Donnerstag, 11. Dezember 2025

Reversible Brennstoffzelle: "Wir nennen sie unseren Dunkelflaute-Killer"

Spannende Idee, die sogar schon umgesetzt wird. Besonders spannend finde ich die Aussage: "Damit bekommt das Gasnetz eine neue Rolle: nicht als fossile Restinfrastruktur, sondern als saisonaler Energiespeicher." Was könnte uns Besseres passieren, als wenn diese teure Infrastruktur, voraussichtlich bald überflüssig und  doch überall präsent in unseren Straßen, auch künftig für sinnvolle Zwecke genutzt werden könnte?

Futurezone hier  Artikel von Philipp Rall  10.12.25

„Dunkelflaute-Killer“ speichert Energie wochenlang – mit möglichen Folgen für ganz Deutschland

In Mühlacker läuft eine reversible Brennstoffzelle, die Strom in Methan umwandeln und aus Letzterem wieder Strom erzeugen kann. Diese Form der saisonalen Energiespeicherung könnte ein entscheidender Baustein für ein stabiles, erneuerbares Energiesystem werden.

Neue Brennstoffzelle wird plötzlich systemrelevant

Wenn Wind und Sonne in Deutschland tagelang schwächeln, entsteht die gefürchtete Dunkelflaute. Steigende Strompreise, Unsicherheiten und höhere Netzbelastung sind die Folge. Die Stadtwerke Mühlacker verfolgen nun einen Ansatz, der genau diese Lücke adressieren soll – eine neuartige Brennstoffzelle, die nicht nur Strom erzeugt, sondern Stromüberschüsse in speicherbares Methan umwandelt und später erneut verstromt.

Dieser reversible Betrieb ist wissenschaftlich gut dokumentiert, unter anderem in den Power-to-Gas-Forschungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme. Neu ist, dass in Mühlacker ein voll funktionsfähiges System im Dauerbetrieb steht. Geschäftsführer Roland Jans spricht in der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) von einem elektrischen Wirkungsgrad von über 74 Prozent – ein Wert, der herkömmliche gasbasierte Rückverstromung deutlich übertrifft.

„Wir nennen die Maschine intern scherzhaft unseren ,Dunkelflaute-Killer’“, so Jans. „Sie reagiert sehr schnell auf Steuersignale und kann im Minutentakt flexibel Strom erzeugen oder aufnehmen. Damit lässt sich Regelenergie bereitstellen – und das wirtschaftlich.“

So funktioniert der „Dunkelflaute-Killer“

Die Brennstoffzelle arbeitet in zwei Richtungen. Aus Strom wird zunächst Wasserstoff erzeugt, anschließend reagiert dieser Wasserstoff mit Kohlenstoffdioxid (CO2) zu synthetischem Methan. Das Verfahren – Sabatier-Prozess genannt – ist seit Langem bekannt.

In Mühlacker stammt das CO2 aus der eigenen Biogasaufbereitung, wodurch ein nahezu geschlossener Kohlenstoffkreislauf entsteht. Wenn die Marktpreise steigen, schaltet die reversible Brennstoffzelle innerhalb weniger Minuten um und erzeugt aus dem Methan wieder Strom.

Diese Dynamik bringt zwei Vorteile: Erstens lassen sich erneuerbare Überschüsse ohne großen Aufwand speichern. Zweitens kann die Anlage schnell Regelenergie bereitstellen – eine Flexibilität, die Jans zufolge im Probebetrieb bereits nachgewiesen wurde.

Darum ist Methan oft sinnvoller als Wasserstoff

Synthetisches Methan besitzt eine hohe Energiedichte, ist stabil und kann über das bestehende Erdgasnetz transportiert werden. Das ist einer der zentralen Gründe, weshalb die Stadtwerke Mühlacker Methan gegenüber Wasserstoff bevorzugen. Bereits in einem technischen Bericht aus dem Jahr 2021 beschreibt der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) e. V., dass Wasserstoff wegen seiner Flüchtigkeit, geringeren Energiedichte und besonderen Materialanforderungen deutlich schwieriger zu handhaben sei. Methan hingegen lasse sich ohne große Umbauten einspeisen, speichern und rückverstromen.

Damit bekommt das Gasnetz eine neue Rolle: nicht als fossile Restinfrastruktur, sondern als saisonaler Energiespeicher. Haushalte könnten davon profitieren, weil Speicher auf Basis von Methan nicht nur Tage, sondern ganze Wochen überbrücken können – etwas, das Batteriespeicher in dieser Größenordnung laut Analysen von Agora Energiewende nicht leisten können.

Energiespeicherung über Wochen

Die Dunkelflaute ist kein Stunden-, sondern ein Wochenproblem. Genau hier liegt der systemische Vorteil der Brennstoffzelle. Methan kann in Kavernen oder Netzspeichern über lange Zeiträume gelagert werden, ohne dass die Energie wie bei Batterien langsam verloren geht.

Die Bundesnetzagentur beschreibt in einem Monitoringbericht aus dem Jahr 2024, dass das deutsche Gasnetz bereits heute enorme Speicherkapazitäten besitze, die bislang überwiegend fossile Energieträger aufnehmen. Nun könnte dieselbe Infrastruktur ein zentrales Element der erneuerbaren Versorgung werden.

Für ein Energiesystem, das stark auf Wind und Sonne setzt, ist diese Fähigkeit zur saisonalen Speicherung nahezu unverzichtbar. Die Brennstoffzelle in Mühlacker liefert ein konkretes Beispiel, wie ein solcher Speicher technisch aussehen kann, ohne dass neue Großspeicher gebaut oder tiefgreifende Eingriffe in bestehende Netze nötig wären.

Eine Technologie, die sich rechnet

Trotz fehlender Förderung rechnet sich die Anlage. Die Stromgestehungskosten liegen laut Jans bei etwa zehn Cent pro Kilowattstunde, die Amortisationszeit bei vier bis 4,5 Jahren. Ein wesentlicher Grund dafür ist der außergewöhnlich hohe Wirkungsgrad der Brennstoffzelle.

In Analysen des Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme und Energiesystemtechnik (IWES) galt bislang die Rückverstromung als wirtschaftliche Schwachstelle des Power-to-Gas-Systems. Mühlacker zeigt, dass Fortschritte bei Effizienz und Prozessintegration dieses Problem deutlich entschärfen können.

Langzeitspeicherung muss also nicht zwingend teuer sein. Wenn Anlagen effizient sind und flexibel auf Marktpreise reagieren, können sie sogar zu stabileren Preisen und geringeren Netzbelastungen beitragen.

Wo Deutschland hinterherhinkt

Im ZfK-Interview macht Jans deutlich, dass technische Innovation oft schneller ist als die Regulierung. Biomethan erhält keine Einspeisevergütung, viele Betreiber*innen kämpfen wirtschaftlich ums Überleben.

Gleichzeitig behindern langwierige Genehmigungsverfahren den Ausbau innovativer Anlagen. Andere Länder zeigen, dass es anders geht. Dänemark und die Niederlande setzen beispielsweise auf klare Vergütungssysteme, wodurch erneuerbare Gase dort schneller skalieren.

Langfristig könnte ein Netz aus reversiblen Brennstoffzellen die Versorgungssicherheit erhöhen und Strompreisspitzen abfedern. Das Gasnetz erhält eine neue, klimaneutrale Rolle. Biogasanlagen werden durch CO2-Recycling relevanter, weil sie nicht nur Strom erzeugen, sondern auch Kohlenstoff als Ressource bereitstellen. Und kommunale Versorger wie Mühlacker könnten regionale Energiehubs aufbauen, die die Energiewende dezentral vorantreiben.

Damit entsteht ein Bild, in dem bestehende Infrastruktur nicht verschwindet, sondern transformiert wird.

Quellen: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme; Zeitung für kommunale Wirtschaft; „Die Gasnetze sind bereit für Wasserstoff!“ (DVGW, 2021); „Klimaneutrales Stromsystem 2035“ (Agora, 2023); Bundesnetzagentur; „Potenziale von Power-to-Gas Energiespeichern“ (Fraunhofer IWES, 2015)


ZfK hier  hinter Bezahl-Schranke  08.12.2025

"Wir nennen sie unseren Dunkelflaute-Killer"

Die Stadtwerke Mühlacker wandeln Strom in Methan und Methan wieder in Strom um. Geschäftsführer Roland Jans spricht im ZfK-Interview über eine innovative Brennstoffzelle.

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