hier Frankfurter Allgemeine Zeitung Artikel von Niklas Maak • 13.1.23
Traktoren in der Stadt: Pack den Eber in den Tank
In New York gewinnt das Start-up Amogy Treibstoff für Traktoren aus Gülle und Kot. Diesel braucht da keiner mehr.
Wenn man sich Fotos aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg anschaut, sieht man darauf Städte, in denen Bauern mit Pferdefuhrwerken zu den Märkten fahren, die Fleischer tragen Rinderhälften über die Straße. All das gibt es nicht mehr.Fleisch tritt in der Stadt nur noch in abstrakten Portionen auf, die in eine Bratpfanne passen und nicht an Tiere mit Augen erinnern, Pferde sind nur noch auf Polo-Ralph-Lauren-Hemden zu sehen, Bauernhöfe und Traktoren gibt es nur im Spielzeugladen: Die Moderne war geprägt vom Verschwinden des Ländlichen aus der Stadt. Womit auch das Bewusstsein für die Bedingungen verschwand, unter denen Essen hergestellt wird.
Wenn jetzt seit Tagen endlose Kolonnen riesiger Traktoren in die Innenstädte einfallen, hat das etwas vom Einmarsch einer Zombie-Armee: Das von der städtischen Zivilisation Verdrängte kehrt in Monsterform zurück.
Die Fahrer luxuriöser Innenstadt-SUVs schauen konsterniert auf die Traktoren, deren Godzilla-Reifen allein größer als ihre Vehikel sind; die sonst so bedrohlichen Stadtgeländewagen sehen plötzlich ganz klein und verschüchtert aus – und billig.Der meistverkaufte Traktor in Deutschland, ein Fendt, kostet über 150.000 Euro, ein Claas Xerion 4000 über 370.000 Euro, mehr als ein Supersportwagen der Marke Lamborghini (deren Gründer sein Geld übrigens mit Traktoren machte). Kleinbauern können sich das nicht leisten. Was da durch die Stadt rollt, ist eine Demonstration der industrialisierten Großlandwirtschaft: Rein vom Wert der Vehikel her ist es so, als ob Tausende von Ferrari-Fahrern vors Kanzleramt donnerten.
Wie mit dem Ferrari vors Kanzleramt
Dass den Bauern kaum Sozialneid oder Wut entgegenschlägt, liegt daran, dass sie die vielen PS nachweislich nicht zum Spaß oder für Ampelrennen, sondern für die Arbeit brauchen, dass außerdem alle wissen, wie schlecht gerade kleine Landwirte insgesamt behandelt werden, und dass für das Auge des Städters der rote oder grüne Traktor trotz allem eher nach einem riesigen, freundlichen Spielzeug aussieht.
Traktoren sind oft größer als Panzer, wirken aber bei Weitem nicht so bedrohlich, selbst dann nicht, wenn ihr Fahrer das Traktorenfachmagazin mit dem missverständlichen Titel „Schlepperpost“ liest und wenn man weiß, dass „Traktor“ vom lateinischen trahere kommt, was ziehen, aber auch plündern heißt. Im Norden heißt der Traktor Trecker (ausgesprochen Tregger), im Süden war die Bezeichnung „Lanz“ üblich, bis die unselige gleichnamige Fernsehshow kam.
Heute sagt kein Bauer mehr „ich bin mit dem Lanz da“, womit das Modell Lanz Bulldog mit seinem legendären Glühkopfmotor gemeint war, in den man fast jeden Treibstoff, selbst Rohöl, hineinschütten konnte. Dass die Lokführer im gleichen Moment wie die Bauern auf die Barrikaden gehen, ist ein bizarrer Zufall; historisch gesehen, waren die ersten Traktoren nichts anderes als Lokomotiven mit großen Reifen. Schon um 1870 wurden solche Dampf-Traktoren gebaut, aber erst Fords mit 750 Dollar damals sehr günstiger Fordson-Traktor brachte 1916 die Massenmotorisierung auf den Bauernhof.
Die Proteste brachen jetzt aus, weil Traktorendiesel nicht mehr subventioniert werden soll, so wie die französische Gelbwesten-Bewegung mit dem Dieselpreis begann. Dabei bräuchte kein Bauer einen Diesel, wenn der Staat die Alternativen förderte und einforderte: Das Bild oben zeigt einen Traktor, der vor dem New Yorker Gebäude des Start-ups Amogy parkt.
Amogy spaltet Ammoniak, was aus dem Gemisch von Gülle und Kot entsteht, in Stickstoff und Wasserstoff – mit dem man dann eine Brennstoffzelle betreiben kann: Das Schwein liefert so seinem Bauern den Treibstoff. Fendt hat gerade einen Elektro-Traktor entworfen, eine Batterieladung reicht acht Stunden. Nur ganz bis nach Berlin fahren kann man mit ihm nicht so gut. Wäre dann aber vielleicht auch nicht mehr nötig.
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