hier Zeit Nr. 52/2025 Ingo Malcher
3. Dezember 2025
Ostpolitik in Abu Dhabi:
Deutsche Politiker und Lobbyisten knüpfen bei Geheimtreffen Kontakte mit Kreml-Vertrauten.
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Das Treffen in Abu Dhabi war die mindestens vierte Zusammenkunft der Deutschen mit den Russen.
Zuvor war man sich mehrmals in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku begegnet (ZEIT Nr. 19/25). Nach Abu Dhabi reisten nun aus Deutschland wohl unter anderem Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) und Martin Hoffmann, geschäftsführender Vorstand des Deutsch-Russischen Forums. Zudem soll auch Matthias Platzeck dabei gewesen sein, ehemaliger Ministerpräsident von Brandenburg (SPD).
Aus Russland sollen unter anderem der mächtige Aufsichtsratschef von Gazprom, Viktor Subkow, und Putins Beauftragter für Menschenrechte, Waleri Fadejew, teilgenommen haben. Fadejew ist wegen Kriegspropaganda von der Europäischen Union mit Sanktionen belegt und darf dort nicht einreisen. Putins Beauftragter für internationale Kulturbeziehungen, Michail Schwydkoi, soll kurzfristig abgesagt haben.
Man muss sich diese Treffen vorstellen wie eine Art Stammtisch alter Bekannter. Man kennt sich, man schätzt sich, man sieht sich. Formell geht es bei den Runden um die Wiederbelebung des Petersburger Dialogs. Jenes Diskussionsforums, das im Jahr 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem russischen Staatschef Wladimir Putin gegründet wurde. Politiker, Unternehmer und Intellektuelle kamen dabei in Wiesbaden, Königswinter, Moskau oder Sankt Petersburg zusammen und debattierten über Deutschland und Russland. Aus dieser Zeit sind sich auch Pofalla und Subkow vertraut. Pofalla leitete das Forum von deutscher Seite, Subkow war der Chef auf russischer Seite. Im Jahr 2021 erklärte die Bundesregierung, noch unter Führung von Angela Merkel (CDU), den Petersburger Dialog offiziell für beendet – schon damals kamen aus Russland vor allem handverlesene Kreml-Vertreter zu den Veranstaltungen.
Wie kann man trotzdem weitermachen? Das ist das Thema der Runde seit ihrem ersten klandestinen Treffen Anfang 2024 in Baku. Den Russen geht es offenbar darum, einen diskreten Kanal Richtung Bundesregierung zu legen. In Abu Dhabi war man diesmal besonders auf Geheimhaltung bedacht, wohl auch deshalb, weil das, was die deutsche Seite zu verkünden hatte, einigermaßen heikel ist. Nämlich, dass Ronald Pofalla zusammen mit Martin Hoffmann Anfang Dezember nach Moskau reisen würde. Und nicht nur das, auch ein Gegenbesuch in Deutschland von Michail Schwydkoi, Putins Mann für die Kultur, sei möglich, sollen die Deutschen den russischen Partnern eröffnet haben. Auf eine solche Visite soll die russische Seite zuletzt gedrängt haben.
Triumph des Kreml, ermöglicht durch das Netzwerk um Ronald Pofalla
Wie das erreicht wurde, sollen die Deutschen ihren Partnern nach ZEIT-Recherchen ebenfalls berichtet haben. Demnach habe Ronald Pofalla im Auswärtigen Amt in Berlin bei Staatssekretär Géza Andreas von Geyr angefragt, ob ein Besuch Schwydkois in Deutschland möglich wäre. Von Geyr soll sich daraufhin an Außenminister Johann Wadephul (CDU) gewandt haben – und der Minister habe sein Einverständnis gegeben. Einer Reise von Schwydkoi stünde somit nichts mehr im Wege. Fast vier Jahre nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine wäre dies der erste Besuch eines russischen Regierungsmitglieds – und ein politischer Triumph des Kreml, ermöglicht durch das Netzwerk um Ronald Pofalla.
Die ZEIT hat dem Auswärtigen Amt einen Fragenkatalog zu dem Treffen in Abu Dhabi und der möglichen Reise von Schwydkoi geschickt. In einer knapp gehaltenen Antwort heißt es, die Bundesregierung plane keine Fortsetzung des Petersburger Dialogs. Zudem setze man sich innerhalb der EU für eine restriktive Visapolitik gegenüber Russland ein.
"Nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine hat die Europäische Kommission die Leitlinien zur Vorgehensweise bei der Ausstellung von Schengen-Visa veröffentlicht. Die Staaten der EU und der Nato haben nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs ihre Beziehungen zur Russischen Föderation erheblich eingeschränkt, aber nicht abgebrochen", so das Amt. Die Frage, ob Schwydkoi ein Visum für Deutschland erteilt werde, blieb unbeantwortet. Ronald Pofalla, Martin Hoffmann und Matthias Platzeck reagierten bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht auf ZEIT-Anfragen.
Kontakte von Politikern mit russischen Regierungsvertretern sorgen immer wieder für Wirbel. Zuletzt gab es sogar in der AfD Kritik daran, dass ein Bundestagsabgeordneter der Partei zu einem Treffen nach Sotschi reiste. Die Baku-Netzwerker um Pofalla planen nun wohl gegenseitige Besuche.
"Von solchen Initiativen profitiert am Ende nur das Putin-Regime", sagt Agnieszka Brugger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. "Die Spitzen von Union und SPD dürfen die Moskau-Connection in ihren eigenen Reihen nicht dulden. Sollte es solche Pläne geben, explizit die Handlanger von Putin zu treffen, sollte die Bundesregierung aber ganz schnell alles tun, um das zu verhindern."
Auch Stefan Meister, Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, warnt, dass von einem Besuch Schwydkois ein fatales Signal ausgehen würde. "Die Brutalität der russischen Angriffe auf die Ukraine hat zugenommen, und Russland ist nicht zu Kompromissen bereit", sagt er. "Wenn man unter diesen Bedingungen einen Regierungsvertreter einreisen lässt, schwächt man die deutsche Sanktions- und Isolationspolitik." Würde Schwydkoi tatsächlich ein Visum ausgestellt, so Meister, wäre das für Deutschland "ein Glaubwürdigkeitsverlust, man würde die eigenen Prinzipien verletzen".
Michail Schwydkoi pflegt Umgang mit Alice Weidel
Dass ausgerechnet Michail Schwydkoi sozusagen als Pionier des Kreml nach Deutschland reisen soll, ist eine naheliegende Idee. Schwydkoi steht auf keiner Sanktionsliste und pflegt seit Jahren beste Beziehungen zu Deutschland. Zunächst ging es dabei um Musik und Theater, später Handfesteres. In den Jahren der Entspannung war er ein gern gesehener Gast, man traf ihn bei einer Rohstoffkonferenz in Sachsen, bei einer Diskussionsrunde über das deutsch-russische Verhältnis in Berlin. Der Thomas-Mann-Verehrer Schwydkoi war das freundliche Gesicht des Kreml. Er galt als liberaler als viele andere, die sich bei solchen Anlässen tummelten.
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