hier im ZDF von Elisa Miebach 23.01.2024
Zehn-Schritte-Plan von Experten: So wird Deutschland unabhängig von Gas
Ein Fachrat stellt zehn Schritte für eine drastische Senkung von Erdgas vor. Das werde sich auszahlen, so die Experten. Es gehe auch um Deutschlands Sicherheit.
Es sind zehn Empfehlungen für eine große Frage: Der Fachrat für Energieunabhängigkeit stellt einen konkreten Plan vor, wie die Abhängigkeit Deutschlands von Erdgas um fast 80 Prozent reduziert werden kann.
Ein Jahr lang arbeiteten die Fachleute für Technik, Wirtschaft und Finanzen an dem Bericht. Im Fokus stehen die Sektoren Gebäude und Industrie.
Weniger Gas für Deutschlands Energieversorgung
Der Rat fordert die Reduktion von Gas nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch aus sicherheitspolitischen Gründen.
Erdgas macht rund ein Viertel des Energieverbrauchs Deutschlands aus - und wird fast ausschließlich aus anderen Ländern importiert. Schätzungsweise stammen immer noch rund vier Prozent des deutschen Verbrauchs aus Russland, meist transportiert über Drittländer, sagt Georg Zachmann vom Institut Bruegel gegenüber ZDFheute.Der Großteil des Erdgases für Deutschland kommt mittlerweile aus Norwegen und den USA ebenso wie aus den Vereinigten Arabischen Emirate und Katar.
Gas aus dem Ausland einzukaufen birgt Gefahren für Deutschland
Weder Deutschland noch Europa können sich darauf verlassen,
dass Erdgas zukünftig stabil zur Verfügung stehen wird.
Deutschland bliebe abhängig von geopolitischen Entwicklungen und von der internationalen sicherheitspolitischen Lage. Er nennt als Beispiele etwa die aufkommenden Wahlen in den USA und die aktuell unsicheren Seewege vor der arabischen Halbinsel.
Rat: Technisch ist Energie-Unabhängigkeit Deutschlands möglich
Die technischen Lösungen, Gas zu ersetzen, seien da, so die Autoren. Es gehe nun darum, wie diese umgesetzt und finanziert werden können. Die Empfehlungen zielen nicht nur auf Förderungen des Bundes ab, sondern auch auf effiziente Investitionen von Stadtwerken, Industrie, Finanzwirtschaft und Wohnungseigentümern.
Notwendig wären laut Studie rund 526 Milliarden Euro bis 2045. Der Großteil entfällt mit 482 Milliarden Euro auf den Gebäudesektor. In der Industrie könnte bereits mit "geringen Mitteln viel erreicht werden", so die Autoren, die den Bedarf hier mit 44 Milliarden Euro angeben.:
Können wir uns diese Transformation leisten,
statt einmal zu fragen, was kostet es uns denn,
wenn wir diese täglich weiter verschieben?
Der Fachrat verweist darauf hin, dass der Bund in der Energiekrise 2022 alleine 200 Milliarden Euro eingeplant hatte, um Unternehmen und Haushalte zu unterstützen.
Reaktionen aus Wohnungs- und Energiewirtschaft gemischt
Die Reaktionen auf die Vorschläge sind gemischt. Der Bundesverband der Wohnungs- und Immobilienunternehmer spricht gegenüber ZDFheute von "guten Vorschlägen", wünscht sich aber Ergänzungen.
Es würde zwar Hilfe für Wohnungsbesitzer mit geringem Einkommen vorgeschlagen, aber auch Mieter müssten mit einbezogen werden. Wie die Investitionen in Zeiten "hoher Anforderungen, Zinsen, Baupreise und Baukosten" durch die Wohnungswirtschaft allein gestemmt werden solle, sei nicht ausreichend adressiert.
Bundesregierung: Ausstieg aus Gas bis 2040
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stimmt zu, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Netze, der Energieeffizienz und der Hochlauf des Wasserstoffs so schnell wie möglich vorangebracht werden müsse. Bis dahin müsse man laut Verband aber noch auf Erdgas setzen. Der deutsche Gasverbrauch lasse sich aus Sicht des BDEW derzeit noch nicht durch klimaneutrale Alternativen ersetzen.
Deutschland steckt in einem Gas-Dilemma. LNG, verflüssigtes Erdgas, soll den Wegfall der russischen Lieferungen ausgleichen. Doch die Pläne der Bundesregierung sind teuer und klimaschädlich.
Das Bundeswirtschaftsministerium verweist auf Anfrage auf die Schritte, die bereits unternommen wurden, um die Energiewende voranzubringen. Die Bundesregierung rechne damit, dass der Gas-Ausstieg bis 2040 gelingen könne.
Expertin sieht Chance für Industriestandort Deutschland
Die Transformationsforscherin Maja Göpel begrüßt den Bericht und verweist besonders auf die Chancen für die Industrie. Pionierunternehmen, die auf neue Lösungen ohne Gas setzten, könnten die Technologieführerschaft Deutschlands weiter sichern.
Wo bleibt das Klimageld? Soziale Schieflage bei der Energiewende
In Gesprächen sei ihr der Stolz vieler Unternehmer aufgefallen: "Wir wollen an diesem Standort für etwas stehen, wir wollen die hohe Qualität sichern und die Industrie insbesondere mit der Ingenieurskunst kann genau in diesen Bereichen natürlich zeigen, was möglich ist", so Göpel.
Elisa Miebach ist Redakteurin in der ZDF-Umweltredaktion.
hier Handelsblatt von Krapp, Catiana Stratmann, Klaus Witsch, Kathrin Kersting, Silke • 23.1.24
Handelsblatt Energie-Gipfel 2024 (hier):
Kraftwerksstrategie auf der Ziellinie – Branche macht Druck
Erst Gas, dann Wasserstoff: Die Richtung für die Zeit nach dem Kohleausstieg ist klar, nur ein entscheidendes Element fehlt. Doch nun wächst die Hoffnung auf einen Durchbruch.
Führende Vertreter der Energiebranche drängen die Bundesregierung, endlich eine Strategie für den Bau von Gaskraftwerken in Deutschland vorzulegen. Auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel in Berlin sagte Uniper-Chef Michael Lewis: „Wir brauchen genug Zeit, um neue Gaskraftwerke aufzubauen und sie dann in den 2030ern zu Wasserstoffkraftwerken umzubauen.“
Uniper plant wie RWE und andere Unternehmen, neue Gaskraftwerke zu bauen, um die vom Netz gehenden Kohlekraftwerke zu ersetzen. Sie wollen aber erst investieren, wenn die Bundesregierung ein Konzept vorlegt, mit dem sich die Investitionen für die Energiekonzerne auch lohnen. Der Bund hat dazu schon länger eine Kraftwerksstrategie in Aussicht gestellt, die Verabschiedung verzögert sich aber seit Monaten.
Stephan Kapferer, Chef des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, der mit für die Stabilität des Stromnetzes in Deutschland verantwortlich ist, forderte: „Wenn wir den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen wollen, dann brauchen wir die Entscheidung jetzt, weil wir ja auch noch eine Bauphase haben.“
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