04.10.2022 |
Beim Thema Wasser ist Herbert Dreiseitl in seinem Element. Der Professor aus Überlingen warnt davor, Quellen im Hinterland versiegen zu lassen und nur Seewasser zu trinken. Das Thema werde kontrovers diskutiert, nur nicht öffentlich. „Es darf uns nicht passieren, dass ohne Kenntnis der Öffentlichkeit Entscheidungen gefällt werden, bei denen man hinterher sagt: Wie konntet ihr nur.“
Dreiseitl sitzt für die Grünen im Überlinger Gemeinderat, betont aber, sich nicht als Stadtrat, sondern als Fachmann zu Wort zu melden. Sein Einsatz gilt aktuell den Quellen bei Lippertsreute. Sie gehören dem Stadtwerk am See. Die Quellfassungen müssten saniert werden. Sie seien lange Zeit vernachlässigt worden. „Nun besteht die Gefahr, dass sie ganz aufgegeben werden, weil sie für das Stadtwerk weniger rentabel als Bodenseewasser sind.“
Meinung in Lippertsreute gespalten
Neben Dreiseitl erhebt Siegfried Hanßler das Wort. Er ist Ortsvorsteher von Lippertsreute: „Die Quellen wurden von unseren Vorfahren in den 50er Jahren selbst gegraben. Man kann jetzt nicht sagen, das sei altes Zeug, das lässt man verlottern.“ Die Meinungen in Lippertsreute seien gespalten. „Die einen sagen, das Seewasser ist toll, weil die Geräte im Haus weniger verkalken. Ein Großteil aber sagt: Wir wollen unser Quellwasser behalten.“ Dreiseitl nennt drei Gründe: Erstens sei das Quellwasser gesünder, weil reicher an Salzen und Mineralien. Zweitens hätten die bei Hohenbodman liegenden Quellen immer gesprudelt, auch in Trockenzeiten. Sie seien „eine zuverlässige Daseinsvorsorge in Zeiten der Klimakrise“. Drittens dienten sie dem Bodenschutz und beugten Erosionen vor.
Lippertsreute bekomme heute schon Seewasser, sagt Sebastian Dix, Sprecher des Stadtwerk am See. Der Ortschaftsrat sei in die Thematik eingebunden. Die Quellfassung sei nach der Trinkwasserverordnung „aktuell nicht geeignet für eine dauerhafte Versorgung und muss saniert werden“. Das sei unstrittig. Er betont, dass keineswegs darüber diskutiert werde, die Quellen ganz aufzugeben. Zur Diskussion stünden drei Varianten einer Sanierung: Eine Vollsanierung für 2,9 Millionen Euro, eine Teilsanierung für 1,7 Millionen Euro, oder der Erhalt eines Notbrunnens für 0,3 Millionen Euro.
....Aus der Sicht von Dreiseitl käme ein Notbrunnen einer „Verkümmerung“ gleich. Mit Verweis auf eine Studie der ETH Zürich, wonach der Bodensee in einer Wassertiefe von 250 Metern in diesem Jahr erstmals fünf Grad warm war, betont Dreiseitl: „Während im Bodensee Niedrigwasserstände, Sauerstoffmangel, fehlende Zirkulation und die Quagga-Muschel einen Vorgeschmack auf die Herausforderungen der nahen Zukunft geben, haben die Quellen um Hohenbodman gleichbleibend ergiebiges frisches Wasser. Warum diese jetzt aufgeben oder nur im Standby verkümmern lassen?“
Das Stadtwerk betont indes, dass der Bodensee ein Glücksfall für die Wasserversorgung sei. Dix: „Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurde jüngst nachgewiesen, dass die Versorgung aus dem Bodensee auch langfristig gesichert ist.“ Das Stadtwerk bereitet laut eigenen Angaben jährlich sechs Milliarden Liter Trinkwasser für die Verbraucher auf. Davon stammen 96 Prozent aus dem Bodensee, der kleine Rest aus Quellen und Brunnen.
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