Frankfurter Allgemeine hier von Hans Christoph Böhringer
Mini-Reaktoren sollen die Atomkraft boostern und jetzt auch noch das Klima retten. Doch das könnte scheitern: an den Kosten und an der Sicherheit.
Riesige Kühltürme, so kennt man Atomkraftwerke. Auf den Werbebildern, mit denen die britische Firma Rolls-Royce die Zukunft der Kernenergie präsentiert, gibt es stattdessen eine grüne Landschaftsidylle, in der Mitte steht ein raupenförmiges Gebäude. Es sieht eher nach einem Opernhaus aus. Dieses Kraftwerk soll sogenannte kleine modulare Reaktoren beherbergen, Small Modular Reactors (SMR) auf Englisch. In kleiner Gestalt versucht die Atomkraft seit Jahren ein großes Comeback, nun unter der Flagge der Energiewende, als Klimaretter sozusagen. Atomkraft, argumentieren die Befürworter, sei emissionsarm wie die Erneuerbaren, liefere aber Strom unabhängig von Wetter, Tageszeit und Standort.
Die britische Regierung unterstützt Rolls-Royce mit 210 Millionen Pfund. Und während des Klimagipfels in Glasgow kündigte die US-Firma NuScale an, in Rumänien zusammen mit einer dort ansässigen Kernenergiefirma ein Kernkraftwerk mit sechs kleinen Reaktoren zu bauen, noch vor 2030. Der französische Präsident Emmanuel Macron bekräftigte zudem vor Kurzem die Rolle der Kernkraft für die emissionsarme Energiewirtschaft seines Landes, den Minireaktoren sagte er Förderungen zu.
Zweifellos ist Atomkraft zunächst annähernd treibhausgasneutral. Kritiker verweisen aber seit je auf die Gefahr eines Nuklearunfalls, auf den Missbrauch von Kernwaffen und auf die ungelöste Atommüllfrage. Was die Energiewende betrifft: Die Kernkraft sei teuer, störanfällig und somit nicht wirtschaftlich und würde dem Weiterausbau der billigeren Erneuerbaren im Weg stehen. Die Entwickler der kleinen Reaktoren behaupten nun, das Kostenproblem anzugehen und die Atomkraft gleichzeitig sicherer zu machen. Kann das stimmen?
Die Rolle der Kernkraft ist nicht nur unter Klimaschützern ein Streitpunkt, sondern auch in der EU. Aktuell wird debattiert, ob die Kernenergie in der EU-Taxonomie als nachhaltige Investition eingestuft werden soll. Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist dagegen, mit der künftigen Regierung dürfte sich an Deutschlands Position nichts ändern.
Massenproduktion soll die Reaktoren günstiger machen
.... „Klein“ sind diese Reaktoren im Sinne ihrer Leistung: 300 Megawatt elektrische Leistung gelten als Obergrenze, aber auch das ist nicht strikt, der Rolls-Royce-Reaktor läge mit seinen 470 Megawatt darüber.
Momentan baut Großbritannien noch zwei große Kernreaktoren mit je 1600 Megawatt elektrischer Leistung in Hinkley Point – ein Projekt, das Milliarden verschlingt und sich um Jahre verzögert. Hohe Kosten, lange Bauzeiten und hohe Kreditzinsen wegen des Investitionsrisikos, das sei für moderne Kernkraftwerke typisch, sagt Juan Matthews. Er war Berater der britischen Regierung für „fortgeschrittene Reaktoren“ und arbeitet am Dalton Nuclear Institute in Manchester. Die Lösung laut Matthews: „Man macht die Investition kleiner.“ Also auch den Reaktor........
Dass Massenproduktion die Kosten senkt, ist bei Fotovoltaik gut zu sehen. Aber wie viel muss es sein, damit der Nachteil durch die Verkleinerung der Kernreaktoren ausgeglichen wird? In einem Gutachten über SMR, das Anfang dieses Jahres im Auftrag des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) erstellt wurde, schätzen die Autoren, dass dafür mehrere Tausend Einheiten nötig wären. Zum Vergleich: Es sind derzeit weltweit circa 450 Kernreaktoren in Betrieb.
Der Ökonom Christian von Hirschhausen arbeitet an der Technischen Universität Berlin und war einer der Autoren des BASE-Gutachtens. Es gebe weltweit lediglich einzelne Projekte für Kernkraftwerke kleiner Leistung, sagt er. „Die Frage, ob eine Massenfertigung zustande kommen könnte, ist daher virtuell, weil das gar nicht absehbar ist.“.....
Was den Schritt hin zur zivilen Nutzung betrifft, so meint der Ökonom von Hirschhausen, die staatliche Förderung der kleinen Reaktoren in Frankreich und Großbritannien sei nicht ernst zu nehmen: Das sei eher als „Beschäftigungstherapie“ oder als „Aufrechterhaltung einer nuklearen Kompetenz“ zu sehen. Es sei sowieso unplausibel, die bereits unrentablen Kernkraftwerke großer Leistung mit Kraftwerken kleiner Leistung zu ersetzen. Auf den Begriff der kleinen modularen Reaktoren solle man sich gar nicht einlassen, meint von Hirschhausen, ein „fiktives Konstrukt“ sei das. „Das sind Kernkraftwerke“, sagt der Ökonom, „die arbeiten wie Kernkraftwerke, die haben dieselben Probleme der Entsorgung, die haben ungelöste Sicherheitsprobleme.“
Gibt es denn einen Platz für Kernkraft in der emissionsarmen Energieversorgung? „Den könnte es geben“, sagt Edwin Lyman. Aber man dürfe die Sicherheit nicht mit der Wettbewerbsfähigkeit aufwiegen. Der Anspruch müsse sein, die Sicherheit zu erhöhen. „Wenn das nicht gelingt, wenn Kernenergie selbst mit einer Kohlendioxidsteuer vergleichsweise zu teuer ist, um sie sicherer zu machen“, sagt er, „dann ist das eben das Ende dieser Geschichte.“
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