Freitag, 17. Oktober 2025

Zivilgesellschaft unter Beobachtung

 Zeit hier  16. Oktober 2025,Quelle: DIE ZEIT, AFP, mga

Bundesinnenministerium: Verfassungsschutz überprüft Hunderte Nichtregierungsorganisationen

Auf Anfrage überprüft der Verfassungsschutz staatlich geförderte Organisationen und Personen. Die Linke spricht von einem "Regime der geheimdienstlichen Ausspähung".

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in den vergangenen vier Jahren im Auftrag der Bundesregierung mehr als 2.500 Nichtregierungsorganisationen und Einzelpersonen überprüft, die öffentliche Fördermittel beantragt haben. 


Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorlag. Demnach wurden in den Jahren 2020 bis 2024 insgesamt 1.250 NGOs und 1.296 Einzelpersonen nach dem sogenannten Haber-Verfahren überprüft.

Das Verfahren sieht vor, dass Bundesministerien und -behörden Anfragen an den Verfassungsschutz richten können. Dieser überprüft dann, ob "verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse" über Personen oder Organisationen vorliegen, die Fördergelder beantragt haben. Einen konkreten Verdacht braucht es dafür nicht. Die Personen oder Organisationen werden nicht darüber informiert, dass sie vom Geheimdienst überprüft wurden.

Laut dem Bundesinnenministerium meldete der Verfassungsschutz in 210 Fällen entsprechende Erkenntnisse. In diesen Fällen empfiehlt das Ministerium, eine Förderung abzulehnen.

Zahl der Überprüfungen nimmt zu
Das Haber-Verfahren gibt es in Grundzügen seit 2004. Wie viele Abfragen es seitdem insgesamt gab, ist nicht bekannt. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage im Jahr 2018 ging jedoch hervor, dass zwischen 2004 und 2018 rund 50 Antragssteller aus dem Förderprogramm "Demokratie Leben" überprüft wurden.

In den Jahren 2018 und 2019 wurden nach Angaben der Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine weitere parlamentarische Anfrage insgesamt rund 330 Verfassungsschutzüberprüfungen für mehrere Ministerien und Behörden durchgeführt. Schon 2019 kritisierte der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber das Vorgehen und forderte eine klare Rechtsgrundlage.

Im laufenden Jahr dürfte die Zahl der Überprüfungen noch deutlicher ansteigen. So teilte Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) im August mit, sie habe eine "breit angelegte Verfassungsschutzprüfung" für Tausende von ihrem Ministerium geförderte Demokratieförderprojekte eingeleitet.

Linkenpolitikerin kritisiert "Verdachtskultur" gegen Zivilgesellschaft
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Clara Bünger, kritisierte die Zunahme solcher Überprüfungen. Das Bundesinnenministerium und der Verfassungsschutz hätten in den vergangenen Jahren hinsichtlich der Zivilgesellschaft "eine Verdachtskultur und ein Regime der geheimdienstlichen Ausspähung etabliert", sagte sie dem RND. Es sei bekannt, dass die Union unter Bundeskanzler Friedrich Merz "Initiativen, die sich gegen den Rechtsruck, für die Rechte von Geflüchteten und queeren Menschen einsetzen, misstrauisch bis feindlich gegenübersteht".

Die Anfrage mache deutlich, dass das Problem weiterreiche als bisher angenommen, sagte Bünger. "Auch die Vorgängerregierungen begegneten der Zivilgesellschaft demnach bereits mit großem Misstrauen." 

Proteste sorgten für Kritik vonseiten der Union
Anfang des Jahres hatten CDU und CSU im Bundestag gemeinsam mit der AfD für eine Änderung der Migrationspolitik votiert. Der Vorgang löste große Proteste gegen die Union und den damaligen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz aus, zu denen auch viele NGOs aufriefen. Die Union kritisierte eine vermeintliche "Stimmungsmache" gemeinnütziger Vereine gegen Merz und stellte eine Anfrage über die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen, die 551 Fragen zu Organisationen wie Omas gegen Rechts, BUND und dem Recherchenetzwerk Correctiv beinhaltete.

An der Anfrage gab es viel Kritik, die damalige Bundesregierung wies den Vorwurf angeblicher "Schattenstrukturen" zurück. Teile von CDU und CSU sprachen sich dennoch für eine deutliche Einschränkung staatlicher Förderung für NGOs aus sowie für die stärkere Überprüfung geförderter Personen und Organisationen.


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Johannes Wagner LinkedIn

Was für ein wichtiger Artikel!
Die Diffamierung von Zivilgesellschaft durch die Union und die AfD muss aufhören!

Die AfD aber ganz genau auf die Union werfen Organisationen, Verbänden und Vereinen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen immer wieder vor, dass die Links sein und das nur sie staatliche Unterstützung bekämen.

Unabhängig davon, dass ich es absurd finde, dass Organisationen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen als „links“ bezeichnet werden deckt dieser Artikel schön auf, wie breit der Staat die Zivilgesellschaft fördert und es darunter auch Organisationen, Verbände und Vereine sind, die sich ganz sicher nicht „dem linken Lager“ zugerechnet werden können.

Danke DIE ZEIT


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