Donnerstag, 25. Januar 2024

Atomkraft: Auch Chinesen können rechnen

hier  Telepolis  Artikel von Wolfgang Pomrehn  • 23.12.23

Nach Kostenexplosion steigt China-Partner aus dem Bau von Hinkley Point C in Großbritannien aus. Frankreichs EDF-Konzern steht vor Mega-Verlust. Ein Lehrstück über Markt und Macht.

Neues zum Thema billige Atomkraft. Der chinesische Konzern China Nuclear Power Group (CNG) steigt aus der Finanzierung der britischen AKW-Baustelle Hinkley Point C aus, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Der französische Partner, der höchst defizitäre Staatskonzern EDF, könnte allein auf den derzeit auf 32,7 Milliarden Pfund (37,9 Milliarden Euro) geschätzten Baukosten sitzen bleiben.

Die Financial Times schreibt, dass die Kosten vermutlich weiter steigen werden. Die Regierung in London habe EDF signalisiert, dass sie vorerst nicht denkt, in die Bresche zu springen. EDF müsse das Problem allein lösen. Allerdings ist von Gesprächen zwischen den Regierungen in London und Paris die Rede.

Demnach hatte CNG 2017 mit EDF vereinbart, ein Drittel der seinerzeit mit 18 Milliarden Pfund (20,8 Milliarden Euro) veranschlagten Baukosten zu übernehmen. Offensichtlich ist man nun aber nicht gewillt auch die – auf europäischen Baustellen übliche Kostenexplosion mitzutragen.

Hinkley Point C ist nicht der erste Fall, in dem den AKW-Bauern die Kosten aus dem Ruder laufe. EDF hatte auch in Flammanville, auf der anderen Seite des Kanals, und im finnischen Olkiluoto mit jahrelangen Verzögerungen und einer Vervielfachung des Kapitalbedarfs zu kämpfen.

Rekordverlust: 18 Milliarden Euro

Auch beim Betrieb der altersschwachen und entsprechend anfälligen französischen AKW, zeigte der Konzern, wie berichtet, kein glückliches Händchen. 2022 wurde ein Rekordverlust von 18 Milliarden Euro eingefahren, ein Minus für das letztlich der französische Fiskus aufkommt.

EDF betreibt, gemeinsam mit einem britischen Partner, auch die Flotte der meist altersschwachen Reaktoren auf der Insel. Diese sind bereits seit 28 bis 40 Jahren in Betrieb, und die meisten von ihnen müssen zum Endes Jahrzehnts vom Netz gehen.

Hinkley Point C: Lock-Angebot aus London

Der Neubau Hinkley Point C im Südwesten Englands – geplant sind zwei Reaktoren mit einer Leistung von zusammen 3,2 Gigawatt – musste, wie berichtet, von der britischen Regierung Kaufinteressenten mit einem Angebot schmackhaft gemacht werden, von dem die Betreiber von Windparks oder Solaranlagen nur träumen können.

In den ersten 35 Jahre werden ihnen der Strom für rund elf Cent pro Kilowattstunde abgenommen. Zudem wird der Garantiepreis auch noch mit der Inflationsrate steigen.



 hier  EFAHRER.com Artikel von Gero Gröschel  • 23.1.24

Weil Atomkraftwerke in Frankreich fehlen: Hier werden sich Strompreise noch bis 2025 erhöhen

Zwanzig Prozent von Frankreichs Kernkraftwerken stehen still.

Während Deutschland sich von der Kernkraft verabschiedet hat, wird unser Nachbar Frankreich gerne als Beispiel für eine funktionierende Atomkraft-Nation herangezogen. Doch auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Von insgesamt 56 Kernkraftwerken sind aktuell 12 Anlagen mit einer Bruttoleistung von fast 12.000 Megawatt nicht in Betrieb. Diese Situation hat die nukleare Stromerzeugung in Frankreich im Jahr 2022 auf den niedrigsten Stand seit über 30 Jahren sinken lassen, nämlich auf 279 Milliarden Kilowattstunden (kWh). Als Folge des Rückganges ist Frankreich nun ein Netto-Stromimporteur, was eine beispiellose Abhängigkeit von den Stromlieferungen der Nachbarländer nach sich zieht.

Obwohl sich die Situation 2023 mit einer Erholung der Atomstromerzeugung auf 320 Milliarden kWh leicht verbesserte, liegt dieser Wert immer noch weit unter dem Rekordwert von 451 Milliarden kWh aus dem Jahr 2005. Laut der Nachrichtenseite IWR ist dieser Rückgang hauptsächlich auf das Alter der französischen AKW-Werke zurückzuführen. Die Notwendigkeit umfangreicher Reparaturen und Wartungsarbeiten hat nicht nur die Stromproduktion beeinträchtigt, sondern auch zu einem Anstieg der Kosten für die Atomenergie geführt.

Kräftige Strompreiserhöhungen trotz Atomkraft

Die Kosten für die Wartung und Reparatur der alternden Kraftwerke haben zu einem drastischen Anstieg der Strompreise geführt. Laut einem Bericht der Tageszeitung „Le Monde“ haben sich die Geschäftsführung des verstaatlichten Energieversorgers EDF und die französische Regierung darauf geeinigt, dass der Preis für Strom aus Atomkraftwerken ab 2026 um 67 Prozent von 42 Euro pro Megawattstunde (MWh) auf 70 Euro pro MWh ansteigen wird. Diese Kosten werden zweifellos an die Verbraucher weitergegeben.

Die französischen Stromverbraucher haben bereits in den vergangenen Jahren drastische Preiserhöhungen erlebt. Die Strompreise sind seit September 2023 bis Februar 2024 um insgesamt 44 Prozent gestiegen, nach Erhöhungen von 15 Prozent im Februar 2023 und weiteren 10 Prozent im August desselben Jahres. Eine weitere Preiserhöhung ist für Februar 2025 geplant, was die finanzielle Belastung für Haushalte und Unternehmen weiter verschärfen wird.


Handelsblatt  hier    25.1.24 Artikel von Riecke, Torsten  • 

Großbritannien: Immense Kostensteigerungen werfen britische Nuklearpläne zurück

Der geplante Atommeiler Hinkley Point C könnte dem französischen Konzern EDF zufolge bis zu 40 Milliarden Euro kosten. Für den britischen Premier Sunak ist das ein weiterer Rückschlag.

Der Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point 2 in Somerset wird deutlich teurer als geplant. Wie der französische Energiekonzern Électricité de France (EDF) am Dienstagabend mitteilte, könnten sich die Kosten für den Atommeiler auf bis zu 35 Milliarden Pfund (umgerechnet gut 40 Milliarden Euro) erhöhen.

Zum Planungsbeginn 2016 sollte der Neubau noch 18 Milliarden Pfund kosten und 2025 fertig sein. 2022 war von maximal 26 Milliarden Pfund die Rede. Die Bauzeit könne sich im schlimmsten Fall bis 2031 hinziehen, warnte EDF jetzt. Ein zweiter Meiler soll kurz danach ans Netz gehen. Der französische Staatskonzern plant den Bau und will die Atomanlage später auch betreiben.

„Wie bei anderen Infrastrukturprojekten haben wir festgestellt, dass die Bauarbeiten langsamer voranschreiten als erhofft und wir mit Inflation, Arbeits- und Materialknappheit konfrontiert sind“, sagte Stuart Crooks, Geschäftsführer von Hinkley Point C, nach einem Bericht des Finanzinformationsdienstes Bloomberg in einem Memo an die Mitarbeiter. Zudem habe auch die Pandemie den Bau verzögert.

Für die Energiepolitik von Premierminister Rishi Sunak ist das ein schwerer Rückschlag, soll doch die Kernkraft nach den Plänen der konservativen Regierung bis 2050 etwa ein Viertel zur gesamtem Stromversorgung des Königreiches beitragen. Das Kraftwerk Hinkley spielt dabei eine zentrale Rolle und ist so etwas wie ein Pionierprojekt. Seit 1995 wurden in Großbritannien keine neuen Atomkraftwerke mehr gebaut.

Neben dem Ausbau von Hinkley will EDF in Suffolk einen weiteren Atommeiler mit dem Namen Sizewell C bauen, der rund 20 Milliarden Pfund kosten soll und den London mit zusätzlichen 1,3 Milliarden Pfund Steuergeldern unterstützen will. Zuvor hatte die Regierung bereits 1,2 Milliarden Pfund in das Nuklearprojekt gesteckt. Erst vergangene Woche hatte die britische Energieministerin Claire Coutinho „die größte Investition in die Kernkraft seit 70 Jahren“ angekündigt....

Laufzeitverlängerung geplant

Außerdem denken die Franzosen darüber nach, die Laufzeit von vier ihrer fünf bestehenden AKWs in Großbritannien zu verlängern. „Es war nicht leicht, nach einer 20-jährigen Pause die Atomindustrie in Großbritannien wieder in Gang zu bringen“, erklärte Hinkley-Manager Crooks.

Erschwert wird die Lage für EDF noch dadurch, dass die konservative Regierung in London den chinesischen Investor China General Nuclear Power (CGN) aufgrund von Sicherheitsbedenken von der weiteren Entwicklung der zivilen Atomkraft ausgeschlossen hat. Die Lücke, so hofft London, sollen nun andere internationale Investoren schließen.


IM Gegensatz zu den vorigen Artikel steht dieser hier. Wobei prognostizieren noch lange nicht heißen muss, dass es schließlich auch so umgesetzt wird.
Die internationale Energieagentur bekennt sich  offiziell zur Atomkraft

hier  heise online  Artikel von Andreas Wilkens  • 

Internationale Energieagentur prognostiziert Erstarken der Atomkraft

Die Internationale Energieagentur prognostiziert für die kommenden Jahre ein stärkeres Wachstum des weltweiten Strombedarfs – und der Atomkraft.

Der weltweite Strombedarf ist im vergangenen Jahr mit 2,2 Prozent auf 27.682 TWh gestiegen. Das geht aus dem Jahresbericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zur Stromproduktion hervor. Für die Jahre 2024 bis 2026 geht die Agentur von einem Wachstum der Stromnachfrage von durchschnittlich 3,4 Prozent aus.

Dabei werde auch der Anteil der Stromproduktion ohne CO₂-Emissionen wachsen, bis 2026 auf fast die Hälfte der weltweiten Produktion. Hier schließt die IEA jene aus Atomkraftwerken ein, schreibt die IEA. 2025 werde die Stromproduktion aus Atomkraft das bisherige Rekordhoch aus dem Jahr 2021 übertreffen. Dann seien die AKW-Wartungen in Frankreich abgeschlossen, Japan würde mehrere Reaktoren wieder ans Netz nehmen und in China, Indien, Korea und Europa würden neue AKW in kommerziellen Betrieb gehen.

Afrika stagniert

Der Anteil der Erneuerbaren Energie wird laut IEA-Prognose bis Anfang 2025 mehr als ein Drittel der gesamten Stromerzeugung ausmachen und die Kohle überholen. Wenn der Anteil fossiler Brennstoffe an der globalen Erzeugung unter 60 Prozent fällt, werde es das erste Mal sein, dass er in den Statistiken der IEA unter diese Schwelle gesunken ist. Diese reichen gut fünf Jahrzehnte zurück. "Der Energiesektor produziert derzeit mehr CO₂-Emissionen als jeder andere Sektor der Weltwirtschaft", erläutert IEA-Vorsitzender Fatih Birol. Daher sei das schnelle Wachstum der Erneuerbaren zum Beispiel durch günstigere Solarenergie und auch das Comeback der Atomkraft ermutigend. Dem gegenüber war aber das Jahr 2023 von einem starken Wachstum der Kohleverstromung geprägt.

Im vergangenen Jahr habe sich der sinkende Stromverbrauch in den USA und Europa auf die Produktion ausgewirkt, während er in China, Indien und Schwellen- und Entwicklungsländern robust gewachsen sei. Die IEA erwartet, dass bis 2026 etwa 85 Prozent des Anstiegs der weltweiten Stromnachfrage von Ländern außerhalb Europas und den USA kommen werde, vor allem aus China – auch wenn sich das Wachstum in dem Land verlangsamen werde –, Ländern Südostasiens und Indien stammen werde.

Für Indien prognostiziert die IEA das stärkte Wachstum der Stromnachfrage; in etwa drei Jahren werde dort etwa so viel Strom verbraucht wie zurzeit in Großbritannien. Im Gegensatz dazu stagniert in Afrika die Stromnachfrage sei mehr als drei Jahrzehnten. Im Oktober vorigen Jahres hatte die IEA prognostiziert, dass bis zum Ende dieses Jahrzehnts der Anteil der Erneuerbaren im Energiemix von momentan etwa 30 Prozent auf knapp 50 Prozent steigen wird


hier kommt gleich eine Antwort zum obigen Artikel

Frankfurter Rundschau hier  Stand:26.01.2024, Joachim Wille mit der Die Kolumne „Öko-logisch“.

Boom bei Erneuerbaren: Die Energiewende ist zu schaffen!

CO2-freie Energie ist laut einem aktuellen Report kräftig auf dem Vormarsch. Das macht Mut! 

Gute Nachricht gefällig? CO2-freie Energie ist kräftig auf dem Vormarsch. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat das in ihrem aktuellen Report verkündet. Bereits 2026 werde die Stromproduktion ohne fossile Energien fast die Hälfte des Gesamtverbrauchs decken, 2030 seien dann fast 60 Prozent drin, und das trotz deutlich steigender Nachfrage.

Das ist wirklich eine gute Nachricht, denn der Stromsektor ist bekanntermaßen der mit Abstand größte Klima-Einheizer, ihn fossilfrei zu machen, bedeutet schon die halbe Miete. Zumal die Elektrifizierung der Schlüssel ist, um auch den Verkehr und das Heizen klimafreundlich werden zu lassen. Stichworte: E-Autos statt Benziner und Diesel sowie Wärmepumpen statt Öl- und Erdgasheizungen.

Solarenergie immer billiger

IEA-Chef Fatih Birol lobt das rasante Wachstum der erneuerbaren Energien, vor allem durch die immer billiger werdende Solarenergie. Doch er nennt auch das „Comeback“ der Atomkraft ermutigend. So werde 2025 die Stromproduktion aus Kernenergie das bisherige „Rekordhoch“ aus dem Jahr 2021 übertreffen, so die Prognose.

Die Atomkraft als fulminante Klimaretterin? Diesen Eindruck erzeugt die IEA wieder einmal, auch wenn die Fakten nicht so recht dazu passen mögen. Tatsächlich ist der Anteil der Kernenergie am (gewachsenen) globalen Stromverbrauch 2022 mit 9,2 Prozent auf den niedrigsten Wert seit rund 40 Jahren gefallen. Und dass die Elektrizitätsmengen nun wieder ansteigen, liegt neben Neu-Inbetriebnahmen vor allem in China unter anderem daran, dass Frankreich und Japan zum Teil seit Jahren aus Sicherheitsgründen stillgelegte AKW wieder anschalten.

„Wundermittel“ Atomkraft?

Aktuelle Nachrichten lassen das „Wundermittel“ Atomkraft überhaupt nicht in strahlendem Licht erscheinen. Gerade wurde bekannt, die Fertigstellung des neuen britischen AKW Hinkley Point C wird sich noch einmal um Jahre auf 2031 verzögern, mit Baukosten von mindestens 35 Milliarden Pfund (40 Milliarden Euro) statt ursprünglich geplanter 18. Einen gewaltigen Rückschlag erlebte unlängst auch das Hoffnungsprojekt der Fans der Mini-Reaktoren, SMR genannt. Die US-Firma NuScale musste ihr aktuelles Bauprojekt aufgeben; kein Versorger wollte den zu teuren Strom abnehmen.

Gute Nachricht gefällig, auch nach diesen Infos? Die Energiewende ist zu schaffen, gerade, wenn Staaten und Konzerne kein Milliardensubventionen mehr in der Atomkraft versenken, sondern voll auf Erneuerbare und Energieeffizienz setzen.

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