Mittwoch, 8. März 2023

Friedrichshafen: Stadtwerk finanziert Gaslobby mit

Südkurier hier

06.03.2023  |  VON SABINE WIENRICH SABINE.WIENRICH@SUEDKURIER.DE

PR-Kampagnen, Lobbyarbeit in Berlin – die deutsche Gasindustrie steckt laut der Transparenz-Initiative Lobbycontrol etwa 10 Millionen Euro jährlich in ihren Verein Zukunft Gas. Ein Teil der Lobby-Arbeit wird von 63 Stadtwerken aus ganz Deutschland bezahlt, die Mitglied in dem Verein sind. 

Wie eine Recherche-Kooperation von Correctiv Lokal und SÜDKURIER ergibt, ist auch das Stadtwerk am See dabei, das in der Bodenseeregion rund 30.000 Haushalte und Unternehmen mit Erdgas versorgt. Wie viel Geld fließt in den Lobbyverein in Berlin und was erhofft sich das Stadtwerk davon? 

 Tatsächlich zeigen sich die Stadtwerke, die alle von Correctiv Lokal kontaktiert wurden, zu ihrer Mitgliedschaft bei Zukunft Gas zugeknöpft. Mit welchen Beiträgen sie den größten Lobbyverband der Gasindustrie unterstützen, will keiner der regionalen Gasversorger offenlegen. Auch Stadtwerk-am-See-Sprecher Sebastian Dix nennt auf SÜDKURIER-Nachfrage keinen genauen Betrag, sondern verweist auf eine „mittlere vierstellige Summe“, die jährlich nach Berlin überwiesen wird.

Kritik von Umweltverbänden

.... Finanziert wird Zukunft Gas in erster Linie von den großen Gasfirmen, die ein Interesse daran haben dürften, dem Erdgas ein gutes Image zu verpassen. Laut Lobby-Register flossen 2021 bei Zukunft Gas rund 420.000 Euro in die Lobbyarbeit im Bundestag.

Dennoch sehen Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe die Mitgliedschaften der Stadtwerke kritisch. „Diese PR-Plattform wurde von den großen Gasunternehmen gegründet, sogar Gazprom zahlte an den Verband“, erklärt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe dem SÜDKURIER, „die Mitgliedschaft der vielen Stadtwerke ist gut fürs Image von Zukunft Gas, auch wenn ihre Beiträge eher gering sind. Eigentlich werden die Stadtwerke nur von den großen Unternehmen instrumentalisiert.“ .....

Für das Stadtwerk am See ist die Mitgliedschaft offenbar nur eine von vielen. „Wir sind als mittelständisches Unternehmen angewiesen auf gute Netzwerke“, erklärt Dix und verweist auf Mitgliedschaften in den wichtigsten Branchenverbänden. ....

Doch was verspricht Zukunft Gas den Mitgliedern? „Wir tun als Branche alles dafür, dass wir 2045 kein Erdgas mehr für Heizungen brauchen, sondern mit Wasserstoff heizen können“, erklärt Sprecher Charlie Grüneberg. ......

Müller-Kraenner sieht diese Aussagen kritisch: „Zukunft Gas verspricht zwar, Erdgas auf Wasserstoff umzustellen, aber das ist eine reine PR-Behauptung, die durch nichts belegbar ist.“ Wer jetzt versäume, in erneuerbare Energien und Fernwärme zu investieren, werde 2045 feststellen, dass es den Wasserstoff, der versprochen wurde, in dieser Form nicht gebe. Die Klimaziele könnten so nicht erreicht werden. Zum selben Schluss kommt der Verein Lobbycontrol, der nach eigenen Angaben „über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklärt“.

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Kooperation

Diese Recherche ist Teil einer Kooperation des SÜDKURIER mit Correctiv Lokal, einem Netzwerk für Lokaljournalismus, das datengetriebene und investigative Recherchen gemeinsam mit Lokalredaktionen umsetzt. Correctiv Lokal ist Teil des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv, das sich durch Spenden finanziert. Internet: correctiv.org/klima 

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