Zeit hier 22. Dezember 2025,Quelle: DIE ZEIT, dpa, hap
Indonesien: Schweizer Gericht lässt erstmals Klimaklage aus dem Ausland zuDie indonesische Insel Pari ist vom Meeresspiegelanstieg bedroht. Bewohner klagen in der Schweiz gegen einen Baustoffkonzern, dessen CO₂-Ausstoß die Insel gefährden soll.
Ein Schweizer Gericht im Kanton Zug hat erstmals eine Klimaklage aus dem Ausland gegen einen Großkonzern zugelassen. Drei Fischer und eine Fischerin aus Indonesien werfen dem Baustoffkonzern Holcim vor, dass sein klimaschädlicher CO₂-Ausstoß zum Anstieg des Meeresspiegels beitrage. Der bedrohe die Insel Pari, auf der die Kläger leben.
Die Kläger verlangen eine Entschädigung für Einnahmeausfälle und die Finanzierung von Schutzmaßnahmen auf ihrer Insel. Sie fordern außerdem eine stärkere CO₂-Reduzierung bei Holcim. Der Konzern hat Berufung gegen die Entscheidung angekündigt.
Kläger erhalten Unterstützung von kirchlichem Hilfswerk
Das Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (Heks) führt die Kampagne der Kläger in der Schweiz und unterstützt sie dabei. Aus der Entscheidung des Gerichts zitiert das Hilfswerk, dass die Schilderungen der Betroffenen gezeigt hätten, dass ihr Interesse an Emissionsreduktionen durch Holcim "dringend und aktuell" sei.
Holcim teilte mit, dass das Unternehmen weiterhin überzeugt sei, dass die Gerichte nicht der geeignete Ort seien, um der globalen Herausforderung des Klimawandels zu begegnen. "Die Frage, wer wie viel CO₂ ausstoßen darf, ist eine Kompetenz des Gesetzgebers und keine Frage für ein Zivilgericht." Der Konzern hat den CO₂-Ausstoß laut eigenen Angaben bereits erheblich reduziert und sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 ausschließlich klimaneutrale und wiederverwertbare Baumaterialien zu produzieren.
Die Insel Pari liegt etwa 40 Kilometer nordwestlich der indonesischen Hauptstadt Jakarta. Die circa 1.500 Inselbewohner leben hauptsächlich von Fischfang und Tourismus. Die Insel ist weniger als ein Drittel so groß wie Helgoland und liegt 1,50 Meter über dem Meeresspiegel.
Weil der Meeresspiegel steigt, fürchten die Bewohner der Insel Pari um ihre Existenz. Nun wollen sie die Treiber des Klimawandels zur Rechenschaft ziehen. Weil ein Schlichtungsverfahren erfolglos blieb, reichen die Inselbewohner nun Klage gegen den Zementkonzern Holcim ein.
Arif, Asmania, Bobby und Edi ziehen gegen einen der weltweit grössten Baustoffproduzenten vor Gericht. Die vier Bewohner der vom Untergang bedrohten indonesischen Insel Pari haben am Montag beim Kantonsgericht Zug eine Klage gegen Holcim eingereicht. Damit muss sich erstmals ein Schweizer Konzern rechtlich für seinen Beitrag zum Klimawandel verantworten. Das schreibt das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks) in einer Mitteilung. Es unterstützt die vier Kläger gemeinsam mit der europäischen Menschenrechtsorganisation ECCHR sowie der indonesischen Umweltorganisation Walhi.
Konkret werfen die Inselbewohner dem Konzern vor, er sei «aufgrund des vergangenen, anhaltenden und zukünftigen übermässigen CO₂-Ausstosses» mitverantwortlich für Schäden auf der Insel – also für den Anstieg des Meeresspiegels und die verheerenden Fluten. Die Inselbewohner fordern einerseits eine Entschädigung für die «erlittenen Klimaschäden», andererseits soll Holcim seine CO₂-Emissionen schneller als beabsichtigt senken und sich finanziell an Flutschutzmassnahmen beteiligen. Dafür sollen Dämme erstellt und Mangroven gepflanzt werden.
Der Klage geht ein Schlichtungsverfahren voraus. Weil dieses aber zu keiner Einigung führte und «Holcim in der Schlichtungsverhandlung im vergangenen Oktober keine Bereitschaft erkennen liess, auf die Anliegen einzutreten», gelangen die Inselbewohner mit dem Fall nun ans Gericht. Auf Anfrage bestätigt Holcim, dass das Schlichtungsverfahren im Oktober «keine konkreten Ergebnisse» hervorgebracht habe. Darüber, was in diesen Verhandlungen diskutiert wurde, will Holcim keine Angaben machen.
Der Insel droht der Untergang
Der steigende Meeresspiegel führt regelmässig zu Überschwemmungen auf der Insel. In den vergangenen Jahren verschwand bereits ein Zehntel der Inselfläche unter Wasser. Geht es so weiter, dürfte die Insel 2050 grösstenteils verschwunden sein. Ihre Existenz sei bedroht, lässt sich Klägerin Asmania in der Mitteilung zitieren, «wir wollen, dass die Verantwortlichen nun endlich handeln».
Dass sich die Klage explizit gegen Holcim richtet, begründete Heks-Klimaexperte, Yvan Maillard, an einer Veranstaltung im vergangenen Juli damit, dass «Holcim der weltweit grösste Baustoffhersteller und zudem das einzige Schweizer Unternehmen auf der Liste der sogenannten ‹Carbon Majors› ist».
Dazu zählen die weltweit grössten Unternehmen der Kohle-, Erdöl-, Gas- und Zementindustrie, die für einen Grossteil der Treibhausgasemissionen seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich sind. Holcim selbst ist einer der fünfzig grössten CO₂-Emittenten der Welt. Dass «Holcim mit seinen Aktivitäten massgeblich zur Klimakrise» beitrage, sei also «sehr wahrscheinlich», so Maillard.

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