hier Frankfurter Rundschau 26.10.2024 Von: Kathrin Reikowski
Fachleute schlagen Alarm: „Kälte-Klotz“ droht mit „nie dagewesenen Wetterextremen“
Klimaexperten drängen darauf, dass die Regierung die Bedrohungen eines möglichen AMOC-Zusammenbruchs ernst nimmt: Landwirtschaft, Fischerei, ansteigende Meeresspiegel, Extremwetter.
Vor einem Abbrechen der atlantischen meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC ) warnen Forscherinnen und Forscher schon seit einem knappen Jahrzehnt, weil Studien darauf hindeuten, dass sich der AMOC verlangsamt. Der AMOC ist ein komplexes Strömungssystem, zu dem unter anderem der Golfstrom zählt. Er gilt als globale Klimaanlage.
Studien in diesem Gebiet werden unter Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern immer wieder kontrovers diskutiert, unter anderem weil einige die Daten so auslegen, dass ein Abbruch frühestens zum Ende des Jahrhunderts passieren könnte, andere aber von einem viel früheren Abbruch ausgehen. Das Deutsche Klimakonsortium sieht die Gefahr eines abrubten Abbruchs nicht - dies sei aber kein Grund zur Entwarnung.
Mehr als 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen nun in einem offenen Brief erreichen, dass der Nordische Ministerrat diese Gefahr ernster nimmt:Ziel ist es, die Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass nur ein „mittleres Vertrauen“ in das Nicht-Zusammenbrechen der AMOC nicht beruhigend ist und eindeutig die Möglichkeit eines Zusammenbruchs der AMOC in diesem Jahrhundert offen lässt. Es ist sogar wahrscheinlicher, dass ein Zusammenbruch in diesem Jahrhundert ausgelöst wird, sich aber erst im nächsten Jahrhundert voll entfaltet.Unterzeichnende eines offenen Briefs an den Nordischen Ministerrat
Was wären die Auswirkungen eines Atlantik-Zusammenbruchs?
„Die Auswirkungen, insbesondere auf die nordischen Länder, wären wahrscheinlich katastrophal, einschließlich einer starken Abkühlung in der Region, während sich die umliegenden Regionen erwärmen“, schreiben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.
„Dies würde [...] wahrscheinlich zu noch nie dagewesenen Wetterextremen führen“, weil sich der „Kälteklotz“ über dem subpolaren Atlantik vergrößern würde. Möglicherweise sei die „Lebensfähigkeit der Landwirtschaft in Nordwesteuropa“ bedroht, weitere Auswirkungen auf Wettermuster, Ökosysteme und menschliches Leben müssten noch erforscht werden. In anderen Weltregionen könnten sich folgende Auswirkungen eines AMOC-Abbruchs bemerkbar machen: Die Ozeane würden weniger CO2 aufnehmen und den CO2-Gehalt der Luft erhöhen, der Meeresspiegel auf erhebliche Weise zusätzlich ansteigen, und maritime Ökosysteme umgewälzt werden, was die Fischerei gefährden würde.
Wetterextreme und Eiszeit in Europa drohen:
„Anpassung an schwere Klimakatastrophe keine praktikable Option“
„Anpassung an schwere Klimakatastrophe keine praktikable Option“
Derzeit befindet sich die Atmosphäre demnach auf dem Weg, sich um die 2,5 Grad zu erwärmen. Kipppunkte treten schon bei einer Erwärmung zwischen 1,5 und 2,0 Grad ein. Ende November trifft sich die Welt zum Klimagipfel in Baku – die Datenlage zum Klimawandel sollte zu starken Gegenmaßnahmen ermutigen.
„In der Erkenntnis, dass die Anpassung an eine solch schwere Klimakatastrophe keine praktikable Option ist, fordern wir den Rat der nordischen Minister auf, (a) eine Bewertung dieses erheblichen Risikos für die nordischen Länder einzuleiten und (b) Schritte zu unternehmen, um dieses Risiko so weit wie möglich zu minimieren“, schreiben die Forschenden. „Dazu könnte es gehören, die starke internationale Stellung der nordischen Länder zu nutzen, um den Druck für eine größere Dringlichkeit und Priorität bei den globalen Bemühungen zu erhöhen, die Emissionen so schnell wie möglich zu reduzieren, um das im Pariser Abkommen festgelegte Ziel von 1,5 °C nicht zu überschreiten.“ (kat)
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