Dienstag, 23. Dezember 2025

„Eine kleine Minderheit übt eine noch nie da gewesene finanzielle Macht aus“


Brigitte Knopf / Zukunft KlimaSozial ZKS gGmbH /Expertenrat für Klimafragen

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Die Bundesregierung hat heute den 7. #Armuts- und #Reichtumsbericht verabschiedet. 

Darin gibt es zum ersten Mal ein umfangreiches Kapitel zu „Sozialen Herausforderungen und Chancen im Kontext von Klimawandel und Dekarbonisierung“.

👉 Der Bericht zeigt deutlich, dass Klimaschutz nicht nur eine Umwelt- und Wirtschaftsaufgabe ist, sondern auch eine soziale Frage. Soziale Sicherheit, Gerechtigkeit und Teilhabe sind entscheidend dafür, dass die Transformation nicht zu einer neuen Form der Ungleichheit führt. 

Der Bericht fordert, dass #Klimaschutz und #Sozialpolitik nicht getrennt gedacht werden, sondern die sozialen Folgen aktiv berücksichtigt und gesteuert werden müssen.

Der Bericht beleuchtet, wie der Klimawandel und der damit verbundene Übergang zu einer klimaneutralen Gesellschaft bestehende soziale Ungleichheiten in Deutschland beeinflussen können. Dabei geht es um drei Dimensionen: 

  • Wie klimabedingte Veränderungen soziale Risiken für bestimmte Bevölkerungsgruppen verschärfen können.

  • Welche sozialen Herausforderungen und Verteilungsfragen sich aus Klimaschutzmaßnahmen ergeben.

  • Wie ein gerechter sozialer Wandel aussehen könnte mit geeigneten Ausgleichs- und Gestaltungsmöglichkeiten.

Der Bericht spricht sich dafür aus, dass die Transformation sozialpolitisch begleitet werden muss mit konkreten Maßnahmen, um sozialen Ausgleich zu sichern und ungleiche Belastungen abzufedern. Vorgeschlagen werden u.a.:

  • Einrichtung eines #Sozialmonitorings, um die sozialen Auswirkungen der Dekarbonisierung systematisch zu beobachten.

  • Kompensationsinstrumente für Haushalte mit geringem Einkommen bei steigenden Energie- und CO₂-Kosten.

  • Zudem spielen flankierende Instrumente eine wichtige Rolle und es bedarf eines stärkeren Fokus auf die infrastrukturellen Rahmenbedingungen. Denn hiervon profitieren vulnerable Gruppen, die aufgrund ihrer persönlichen Lebenslage keine ausreichenden Handlungsmöglichkeiten haben, überdurchschnittlich stark. Beispiele sind klimaneutrale Sozialwohnungen, Grünversorgung und flächendeckender und bezahlbarer ÖPNV.

  • Außerdem können ordnungsrechtliche Maßnahmen eine Rolle spielen.


Auch die #Sozialsysteme werden in den Blick genommen: im Sinne einer vorsorgenden Sozialpolitik wird empfohlen, die Zukunftsfestigkeit der Systeme dahingehend zu überprüfen, ob soziale Sicherungssysteme so weiterentwickelt werden können, dass sie stärker als bisher klimapolitische Maßnahmen unterstützen und klimabedingte finanzielle Risiken besser auffangen.

Die Bundesregierung legt mit dem Bericht klar dar, dass die Transformation einer explizit sozialen Gestaltung bedarf. Wichtig wäre, dass sich das auch in politischen Maßnahmen und insbesondere im #Klimaschutzprogramm widerspiegelt, das im neuen Jahr beschlossen werden soll und dass dafür ausreichend finanzielle Mittel bereitgestellt werden.


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TAZ hier 10.12.2025  Hannes Koch

Bericht zu sozialer Ungleichheit: Mehr Vermögen für alle und besonders für die einen

Vom allgemeinen Zuwachs in den letzten 30 Jahren profitieren in erster Linie die Superreichen. Ungleichheit zeigt sich nicht nur direkt beim Geld.

Alle Einkommensgruppen weltweit verfügen heute durchschnittlich über mehr Vermögen als vor 30 Jahren – doch die Reichsten profitierten vom Zuwachs am meisten. Während die Schätze einiger zehntausend Multimillionäre und Milliardäre um etwa 5 Prozent jährlich wuchsen, verzeichnete die ärmste Gruppe der Weltbevölkerung ein Plus von 2 Prozent, heißt es im neuen „Bericht zur weltweiten Ungleichheit 2026“.

„Eine kleine Minderheit übt eine noch nie da gewesene finanzielle Macht aus“, schreiben die Autor:innen, zu denen der französische Ökonom Thomas Piketty gehört. „Währenddessen bleiben Milliarden Menschen von grundlegender ökonomischer Stabilität ausgeschlossen.“

Die For­sche­r:in­nen haben neue Zahlen zur globalen Verteilung von Vermögen und Einkommen zwischen 1995 und 2025 zusammengetragen. Es geht ihnen um den Abstand zwischen Arm und Reich sowie die Folgen der sozialen Unterschiede. Die zehn Prozent der Weltbevölkerung mit den niedrigsten Vermögen haben demnach seit 1995 jährlich gut 2 Prozent hinzugewonnen. Die Mittelschichten profitierten mit bis zu 4 Prozent pro Jahr. Die Superreichen lagen allerdings noch darüber: Das vermögendste Tausendstel der Welt – 56.000 Personen – erreichte ein jährliches Plus von 5 Prozent. Und die 50 Top-Multimilliardäre kamen sogar auf plus 8 Prozent pro Jahr. Ein Vermögen von 40 Milliarden Euro vermehrt sich auf diese Art beispielsweise in zwölf Monaten um 3,2 Milliarden Euro.


Politische Aussage dieser Berechnung:
Obwohl alle Gruppen profitiert haben,
nahm der Abstand zwischen Arm und Reich zu,
die soziale Schere öffnete sich, die Ungleichheit wuchs


Weitere Varianten dieses Befundes sehen so aus: Die 56.000 Multimillionäre und Milliardäre besitzen mittlerweile 6 Prozent allen globalen Reichtums, während es 1995 nur 4 Prozent waren. Die Gruppe der zehn Prozent Reichsten hält drei Viertel der weltweiten Vermögen, die gehobene Mittelschicht etwa ein Viertel, die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung fast nichts – 2 Prozent.

Einkommen ein wenig gleicher
Die Verteilung der Einkommen ist etwas ausgewogener. Da erreichen die Top-zehn-Prozent gut die Hälfte aller Hinzuverdienste, die gehobene Mittelschicht etwa 40 Prozent und die ärmere Hälfte 8 Prozent.

Der Sinn des Berichtes besteht aber nicht nur in der Analyse, sondern die Au­to­r:in­nen ziehen auch politische Schlussfolgerungen. „Progressive Steuern sind entscheidend“, schreiben sie. Damit sei es möglich, Ungleichheit zu verringern und den Gesellschaften öffentliche Einnahmen zu verschaffen, mit denen sich beispielsweise die Armut verringern lasse.


Eine Debatte in dieser Richtung
läuft seit einiger Zeit bei den Vereinten Nationen.
Ausgelöst von der brasilianischen Regierung wollen viele Staaten eine weltweite Steuer auf Milliardenvermögen einführen. 

Das Vorhaben steht allerdings am Anfang,
und die US-Regierung lehnt es ab.


Folgen der Globalisierung
Dass die Vermögen aller Einkommensschichten im Durchschnitt gewachsen sind, dürfte auch mit der Phase der neuen Globalisierung zu tun haben, die in den 1980er Jahren begann. In China stiegen Hunderte Millionen Menschen in die Mittelschicht auf, auch in Indien und anderen Ländern nahm diese Bevölkerungsgruppe zu.

Neben dem Arm-reich-Unterschied präsentiert der Report weitere Dimensionen von Ungleichheit. Zum Beispiel würden Frauen weltweit nur 25 Prozent aller Arbeitseinkommen erzielen, haben die Forschenden ermittelt. 75 Prozent vereinnahmten Männer. Und noch immer klafften Bildungschancen etwa zwischen Sub-Sahara-Afrika und der nördlichen Hemisphäre stark auseinander. 

Über Deutschland heißt es im Bericht, die Ungleichheit bleibe „moderat“ und habe sich „in den vergangenen Jahren kaum verändert“. Die 10 Prozent Reichsten halten 58 Prozent aller Vermögen. Der Einkommensunterschied zwischen den Top-zehn-Prozent und der ärmeren Hälfte der Bevölkerung sei seit 2014 leicht geschrumpft.


Zeit hier   Von David Rech • 10. Dezember 2025,

Steuerpolitik: Stimmt das eigentlich, dass die Regierung nur Reiche entlastet?

Die Regierung stärke die Reichen und schwäche die Schwächeren, kritisiert die Opposition. Steuerentlastungen kämen nur Besserverdienern zugute. Wir zeigen, ob das stimmt.

"Wohlstand für alle" versprachen Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag.
Steuern, Abgaben und Energiepreise sollten gesenkt werden. Schnell stand jedoch der Vorwurf im Raum, die Bundesregierung entlaste eben nicht alle, sondern besonders jene, die am oberen Ende der Einkommens- und Vermögensverteilung liegen. Schon Anfang Juli warfen Grüne und Linke der Regierung vor, "die Reichen zu stärken und die Schwächeren zu schwächen" (Katharina Dröge, Grüne) – und "das Geld von unten nach oben zu verteilen" (Heidi Reichinnek, Linke).

In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung viel vorgenommen. Doch sämtliche Pläne stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt, denn es fehlt an Geld. CDU, SPD und CSU müssen also priorisieren, für welche Projekte sie kämpfen wollen.

Versprochen haben die Koalitionäre etwa eine Einkommensteuersenkung für "kleine und mittlere Einkommen", aber erst "zur Mitte der Legislatur". Das wäre 2027. Konkrete Pläne gibt es noch keine. Dann war da noch die Stromsteuer, die öffentlich und medial zu viel Aufregung führte. Die Regierungsparteien waren sich einig, dass die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden müsse – und zwar für alle. So schrieben sie es auch in den Koalitionsvertrag. Beschlossen wurde die Vergünstigung jedoch erst mal nur für Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft. Verbraucher und kleinere Betriebe gingen leer aus. 

Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie und Pendlerpauschale
Geeinigt hat sich die Koalition zudem auf eine Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie, die den Unternehmen zugutekommen wird. Ob sie an die Kunden weitergegeben wird, wird sich zeigen. Zumal es eher Besserverdiener sind, die sich regelmäßige Restaurantbesuche leisten. 

Die angehobene Pendlerpauschale wiederum kritisiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland als ungerecht – und noch dazu ökologisch wenig sinnvoll. Die Linke beanstandet, dass Menschen mit höherem Gehalt dabei mehr herausbekämen, da Menschen mit niedrigerem Gehalt weniger Einkommensteuer zahlen und damit auch weniger absetzen können.

"Die bislang beschlossenen steuerpolitischen Maßnahmen entlasten tendenziell eher mittlere bis höhere Einkommen", sagt Pascal Zamorski vom ifo Institut. Von einer Umverteilung von Arm zu Reich könne jedoch nicht die Rede sein: Steuerliche Entlastungen kämen nur denen zugute, die auch Steuern zahlen. "Geringverdiener und nicht erwerbstätige Personen leisten kaum oder gar keine Steuerzahlungen und können daher oft nur bedingt über Steuerpolitik entlastet werden. Hier ginge es eher um Transferpolitik."

"Durchaus sinnvolle Maßnahme"
Degressive Abschreibungen begünstigten Unternehmen, die investieren, sagt ifo-Experte Zamorski. Der bereits Ende Juni vom Bundestag beschlossene sogenannte Wachstumsbooster sieht Sonderabschreibungen von bis zu 30 Prozent pro Jahr vor. So können Unternehmen Investitionen schneller abschreiben, die Steuerlast sinkt und es bleibt mehr Geld für neue Projekte übrig. 

Wenn Unternehmen dadurch Gewinne machen, profitierten eher deren Eigentümer, sagt Zamorski. Gleichzeitig könnten sie jedoch auch Arbeitsplätze schaffen und damit allen Einkommensgruppen nützen. Eine – geplante – Senkung der Körperschaftsteuer würde Zamorski zufolge vor allem Unternehmensgewinne und wohlhabende Eigentümer entlasten. Auch steuerfreie Überstunden, ebenfalls ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, würden eher Menschen mit höheren Einkommen begünstigen.

Trotzdem sei die Kritik, nur reiche Menschen würden von einer Entlastung von Unternehmen oder Investitionen profitieren, zu kurz gegriffen, sagt der ifo-Experte. "Gerade die beschleunigten Abschreibungen sind ökonomisch eine durchaus sinnvolle Maßnahme, und auch für geringe Unternehmenssteuern gibt es gute Argumente." Indirekt könnten diese Maßnahmen gesamtwirtschaftlich und über alle Einkommensgruppen hinweg positive Beschäftigungseffekte auslösen.

Schere zwischen Arm und Reich
Die Entlastungen können also indirekt der Gesamtwirtschaft und damit auch den Beschäftigten zugutekommen. Doch eine Politik der Umverteilung strebt die Bundesregierung nicht an. Menschen mit geringem Einkommen zahlen relativ betrachtet höhere Abgaben als solche mit hohem Einkommen. Die Mehrwertsteuer etwa belastet niedrigere Einkommen stärker. Niedrige Verbrauchsteuern hingegen würden Geringverdiener entlasten – das wäre bei der Stromsteuer der Fall gewesen. Höhere Belastungen für Spitzenverdiener sind bislang nicht in Sicht. 

Gleichzeitig ist das Nettovermögen in Deutschland extrem ungleich verteilt. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens, wie eine Studie der Bundesbank zeigt. Vieles davon ist und wird vererbt oder verschenkt. Dabei gibt es Ausnahmen und hohe Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Und gegen eine Erhöhung der Erbschaftsteuer konnte sich die Union bisher erfolgreich wehren. In einem Interview im ZDF zeigte sich Unionsfraktionschef Jens Spahn vor Kurzem jedoch gesprächsbereit: Er sagte, die ungleiche Vermögensverteilung sei ein Problem. Zudem steht ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus, das eine gesetzliche Neuregelung erzwingen könnte. Ein Bericht der Hans-Böckler-Stiftung zeigt indes, wieso die Frage der Umverteilung bedeutsam ist: Wirtschaftliche Ungleichheit gefährde die Demokratie, schrieben die Forschenden. 

Den Entlastungen von Wirtschaft und Unternehmen stehen Forderungen seitens der Union gegenüber, im Sozialsystem zu kürzen. Das verhindert die SPD bislang weitgehend. Sicher ist, dass etwa durch eine Anhebung der Pendlerpauschale oder eine Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie erhebliche Einnahmen im Bundeshaushalt fehlen. Wie diese gegenfinanziert werden, ist unklar. Die SPD und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil jedenfalls zeigten sich offen dafür, reichere Haushalte in die Pflicht zu nehmen. Doch die Koalitionspartner lehnen das ab.

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