Sonntag, 28. Januar 2024

Nur 52% der vom Land bestellten Züge wurden von der Bahn AG bereit gestellt

Südkurier  hier 26.1.24 Stefan Hilser

Zu wenig Züge auf Süd- und Bodenseegürtelbahn: Wie könnte eine Lösung aussehen?

Das Land bestellt mehr Züge, erhält von der Bahn AG aber weniger als zuvor. Der Vertrag werde teils nur zu 52 Prozent erfüllt, beklagt das Land. Welche Perspektiven gibt es? Dürften es die Schweizer richten?



Streiks der Lokomotivführer sind das eine. Hausgemachte Probleme der Bahn AG das andere. Weil viele Züge zur Wartung in der Werkstatt feststecken, kommen nicht so viele Waggons auf die Schiene, wie vom Stuttgarter Verkehrsministerium vorgegeben und bestellt. Stau in der Werkstatt bremst auch die regionale BOB (Bodensee-Oberschwaben-Bahn) aus. Auch sie kann ihren Vertrag nicht voll erfüllen. Das Ministerium macht Druck und verhängt Vertragsstrafen. Das nützt aber den Bahnkunden nichts.

Ein Gegenbeispiel ist die Schweizer Bahn am Hochrhein, mit Seehas und Rhyhas, wo der Vertrag teils zu 100 Prozent erfüllt wird. Die Fahrgäste zwischen Ravensburg und Radolfzell fragen sich: Wann tritt endlich bei uns eine Besserung ein?

Wo liegt das Problem?

Wie jedes Auto muss auch mal ein Zug in die Werkstatt oder zu einer Art TÜV. Für öffentliche Schienenfahrzeuge gibt es vorgeschriebene Wartungsintervalle. Für die auf der Südbahn und auf der Bodenseegürtelbahn fahrenden Züge, sowie Triebwagen der BOB, steht die Werkstatt der DB Regio in Ulm. „Aktuell verzeichnen wir einen Rückstau“, bestätigt die Bahn AG einen Medienbericht.
Grund hierfür seien „unter anderem erhöhte Krankenstände beim Personal“, außerdem gebe es bei der Beschaffung von Ersatzteilen Engpässe. „Einige Züge auf der Südbahn sind daher mit reduzierter Kapazität unterwegs.“

Welche Auswirkungen hat das?

Weniger Züge: Das heißt nicht nur weniger Sitzplätze für die Bahnreisenden und damit Gedränge im Waggon. Sondern es kann auch zu ganzen Zugausfällen führen, was den Fahrplan durcheinanderbringt. In der zweiten Januarwoche beispielsweise endete der Regionalexpress von Friedrichshafen Richtung Stuttgart bereits in Esslingen. Die Fahrgäste mussten umsteigen. Dabei hatte das Land Baden-Württemberg sogar noch versucht, im Vorfeld des neuen Fahrplans, der seit Dezember gültig ist, mit einer größeren Bestellung dem Mangel vorzubeugen.

Wie groß sind die Ausfälle?

Wie ein Sprecher des Verkehrsministeriums bestätigte, habe man auf der Strecke Friedrichshafen-Ulm werktags in stark frequentierten Zügen die Zahl der Sitzplätze um 100 auf 300 erhöht. Nur: Die Bahn liefert diese zusätzlichen Sitzplätze nicht, weil es ihr an Waggons (Elektrotriebzügen) fehlt. Im Gegenteil: Ihr Angebot falle sogar unter die für das Vorjahr bestellten Kapazitäten.
Aktuelle Zahlen lägen noch nicht vor. Bereits im Oktober habe die DB Regio ihren Vertrag gegenüber dem Land nur zu 52 bis 67 Prozent erfüllt. Auf der Bodenseegürtelbahn, der Strecke zwischen Friedrichshafen und Radolfzell, dürften die Zahlen nicht viel besser sein.

......

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Die Verträge zwischen dem Land und der DB Regio sind jeweils langfristig angelegt, aber nicht unauflöslich. So löste das Ministerium nach Problemen auf der Regionalbahn Singen-Schaffhausen den Vertrag vorzeitig auf und lässt seit Dezember 2022 einen Schweizer Zug fahren. Die Ausschreibung für den neuen Vertrag war daran gebunden, dass die Züge „in unmittelbarer Nähe“ des Schienennetzes gewartet werden müssen. Ulm wäre zu weit weg gewesen, weshalb nur die SBB GmbH, Tochterunternehmen der Schweizer Bundesbahn, die Bedingungen erfüllen und ein Angebot abgeben konnte. Hier entschied also nicht das „wirtschaftlich günstigste Angebot“, sondern das qualitativ beste. Das geht. Seitdem fahren hier Schweizer Züge, und zwar pünktlich, sauber und zuverlässig. Von wegen 52 Prozent! Nach einem Jahr, im Dezember 2023, lautete die Bilanz, dass die Schweizer den Vertrag mit dem Land auf der Strecke Erzingen-Schaffhausen zu 100 Prozent erfüllen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen