Mittwoch, 26. Oktober 2022

Das Mantra vom ewigen Wachstum

Frankfurter Rundschau hier   25.10.2022 Von: Günther Moewes

Der Zwang der Industrieländer zur ständigen Neuerfindung vermeidbarer Arbeit ist die eigentliche Ursache der Klimakatastrophe. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.

Die Klimakatastrophe unterliegt sowohl einem physikalischen Zwang zur Selbstbeschleunigung, als auch einem politisch-ökonomischen

Die Folgen von beiden sind wiederum Quelle neuer Verstärkung: Waldbrände und das Auftauen der Permafrostböden erhöhen das ohnehin schon zu viel zu CO2. Das Abschmelzen von Polareis und Gletschern vermindert die Reflektion des Sonnenlichts und erhöht ständig Süßwassermangel, Dürren, Versteppung, Wüstenbildung. Die wiederum erzeugen noch mehr Waldbrände, Bodenerosion und Missernten. Und so fort. Sie legen den Jetstream lahm und ersetzen so den bisherigen Wetterwechsel durch Dürren und Überflutungen. Der Kipppunkt ist längst überschritten.

Zum Anderen die politisch-ökonomische Selbstbeschleunigung. Deren Mantra lautet: Wohlstand kann nur entstehen, wenn wir jedes Jahr mehr produzieren als im Vorjahr. Das geht nur durch ständiges Wachstum und Maschinisierung. Da die Maschinen aber immer mehr Menschenarbeit übernehmen, müssen wir ständig neue Arbeit hinzu erfinden, um unseren Lebensunterhalt zu rechtfertigen.
Auch das ist ein System der Selbstbeschleunigung. Dadurch hat die Industrialisierung in 150 Jahren die fossilen Brennstoffe verpulvert, die die Erde in Jahrmillionen aufgebaut hat.

Dieser Zwang der Industrieländer zur ständigen Neuerfindung vermeidbarer Arbeit ist die eigentliche Ursache der Klimakatastrophe. Anstatt die Krise durch Entschleunigung und gerechte nationale und globale Verteilung des monströsen Superreichtums zu überwinden, suchen wir die Lösung in „alternativen“ technischen Systemen, um neue Arbeit zu schaffen. Und mogeln dabei unter anderem bei der Berechnung der Herstellungsenergien.

Beim Elektroauto unterschlagen wir die notwendigen Transporte, Schiffe, Gebäude, Energien und Fahrten zu Arbeitsstätten bei der Lithiumgewinnung in Chile. Wir vermüllen die Ozeane mit Kunststoffen, zerstören die Innenstädte durch unsinnigen Versandhandel und verschwenden immer mehr Energien durch Kryptowährungen, Kreuzschifffahrt und immer unsinnigere Transporte, Lieferketten und Abhängigkeiten. Um so neue Arbeitsplätze und vor allem neue Milliardengewinne zu schaffen. Die in diesen Bereichen Beschäftigten fehlen dann in Kitas und Pflege.

Der Autor ist Verteilungskritiker. In dem Buch „Arbeit ruiniert die Welt“ hat er 53 seiner FR-Kolumnen zusammengefasst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen