Samstag, 26. Oktober 2024

Eine innovative Idee zur Rettung der Wälder

hier  Jakob Pallinger 23. Oktober 2024,

Brasilien will mit einem innovativen Fonds Milliarden Dollar für den Schutz der Wälder mobilisieren

Der Tropical Forests Forever Fonds soll künftig Entwicklungsländer dafür belohnen, ihre Tropenwälder vor Rodungen zu schützen. Noch sind jedoch einige Fragen offen

Geht es nach der gängigen Marktlogik, muss der Wald um sein Leben fürchten. Vielerorts rentiert es sich mehr, ihn abzuholzen als ihn stehen zu lassen – zumindest aus kurzfristiger Sicht. Allein im vergangenen Jahr gingen laut einem aktuellen Bericht des Forest Declaration Assessment 6,37 Millionen Hektar Wald verloren – das entspricht in etwa drei Viertel der Fläche Österreichs und ist 45 Prozent mehr, als in diesem Jahr hätte abgeholzt werden dürfen, um die Entwaldung bis 2030 schrittweise zu beenden. Fast 96 Prozent der Abholzung fanden in tropischen Wäldern statt, unter anderem in Bolivien und Indonesien. In den meisten Fällen musste der Wald der Landwirtschaft oder dem Straßenbau weichen, oder er fiel der Holzwirtschaft zum Opfer.

Wie wäre es, würde man diese Marktlogik umdrehen? Wenn Staaten und Unternehmen künftig mehr Geld erhielten, wenn sie den Wald intakt halten, anstatt ihn abzuholzen?
Genau darauf zielt eine Idee aus Brasilien ab. Ende des vergangenen Jahres schlug das Land einen Fonds mit dem sperrigen Namen Tropical Forests Forever Facility, kurz TFFF-Fonds, vor. Die Idee: Reichere Länder, Unternehmen und Stiftungen sollen ihr Geld in den Erhalt von tropischen Wäldern in ärmeren Ländern investieren. Mehrere Milliarden Dollar sollen damit pro Jahr zusammenkommen. Mittlerweile steht die Idee kurz vor der Umsetzung. Wie vielversprechend ist sie?

Geld für intakten Wald
Konkret sollen reichere Industriestaaten dem Fonds zunächst 25 Milliarden Dollar leihen und dieses Geld in den darauffolgenden Jahrzehnten mit Zinsen zurückbekommen, die in etwa der Rendite ihrer Staatsanleihen entsprechen. Die 25 Milliarden Dollar sollen wiederum dabei helfen, 100 Milliarden Dollar aus der Privatwirtschaft anzuziehen. Diese soll für ihr Geld eine feste Rendite bekommen, die ein wenig über der von Staatsanleihen liegt. Die insgesamt 125 Milliarden Dollar sollen dann in ein diversifiziertes Portfolio aus festverzinslichen Wertpapieren und Aktienanlagen fließen.

Die Gewinne aus diesen Investitionen sollen schließlich den tropischen Waldnationen dieser Welt zugutekommen, um damit den Schutz ihrer Wälder voranzutreiben. Rund vier Milliarden Euro erhofft man sich dadurch pro Jahr. Ziel sei, dass jedes Entwicklungsland mit tropischen Wäldern vier Dollar für jeden Hektar intakten, natürlichen oder wiederhergestellten Wald aus dem Fonds erhält, der per Satellitenbilder identifiziert werden kann. Für jeden Hektar, der in einem Land abgeholzt wird, soll die Investition hingegen um 400 Dollar gekürzt werden. Länder mit zu hohen Entwaldungsraten sollen keine Gelder erhalten. Spätestens bei der Klima-COP-30 im November 2025 in Brasilien will Brasilien den Fonds starten.

Innovative Idee
"Die Idee des Fonds ist durchaus innovativ", sagt Eva Mayerhofer, Biodiversitätsexpertin bei der Europäischen Investitionsbank. Er sei eine Abkehr von traditioneller Umweltfinanzierung, die häufig auf Spenden basiere, und setze sowohl auf öffentliches als auch auf privates Kapital, um Risiken zu minimieren. Zudem sei er recht transparent aufgebaut und binde auch lokale Gruppen wie indigene Völker ein. Die Details für diese Einbindung stünden allerdings noch nicht fest.

Dennoch habe sie noch ein paar Bedenken, sagt Mayerhofer. "Der Fokus lag anfangs stark auf dem Klimaeffekt des Fonds, statt auch die vielen Umwelteffekte miteinzubeziehen." Viele tropische Wälder seien aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels mittlerweile keine CO2-Senken mehr, ihr Beitrag für die Artenvielfalt sei aber nach wie vor immens. "Es geht nicht nur um den Schutz und die Wiederherstellung der Wälder aufgrund ihres Klimabeitrags, sondern auch um die vielen wichtigen anderen Funktionen, die diese Ökosysteme übernehmen." Anstatt etwa nur das Pflanzen neuer Bäume voranzutreiben, müsse der Fonds vor allem dabei helfen, die Artenvielfalt zu bewahren.

Lokale Gruppen miteinbeziehen
Wer wie darüber entscheiden darf, wofür das Geld des Fonds genau ausgegeben werden soll, steht jedoch noch nicht fest. "Es darf jedenfalls nicht sein, dass nur die Politiker aus den beteiligten Entwicklungsländern über die Vergabe entscheiden, ohne nicht auch lokale oder unabhängige Parteien miteinzubeziehen", sagt Mayerhofer. Denn wenn Politiker nur von einer Wahl zur nächsten denken, könnte die langfristige Vision des Fonds verloren gehen.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Auftreibung des benötigten Geldes. Laut Experten dürfte es zwar einfacher sein, Geld aus Industriestaaten zu erhalten, wenn diese Kredite vergeben und ihr Geld mit Zinsen zurückerhalten, anstatt nur zu spenden. Dennoch ist die Summe von insgesamt 125 Milliarden Euro eine Herausforderung.

Wer zahlen soll
Laut Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva haben die reicheren Länder eine Verpflichtung, für den Klimaschutz und die Klimaanpassung auch in ärmeren Ländern zu zahlen, weil sie historisch bereits viel mehr zum Klimawandel beigetragen haben. Eva Mayerhofer sieht das etwas anders. "Es kann nicht sein, dass nur die reichen Länder ihr Geld einfließen lassen", sagt sie. Denn dadurch kommen nicht nur weniger Mittel zusammen, sondern es fehle häufig auch an Verantwortlichkeit in Entwicklungsländern, wirklich etwas gegen die Abholzung im eigenen Land zu unternehmen. "Es sollte eine Partnerschaft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sein. Nur so kann der Fonds etwas erreichen."

In Brasilien etwa stünde die Agrar- und die Energiepolitik immer wieder in Konflikt mit der Umweltpolitik. Um jedoch seriös zu sein, müsse sich der Klima- und Naturschutz wie ein Leitfaden durch alle Sektoren ziehen. Tut er das, könne man auch mit vergleichsweise wenig Geld sehr viel bewirken. Tut er es nicht, helfen auch viele Gelder nichts für den Umweltschutz. Vor allem davon hänge am Ende der Erfolg des Fonds ab. (Jakob Pallinger, 23.10.2024)

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