Montag, 13. Oktober 2025

„Die Ham­bur­ge­r*in­nen haben ein Zeichen gesetzt, das weit über die Stadtgrenzen hinausgeht“: Klimaschutz ist nicht unpopulär

Wow, es ist sensationell. Vielleicht spielte ja auch das Bewusstsein des steigenden Meeresspiegels eine Rolle, welcher Hamburg als Hafenstadt hart treffen wird.

Dass die CDU mit ihren Lobby-Kampagnen gegen die Zukunftsfähigkeit der eigenen Stadt arbeitet verwundert schon gar nicht mehr - leider. Aber die SPD? 

Endgültig gewonnen ist noch nichts - mit Sicherheit werden noch viele Versuche zur Aushebelung und Verwässerung  des Entscheides folgen, man kennt das inzwischen zur Genüge...


Michael Joukov LinkedIn

Hamburg stimmt mehrheitlich für den #Zukunftsentscheid! Recht so

Danke an #FFF  und allen Organisatore*innen für die unermüdliche Arbeit.

Und ja, #NIEDERLAGE für #Fossil-Lobby + SPD (warb leider auch für NEIN).


TAZ hier  12.10.2025 Gernot Knödler 

Erfolgreicher Volksentscheid in Hamburg

Die Hamburger haben am Sonntag entschieden, mit dem Klimaschutz früher Ernst zu machen. Einen Modellversuch zum Grundeinkommen lehnten sie dagegen ab.

Die Hamburger Bevölkerung hat sich am Sonntag für einen ambitionierteren Kurs beim Klimaschutz ausgesprochen. 53 Prozent der abgegebenen Stimmen lauteten auf Ja für den sogenannten „Zukunftsentscheid, 47 Prozent auf Nein – bei einer Abstimmungsbeteiligung von knapp 44 Prozent.

Bei der parallel stattfindenden Volksabstimmung für den Test eines bedingungslosen Grundeinkommens mussten die Initiatoren eine Niederlage einstecken: 62,5 Prozent der Stimmen lauteten auf Nein, 37,5 Prozent auf Ja.

Beim Zukunftsentscheid ging es um eine Verschärfung des geltenden Hamburger Klimaschutzgesetzes. Der Gesetzentwurf der Volksinitiative sieht vor, das Zieldatum für Klimaneutralität um fünf Jahre vorzuziehen – von 2045 auf 2040.

Verbindliche Zwischenziele
Darüber hinaus soll ein linearer Reduktionspfad für CO2 mit jährlichen Zwischenzielen festgelegt werden. Diese werden überprüft, bei Nichteinhaltung muss der Senat handeln. Über- oder Untererfüllungen von Zwischenzielen können über fünf Jahre verrechnet werden. Im bestehenden Gesetz ist nur ein Zwischenziel – minus 70 Prozent CO2-Ausstoß bis 2030 – festgelegt.

Der Gesetzentwurf der Initiative sieht überdies vor, den Klimaschutz verpflichtend sozialverträglich zu gestalten. Im heutigen Gesetz ist nur vom Prinzip der Sozialverträglichkeit die Rede.

Gegen die Verschärfung des Klimaschutzgesetzes hatte im Vorfeld neben CDU und SPD eine ganze Riege von Verbänden argumentiert – allen voran die Wohnungswirtschaft, die vor schneller steigenden und höheren Mieten warnte, während der Mieterverein zu Hamburg das als Panikmache bewertete. Industrievertreter warnten vor einer Überforderung – obwohl sich die Unternehmen via Handelskammer selbst das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 gesetzt hatten.

Hamburg ist ab jetzt das einzige Bundesland, dessen Menschen sich ihr Klimaschutzgesetz selbst gegeben haben“, kommentierten die Initiatoren des Zukunftsentscheids ihren Erfolg. „Weil sie sich entschieden haben, nicht länger untätig zusehen zu wollen, sondern die notwendigen Maßnahmen anzugehen.“ Jetzt werde Hamburgs Klimapolitik sozial, planbar und verantwortungsbewusst.

SPD warnt vor „erheblichen Anstregungen“
Die SPD-Landesvorsitzenden Melanie Leonhard und Nils Weiland versicherten, sie respektierten das Ergebnis des Volksentscheides, warnten aber, „dass damit erhebliche Anstrengungen auf Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die Stadt zukommen werden“. Bei der Umsetzung müssten offene Fragen geklärt werden, „insbesondere, was unter einer sozialverträglichen Umsetzung zu verstehen ist“.

Rosa Domm vom Koalitionspartner, den Grünen, wollte mehr Chancen als Risiken im Ausgang des Zukunftsentscheids erkennen. „Die Ham­bur­ge­r*in­nen haben heute ein Zeichen gesetzt, das weit über die Stadtgrenzen hinausgeht“, kommentierte die Fachsprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. „In Zeiten, in denen Klimaschutz in vielen Teilen der Welt infrage gestellt wird, hat Hamburg gezeigt: Diese Stadt lässt nicht locker – sie will vorangehen.“

CDU-Fraktionschef Dennis Thering sprach demgegenüber von einem bitteren Tag für Hamburg. Drastisch steigende Mieten, Jobverluste, Fahr- und Heizungsverbote würden die Folge sein. Die oppositionelle CDU habe frühzeitig davor gewarnt und versucht, die regierende SPD zu einem „gemeinsamen Kraftakt gegen diesen gefährlichen Vorschlag zu bewegen“. Doch das Angebot sei viel zu lang unbeantwortet geblieben. „Insbesondere Bürgermeister Peter Tschentscher und die SPD haben diesen Volksentscheid vollkommen unterschätzt.“

Wirtschaft besorgt, aber „konstruktiv“
Andreas Breitner, Direktor des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen, der vor allem Genossenschaften und kommunale Unternehmen vertritt, zeigte sich enttäuscht vom Ergebnis des Zukunftsentscheids: „Ich habe Sorge, dass sich der Erfolg der Initiatoren als Scheinsieg herausstellen wird.“ Die im Verband organisierten Unternehmen würden jetzt prüfen und gegebenenfalls ihre Planungen überarbeiten.

Das Vorziehen von Klimaneutralität werde vor allem für Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen eine große finanzielle Belastung werden, warnte der VNW-Direktor. Zu glauben, dass die Stadt die immensen Mehrbelastungen einfach „Wegfördern“ könne oder dass am Ende die Vermieter diese allein tragen würden, sei ein Irrglaube.

Handelskammer-Präses Norbert Aust versicherte, die Wirtschaft werde sich konstruktiv einbringen. Mit verschiedenen Initiativen zeige sie „bereits heute, wie ambitionierter, marktwirtschaftlich getragener Klimaschutz funktionieren kann“. Die nun beschlossenen starren Vorgaben, bürokratischen Gremien und jährlich drohenden Sofortprogramme außerhalb parlamentarischer Kontrolle seien aber der falsche Weg.

Nur ein Drittel für das Grundeinkommen.....


Heinrich Strößenreuther  LinkedIn

Herzlichen Glückwunsch Hamburg !

53% für das Klimagesetz vom Hamburger Zukunftsentscheid ! Vollständig ausgezählt. Well done.



Tim Meyer  LinkedIn


Großartig: die Hamburger Bevölkerung hat den Zukunftsentscheid offenbar angenommen. Für ambitioniertere und sozial gerechte Modernisierung und Klimaschutz. 

Neues Ziel: Klimaneutralität 2040 und ein klarer Management-Rahmen. Diesen auszufüllen ist eine anspruchsvolle Aufgabe für die Politik. Die Zeit für einfache (nicht)-Lösungen ist vorbei. Gut so. 

Ein so tolles, wichtiges und hoffnungsvolles Zeichen! Danke Hamburg! 

Die Botschaft auch nach Berlin und an die Bundespolitik: die Bevölkerung will mehr Ambition, nicht weniger. Traut Euch endlich!


TAZ hier  Kommentar von  Jan Kahlcke  13.10.2025

Klimaschutz in Hamburg jetzt ernsthaft: Wie die SPD die Zukunft vergeigte

Wirtschaft, SPD und CDU in Hamburg jammern über das vom Volk beschlossene scharfe Klimaschutzgesetz. Dabei hätte es nicht so weit kommen müssen.

Hamburg ist am Montagmorgen unversehens in der Zukunft aufgewacht. Unverbindliche, schöne Worte zum Klimaschutz sind Schnee von gestern. Ab jetzt wird nachgerechnet, nachgesteuert und, ja, auch mal was verboten – so lange, bis der Kurs in Richtung Klimaneutralität stimmt. So hat es das Volk am Sonntag mit dem „Zukunftsentscheid“ beschlossen. 53 Prozent der abgegebenen Stimmen lauteten auf Ja – bei einer Abstimmungsbeteiligung von knapp 44 Prozent. In einem Monat wird der „Zukunftsentscheid“ Gesetz.

Wie konnte es so weit kommen? Wie kann eine Initiative ein Gesetz dieser Tragweite durchbringen, gegen eine übergroße Mehrheit im Parlament, gegen die geballte Kampagnenkraft der Unternehmen? Vor allem die regierende SPD muss sich vorwerfen lassen, dass sie das Thema gewaltig unterschätzt hat. Und das ist einigermaßen unerklärlich.

Der Unterschied zu Berlin

Vielleicht haben die Ge­nos­s:in­nen sich darauf verlassen, dass der Entscheid für schärfere Klimaziele das nötige Quorum von einem Fünftel der Wahlberechtigten verfehlen würde, wie 2023 in Berlin. Schließlich hat der Klimaschutz seitdem nicht unbedingt an Sympathien gewonnen.

Allerdings war das Ziel in Berlin auch, bis 2030 klimaneutral zu werden, also von damals gesehen innerhalb von sieben Jahren. Und das mag auch manch überzeugtem Klimaschützer derart utopisch erschienen sein, dass er sich dafür nicht an die Urne bequemt hat.

Auch der Blick in die Vergangenheit hätte Hamburgs SPD alarmieren müssen: Seit der Einführung hat der Hamburger Senat sechs von acht Volksabstimmungen verloren. Die Ham­bur­ge­r:in­nen lieben es, ihrer Regierung den Marsch zu blasen.

Außerdem fanden jetzt in Hamburg – anders als vor zwei Jahren in Berlin – zwei Volksentscheide gleichzeitig statt. Jener zum Grundeinkommen appellierte zum Teil an ähnliche Milieus wie der Zukunftsentscheid. Wahrscheinlich haben sie einander bei der Mobilisierung geholfen.

Finanzsenator wird zum Running Gag

Und auf der Gegenseite? Hamburgs rot-grüner Senat war uneinig und hatte sich darauf verständigt, sich in der Kampagne nicht zu exponieren. Als erster hat es Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) nicht mehr ausgehalten und in den letzten Wochen vor der Abstimmung praktisch täglich vor der verheerenden Folgen des Zukunftsentscheids gewarnt, auch und gerade für sein Ressort. Dass er dabei immer betonte, eben nicht als Senator zu sprechen, sondern als einfacher Bürger, hat seiner Glaubwürdigkeit nicht aufgeholfen. Die Rede vom „Bürger Dressel“ ist in den vergangenen Wochen zu einer Art Running Gag in der Stadt geworden.

Am Ende waren es sechs SPD-Senator:innen, die umschichtig die Gegenkampagne befeuerten – aber viel zu spät. Als die letzten von ihnen aufsprangen, waren schon über 100.000 Briefwahlstimmen im Kasten. Und ein, zwei Wochen sind auch für die kampferprobte SPD wenig Zeit, um ein paar zigtausend Gegenstimmen zu mobilisieren.

In diesem Fall haben 35.000 gefehlt – sportlich, aber nicht unmöglich. Aber nur, wenn die Führung die Parteibasis auf ihrer Seite wüsste. Und das war bei diesem Thema nicht gewiss. Wobei ja lange auch gar nicht deutlich wurde, was die Führung wollte.

SPD bremst, Grüne dürfen nicht unterstützen

Die große Leerstelle war der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der sonst gern robust seinen Führungsanspruch erhebt. Beim Zukunftsentscheid ist er derart abgetaucht, dass man sich aus seinen übrigen Grundüberzeugungen zusammenreimen musste, was er wohl davon halten mag.

Seine grüne Stellvertreterin Katharina Fegebank, inzwischen Umweltsenatorin, hingegen hatte zuletzt im taz Salon keinen Hehl daraus gemacht, dass allein die Koalitionsräson sie daran hinderte, den Zukunftsentscheid zu unterstützen – wie es viele Parteifreunde und Abgeordnete auch taten. Sie vergoss reichlich Krokodilstränen in Richtung der Initiative und betonte ein ums andere Mal, wie sehr sie bedaure, sich nicht mit ihr geeinigt zu haben.

Deren Vertreterin Lou Töllner konterte eiskalt mit Geplauder aus dem Nähkästchen: Die Koalition habe ein „völlig unzureichendes“ Angebot erst wenige Tage vor Ablauf der Anmeldefrist zum Volksentscheid auf den Tisch gelegt – und eine Einigung damit schon rein zeitlich verunmöglicht.

Man darf davon ausgehen, dass das nicht auf die Kappe der Grünen geht, sondern die SPD der Bremser war – auch das schon ein strategischer Fehler, wie sich nun gezeigt hat. Dabei wäre es sicher möglich gewesen, die Spitzen aus dem Gesetzentwurf herauszuverhandeln, wie es Rot-Grün in den vergangenen Jahren oft erfolgreich getan hat. Denn am Ende ist so einer von viel ehrenamtlichem Kraftaufwand getragenen Volksinitiative häufig der Spatz in der Hand lieber als die Fotovoltaikanlage auf dem Dach.

In Schleswig-Holstein ist selbst die CDU weiter

Die SPD hätte den Grünen natürlich auch einfach schon im Koalitionsvertrag einen Schritt weiter entgegenkommen können: Null-Emissionen bis 2040, so wie es im benachbarten Schleswig-Holstein sogar die CDU mit den Grünen beschlossen hat. Und wie es auch die über den Volksentscheid laut jammernde Handelskammer längst anstrebt. Damit hätte man der Volksinitiative die Punchline geklaut. Diese ganzen angeblich furchtbar bürokratischen Detailbestimmungen über Monitoring und Zwangsmaßnahmen wären sicher nicht so sexy gewesen wie der Claim „wir machen’s fünf Jahre schneller“. Vielleicht wäre es nie zum Volksentscheid gekommen.

Aber dazu müssten Hamburgs Sozialdemokraten gönnen können – und das ist ihre Stärke nun mal nicht.

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