Standard hier 9. Oktober 2022
GEPRESST UND GETROCKNET
Der Baustoff lässt sich energiesparender herstellen und besteht zu 63 Prozent aus Müll. Ein erster Einsatz erfolgt beim Bau eines Museums im belgischen Gent
Abfall als Baumaterial ist keine neue Idee. Sowohl mit Plastikmüll als auch mit Resten aus der Land- und Forstwirtschaft wird gearbeitet und experimentiert. Ein Team aus Belgien und England hat dieser Baustoffquelle nun aber zusätzliche Nachhaltigkeit verliehen: Seine Ziegelsteine bestehen zu 63 Prozent aus regionalem Müll. Die Ziegel sollen beim Bau eines neuen Gebäudes des Design Museums im belgischen Gent eingesetzt werden.
Begonnen habe das Projekt vor rund eineinhalb Jahren, erläuterte die Museumssprecherin Bie Luyssaert. Der kalkbasierte Fassadenziegel sei speziell entwickelt worden, um die CO2-Emissionen beim Bau des neuen Museumsgebäudes zu reduzieren. Für die Herstellung habe man Abfälle wie zerkleinerten Beton, Weißglas und Kalk aus der Region gesammelt und in einer Produktionsstätte in Gent in die gewünschte Form und Größe gepresst, hieß es in der Mitteilung des Museums. Das Prinzip lasse sich wegen des einfachen Produktionsverfahrens leicht auf andere urbane Umgebungen übertragen.
Gepresster Kohlstoffspeicher
Der Ziegel werde nicht wie üblich in einem Ofen gebrannt, sondern gepresst und anschließend an der frischen Luft getrocknet, erklärte die Museumssprecherin weiter. Somit sei keine zusätzliche Hitze nötig und die Herstellung des Baumaterials dadurch besonders umweltfreundlich. Durch das spezielle Herstellungsverfahren und den recycelten Abfall werde im Vergleich zu herkömmlichen Ziegeln nur ein Drittel des CO2 verursacht.
Seine Stärke erhalte der Ziegel durch sogenannte Karbonisierung. Der Kalk in den Ziegelsteinen binde beim Aushärten CO2 aus der Atmosphäre und speichere auf diese Weise Kohlenstoff, erklärte Luyssaert. Der gebundene Kohlenstoff sorge für Festigkeit und Widerstandsfähigkeit und mache die Ziegel so für den Außenbereich einsatzbereit.
Die herkömmliche Produktion von Ziegeln habe durch die hohen Temperaturen zwischen 800 und 1.000 Grad im Brennprozess einen hohen Energieverbrauch, erklärte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe. Deswegen könne man mit einem optimierten Brennverfahren, etwa mit grüner Energie, Ziegel nachhaltiger machen.
Weniger belastbar
Auch die Beimischung von Recyclingmaterial sei eine Option, den Verbrauch der Ressourcen zu reduzieren. Wegen des Trocknens an frischer Luft statt im Ofen vermutet der Experte eine geringere Belastbarkeit der Ziegel und damit eventuelle Risiken in der Statik von Gebäuden. "Allerdings könnte ein Einsatz von Verkleidungen, also nicht statischen Elementen, möglich sein", erklärte der Experte.
Ken De Cooman, der an dem Forschungsprojekt beteiligt war, sieht den Abfallziegel zukünftig auch in anderen Bauvorhaben. Denn der Ziegel trage dazu bei, den Bau von Gebäuden zu dekarbonisieren – also den Ausstoß von Kohlenstoff zu reduzieren – und die Verwendung lokaler Abfallströme und abgebauter Ressourcen zu bevorzugen, erläuterte der Forscher. "Wir werden allein schon aufgrund der Ressourcenschonung zukünftig immer mehr in Kreisläufen denken und planen müssen und soweit wie möglich vorhandene Materialien weiternutzen müssen", erklärte auch Pakleppa.
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