Montag, 1. Januar 2024

Warum wir 2024 nicht nur über Klima-, sondern auch über mehr Naturschutz sprechen müssen

 hier RND  Kommentar  Alisha Mendgen  28.12.2023

Der Schutz des Klimas und der Biodiversität muss zusammen gedacht werden, sonst droht ein gefährlicher Teufelskreis. Es ist zweifelhaft, ob die Ampel noch die Kraft aufbringen kann für die nötigen Weichenstellungen, kommentiert Alisha Mendgen.

Im neuen Jahr soll alles besser werden. Jedenfalls, was das Tempo von Planung und Bau von Infrastruktur angeht. Das haben Bund und Länder kürzlich beschlossen. Doch bevor ihr Maßnahmenpaket in Gesetzesform gegossen werden kann, kassieren die Pläne scharfe Kritik: Sie schadeten Natur und Umwelt, warnt der Umweltverband Nabu und verleiht den beschlossenen Maßnahmen zur Beschleunigung von Bauvorhaben seinen Negativpreis „Dinosaurier des Jahres“.

Für Kanzler Olaf Scholz sowie die Länderchefinnen und -chefs ist das keine Überraschung. Seit Monaten protestieren die Umweltverbände gegen das Vorhaben und distanzieren sich immer weiter von der grünen Partei, deren Minister das Paket weitestgehend mittragen.

Licht und viel Schatten bei dem Paket

Man sollte nicht unterschlagen, dass die Umweltverbände auch aufgebracht sind, weil sie um ihren Einfluss auf die Bauprojekte fürchten. Aber bei dem Paket gibt es tatsächlich neben Licht viel Schatten. Schatten, weil es das offensichtliche Ziel des Paktes ist, derzeitige Naturschutzmaßnahmen einzuschränken, um rascher bauen zu können. Umweltprüfungen sollen reduziert, Artenschutz soll vereinheitlicht werden.

Grundsätzlich ist gegen schnelleres Bauen nichts einzuwenden – das ist nötig, wenn es um bestimmte Projekte geht. Vorhaben, die Deutschland den Weg zur Klimaneutralität ebnen, müssen Vorrang haben. Dazu gehört beispielsweise der Erhalt von Straßen und die Sanierung von Brücken, die Schwerlasttransporte für Windkraftanlagen erst ermöglichen.

Doch den Naturschutz der Klimarettung zu opfern, wäre zu kurz gedacht. Die Klima- und die Biodiversitätskrise sind untrennbar verbunden und sollten gleichermaßen bekämpft werden. Wenn der Klimawandel nicht aufgehalten wird, leidet die Natur. Wenn die biologische Vielfalt nicht geschützt wird, gerät das Klima weiter durcheinander. Ein Teufelskreis mit fatalen Folgen für Menschen, da immer größere Teile der Welt unbewohnbar werden. Deswegen muss dem Naturschutz hohe Priorität eingeräumt werden, er darf für die Energiewende nicht blind ausgehöhlt werden.

Es ist richtig, Prozesse effizienter zu gestalten und die Behörden zu digitalisieren

Bei dem gerügten Maßnahmenpaket gibt es aber auch Licht: Es ist richtig, Prozesse effizienter zu gestalten und die Behörden zu digitalisieren, die vielerorts noch auf dem Stand der 1990er-Jahre zu sein scheinen. Die Vereinheitlichung von Landesbauordnungen ist ebenfalls unausweichlich.

Zentral muss dabei aber sein, klimaschutzfördernde Projekte stärker als bisher zu priorisieren und deutlich mehr Personal in den Behörden einzustellen. Liegt der Fokus stattdessen auf dem Abbau von Umweltschutz, sorgt das erstens nicht für eine ausreichende Beschleunigung. Und zweitens könnte diese Entscheidung wie ein Bumerang zurückkommen. Unter dem Strich müssen sich Bund und Länder darüber im Klaren sein, dass Umweltschutz den Erhalt der Biodiversität sowie die Einsparung von CO₂-Emissionen beinhaltet.

Einige Schritte in die richtige Richtung werden im neuen Jahr gegangen. So ist seit einiger Zeit geplant, dass ab Januar die Pfandpflicht deutlich ausgeweitet wird. Plastik verursacht Treibhausgase und belastet Flora sowie Fauna. Doch es müssen weitere Schritte folgen. Ob die Ampel dazu die Kraft hat, ist allerdings zu bezweifeln. Nach dem Debakel um das Gebäudeenergiegesetz wird sich die Bundesregierung kaum noch an wirksame Projekte zum Schutz der Umwelt wagen, weil die den Alltag der Menschen beeinflussen.

Zwar steht noch einiges aus dem Hause von Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf der Agenda: beispielsweise die Klimaanpassungsstrategie, die Strategie zur biologischen Vielfalt und ein Reparaturgesetz. Doch wieder drohen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionspartnern – mit dem Ergebnis einer Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners.



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