energieminister an diesem Montag für das Importverbot stimmen, stehen allen Beteiligten danach intensive Verhandlungen bevor.

Fest steht: Die Zeit drängt. Es ist nicht zuletzt US-Präsident Donald Trump, der Europas Abkehr von russischen Energieimporten einfordert – mit dem Eigeninteresse, mehr LNG aus den USA exportieren zu können.

Dänemark prescht vor, Ungarn bremst
In Brüssel wollte man eigentlich schnell auf den Krieg in der Ukraine reagieren. Europa sollte Energie sparen, die Energiewende voranbringen und die eigene Gasversorgung diversifizieren. So lautete der Dreiklang des sogenannten »RePowerEU«-Plans, den die EU-Kommission bereits im Mai 2022 auf den Weg gebracht hatte. Doch es dauerte drei Jahre, bis die Behörde einen konkreten Plan für den endgültigen Ausstieg aus russischen Gaseinfuhren vorlegte.

Innerhalb Europas sind es vor allem die Dänen, die sich für einen schnellen Abschied starkmachen. Der skandinavische Staat hat noch bis Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft inne. Zudem stellt Dänemark mit Dan Jørgensen den Energiekommissar in Brüssel, der um klare Worte nicht verlegen ist.

Die EU müsse ihre Energieversorgung unabhängiger und sicherer machen und die Ukraine konsequent unterstützen, lautet Jørgensens Petitum: »Wir wollen kein einziges Molekül russischen Gases mehr importieren.« Moskau habe in der Vergangenheit mehrmals bewiesen, kein zuverlässiger Handelspartner zu sein, argumentieren Ratspräsidentschaft und Kommission unisono.

Doch ihr Fahrplan ist unter den Mitgliedstaaten umstritten. In vorbereitenden Sitzungen konnten sich die Diplomaten zunächst auf keinen Kompromisstext verständigen. Das geht aus vertraulichen Berichten hervor, die von der deutschen Botschaft bei der EU nach Berlin geschickt wurden. Sie liegen dem SPIEGEL vor.

Darin werden 19 Mitgliedstaaten aufgelistet, die den Kommissionstext unterstützen, darunter Deutschland, Polen, Finnland und Belgien. Einige dieser Länder wie etwa Schweden hätten sich »einen noch ambitionierteren Text gewünscht«, heißt es in einem der Dokumente. Es fehlten aber auch bevölkerungsreiche und politisch wichtige Länder, allen voran Frankreich, Spanien und Italien. Diese Länder forderten noch Nachbesserungen. Spanien etwa »zeigte sich zuversichtlich, dass hier Lösungen gefunden werden« könnten, so der Kabelbericht.

Anders verhält es sich bei Ungarn, dessen Präsident Viktor Orbán ein bekennender Unterstützer Russlands ist. Budapest stimme dem Text nicht zu, so die deutsche EU-Botschaft. Dennoch hofft man in Brüssel und Kopenhagen auf eine stabile Mehrheit beim EU-Energierat an diesem Montag. Auch die deutsche EU-Botschaft geht davon aus, dass mit weiteren Kompromissen eine ausreichende Mehrheit zustande kommt.

Sorge vor steigenden Preisen
Eine große Sorge der Kritiker lautet, dass Gas nach einem Verbot russischer Importe noch teurer werden könnte, zulasten der ohnehin gebeutelten Industrie in der EU. Die Kommission beschwichtigt: International stünden genügend andere Lieferanten zur Verfügung. Die Auswirkungen auf die Preise seien »begrenzt«. Zumal Europa künftig weniger Gas brauchen werde, wenn mehr Verbraucher zum Beispiel von Gasheizungen auf Wärmepumpen umsteigen. Absehbar ist dennoch, dass die EU nach einer Komplettabkehr von russischem Gas zunächst mehr LNG aus Staaten wie den USA und Katar importieren dürfte.

Skepsis rührt auch daher, dass die Kommission das Importverbot nicht in Form von Sanktionen anordnen will, sondern über eine handelsrechtliche Verordnung. Das hat einen praktischen Vorteil: Die Mitgliedstaaten müssen an diesem Montag keinen einstimmigen Beschluss fassen, wie es in Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Fall ist. Eine qualifizierte Mehrheit im Rat genügt.

Vertreter Frankreichs und Spaniens äußerten Bedenken, ob die langfristig gedachte Verordnung weiteren kurzfristig geplanten EU-Sanktionen gegen Russland teils widersprechen könnte. In diesem Fall könnte man schnell vor internationalen Schiedsgerichten landen, so die Sorge.

Obendrein sehen die Pläne vor, dass Gaseinfuhren in die EU künftig grundsätzlich im Vorfeld geprüft werden müssten. Allerdings sind weitreichende Ausnahmen für große Lieferstaaten wie Norwegen oder die USA vorgesehen. Praktisch sollen so etwa 92 Prozent aller nicht russischen Gaseinfuhren auch künftig keine Vorabfreigabe brauchen. Frankreich und Italien hatten dennoch kritisiert, dass diese Prüfungen zusätzlichen Aufwand mit sich brächten. Man könnte verbotene Einfuhren doch im Nachhinein sanktionieren, lautete der Gegenvorschlag aus Paris.

Die Hintertür der bedrohten Energieversorgung
Insgesamt fällt auf, dass die großen Importeure russischen Gases offensichtlich die größten Bedenken angemeldet haben. So forderte auch die Slowakei spezielle Übergangsregelungen. Bulgarien warnte vor den wirtschaftlichen Folgen des Einfuhrverbots für Gasnetzbetreiber.

Die Bundesregierung hingegen hat sich immer wieder positiv zum Importverbot geäußert. In einer Antwort auf eine schriftliche Frage der Grünenfraktion, die dem SPIEGEL vorliegt, erklärt sie nun klar, dass man »den Vorschlag der EU-Kommission unterstützt«. Das bringt Schwarz-Rot sogar Lob aus der grünen Opposition ein: »Es freut mich, dass die Bundesregierung hier so klar ist«, sagt Michael Kellner, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Kellner war während der Ampelregierung Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und ist eigentlich ein scharfer Kritiker der neuen Ministerin Reiche.

»Besorgniserregend« nennt er allerdings die mangelnde Geschlossenheit der EU-Mitgliedstaaten. »Die Bundesregierung ist hier gefordert, alles dafür zu tun, dass die EU zusammenbleibt«, sagt Kellner.

Tatsächlich wollen sich die Mitgliedstaaten in den Details ein Hintertürchen offenhalten. Sollte die Energieversorgung in einem oder mehreren EU-Ländern plötzlich und signifikant bedroht sein, soll die Kommission die geplante Verordnung für einen bestimmten Zeitraum aussetzen dürfen.

Wenn die EU-Energieminister an diesem Montag das Verbot mehrheitlich beschließen, beginnen anschließend sogenannte Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament. Umstritten wird dann unter anderem der Zeitplan sein. Die Kommission drängt darauf, den Ausstieg aus russischen LNG-Importen um ein Jahr auf den Jahreswechsel 2026/2027 vorzuziehen. Das Parlament will zum Jahresstart 2027 gar sämtliche Gas- und Ölimporte aus Russland unterbinden, nicht nur LNG.

Zudem lehnen die Abgeordneten mehrheitlich ab, dass die Kommission das Verbot aussetzen darf, wenn die Energieversorgung eines Mitgliedstaats gefährdet ist. Eine solche Klausel würde das Verbot erheblich schwächen, so die Sorge.

Dänemark will den Abschied vom russischen Gas unbedingt noch während der eigenen Ratspräsidentschaft unter Dach und Fach bringen, also bis Ende dieses Jahres. Rat, Kommission und Parlament wollen die Trilog-Verhandlungen bald aufnehmen. Als möglicher letzter Verhandlungstag gilt in Brüssel der 9. Dezember. 


Focus hier FOCUS-online-Redaktion , afp Montag, 20.10.2025

EU sagt russischem Gas den Kampf an: Mehrheit will bis 2027 unabhängig sein

Energiepolitik im Wandel
Acht EU-Länder beziehen noch direkt oder indirekt russisches Gas

Die EU-Energieminister haben sich für ein Gesetz ausgesprochen, das den schrittweisen Ausstieg aus russischen Gaslieferungen bis Ende 2027 vorsieht. Während die Mehrheit der Staaten zustimmte, wurden Ungarn und die Slowakei überstimmt.
Eine Mehrheit der EU-Länder hat sich für ein Ende russischer Gaslieferungen bis Ende 2027 ausgesprochen. Die EU-Energieministerinnen und -minister stimmten am Montag in Luxemburg für ein Gesetz, das einen schrittweisen Ausstieg vorsieht. Die Slowakei und Ungarn, die noch große Mengen Gas aus Russland beziehen, wurden überstimmt. 

Schrittweiser Ausstieg aus russischem Gas
Russisches Pipeline-Gas und Flüssiggas (LNG) machten nach Kommissionsangaben im vergangenen Jahr rund 19 Prozent der Gasimporte der 27 EU-Staaten aus. Rund ein Drittel davon bezogen europäische Abnehmer demnach aus kurzfristigen Verträgen, die einfacher kündbar sind. Diese Lieferungen sollen dem Gesetzentwurf zufolge spätestens zum 17. Juni kommenden Jahres enden.

Ausgenommen sind bis Ende 2027 an langfristige Verträge gekoppelte Lieferungen über Pipelines an Länder, die keinen Zugang zu Wasser und Häfen haben. Für diese Staaten ist es schwieriger, russisches Pipeline-Gas durch per Schiff geliefertes LNG zu ersetzen. Insbesondere Ungarn und die Slowakei könnten damit in den kommenden zwei Jahren weiter große Mengen Gas aus Russland importieren. 

Verhandlungen mit Europaparlament stehen bevor
Das Gesetz sieht eine Notfallklausel vor. Sollte "plötzlich" die "Energieversorgung eines oder mehrerer Mitgliedstaaten ernsthaft gefährdet" sein, kann die EU-Kommission das Importverbot kurzfristig aussetzen.

Die EU-Staaten müssen nun mit dem Europaparlament über den Gesetzentwurf beraten. "Ich hoffe, dass wir dieses Paket bis Neujahr beschließen können", sagte der dänische Energieminister Lars Aagaard.


Merkur hier  
Artikel von Bona Hyun

Aus für Putins Gas: EU leitet Ende von Russlands wichtiger Einnahmequelle ein

Aus für Putins Gas: EU leitet Ende von Russlands wichtiger Einnahmequelle ein
Die EU will sich von Putins Gas lösen und dafür russische Gasimporte verbieten. Nun scheint der Weg geebnet, um entscheidende Schritte umzusetzen.

 Die EU hat genug von Russlands Gas: Eine Mehrheit der Länder hat sich für ein Ende russischer Gaslieferungen bis Ende 2027 ausgesprochen. Die EU-Energieministerinnen und -minister stimmten am Montag in Luxemburg für ein Gesetz, das einen schrittweisen Ausstieg vorsieht. Die Slowakei und Ungarn, die noch große Mengen Gas aus Russland beziehen, wurden überstimmt.

EU will Lieferverbot von Putins Gas einleiten – Mehrheit stimmt dafür
Russisches Pipeline-Gas und Flüssiggas (LNG) machten nach Kommissionsangaben im vergangenen Jahr rund 19 Prozent der Gasimporte der 27 EU-Staaten aus. Rund ein Drittel davon bezogen europäische Abnehmer demnach aus kurzfristigen Verträgen, die einfacher kündbar sind. Diese Lieferungen sollen dem Gesetzentwurf zufolge spätestens zum 17. Juni kommenden Jahres enden.

Ausgenommen sind bis Ende 2027 an langfristige Verträge gekoppelte Lieferungen über Pipelines an Länder, die keinen Zugang zu Wasser und Häfen haben. Für diese Staaten ist es schwieriger, russisches Pipeline-Gas durch per Schiff geliefertes LNG zu ersetzen. Insbesondere Ungarn und die Slowakei könnten damit in den kommenden zwei Jahren weiter große Mengen Gas aus Russland importieren.

Das Gesetz sieht eine Notfallklausel vor. Sollte „plötzlich“ die „Energieversorgung eines oder mehrerer Mitgliedstaaten ernsthaft gefährdet“ sein, kann die EU-Kommission das Importverbot kurzfristig aussetzen.

Kampf gegen Putins Gas: EU arbeitet weiter an Unabhängigkeit
Eine große Sorge der Kritiker sind die steigenden Gaspreise im Zuge eines Importverbots. Die EU-Kommission hat jedoch bereits mitgeteilt, dass es lediglich begrenzte Auswirkungen auf die Preise geben wird. Ein komplettes Einuhrverbot russischen Gases gab es bislang nicht, die EU hatte nur die Umladungen russischen LNG innerhalb Europas eingeschränkt.

Die größten Gaslieferanten der EU sind derzeit Norwegen und die USA. Seit dem Ukraine-Krieg hat die EU Wege eingeleitet, um sich von Russlands Gas unabhängig zu machen. Es wurden Alternativquellen herangezogen, um die Energiesicherheit in den Mitgliedsländern zu gewährleisten. So hatte beispielsweise Österreich Verträge mit dem russischen Staatskonzern Gazprom gekündigt und bezieht vermehrt Gas aus Deutschland und Italien. Deutschland bezieht seit 2022 kein russisches Pipeline-Gas mehr, (AFP, Spiegel (bohy))

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