Dienstag, 30. Januar 2024

Das große Glyphosat - Rätsel

Irgendwann muss mir mal jemand erklären, was da gerade passiert: In den USA gehen die Gerichte davon aus, dass Glyphosat-Einsatz  krebserregend ist  und reagieren mit ungeheuren Schadenssummen - bei uns ist der Glyphosat-Einsatz dagegen vollkommen ungefährlich? Irgendwie finde ich das nicht sehr vertrauenserweckend. Wie peinlich wäre das denn, gerade für Herrn Özdemir, wenn die Klage gegen Glyphosat vor dem EU-Gericht positiv beschieden würde. 

Wenn man nun argumentieren möchte, das Mittel sei für Landwirte unverzichtbar, dann frage ich mich: Sind denn nicht die Landwirte die naheliegendsten "Opfer", die man vor der eigenen Unwissenheit schützen müsste? Soweit ich das mitbekommen habe, waren es gerade frühere Anwender von Glyphosat, die aufgrund ihrer Erkrankung in den USA die erfolgreichen Klagen geführt haben. .......

Und dabei geht es noch um so viel mehr: die bedrohte Biodiversität.


hier   Geschichte von Investing.com • 29.1.24

Glyphosat-Urteil erschüttert Bayer: Aktien auf Talfahrt

Ein finsterer Montag für Bayer: Die Aktien des deutschen Pharmariesen erlebten heute einen dramatischen Absturz, nachdem das Unternehmen zu einer Rekordzahlung von 2,25 Milliarden Dollar verurteilt wurde. Ein 49-jähriger Mann behauptete, durch das Unkrautvernichtungsmittel Roundup, das Bayer im Rahmen der Monsanto-Übernahme 2018 erwarb, an Krebs erkrankt zu sein.

Das Urteil, am Freitag von einem Geschworenengericht in Pennsylvania gefällt, setzt sich aus 250 Millionen Dollar Schadenersatz und einer Strafsumme von 2 Milliarden Dollar zusammen. Dies markiert einen neuen Höhepunkt in einem jahrelangen Rechtsstreit um das umstrittene Herbizid.

Bayer kündigte umgehend an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Das Unternehmen betont, dass es im Widerspruch zu umfassenden wissenschaftlichen Beweisen und weltweiten regulatorischen sowie wissenschaftlichen Bewertungen steht.

Die Finanzwelt reagierte prompt auf das Urteil. Analysten von Morgan Stanley gehen davon aus, dass der endgültige Betrag nach Nachprüfungsanträgen möglicherweise reduziert wird. Dennoch sehen sie dies als einen weiteren Rückschlag inmitten der andauernden Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Glyphosat.

In den Bilanzen hat Bayer bereits Rückstellungen von rund 6 Milliarden Euro für den Glyphosat-Rechtsstreit vorgenommen. Insgesamt sind etwa 165.000 Klagen gegen das Unternehmen wegen vermeintlicher Personenschäden durch Roundup anhängig, wobei die meisten Kläger "bösartige Erkrankungen des Lymphgewebes" geltend machen. Bis zum dritten Quartal waren 52.000 dieser Fälle weder beigelegt noch gerichtlich verhandelt worden.

Die Analysten von Morgan Stanley weisen darauf hin, dass, obwohl sie davon ausgehen, dass diese Fälle den Großteil der verbleibenden Haftung ausmachen, zukünftig weitere Klagen eingereicht werden könnten.

Bayer bleibt unbeirrt in seiner Verteidigung von Roundup, indem das Unternehmen darauf hinweist, dass langjährige Studien die Unbedenklichkeit des Mittels für den Menschen belegen. Das nächste Glyphosat-Verfahren steht bereits Anfang nächsten Monats in Delaware an.


Deutschlandfunk hier  16.11.2023

Europäische Kommission:  Glyphosat-Zulassung bleibt zehn weitere Jahre bestehen

Der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat erhält in der EU eine Zulassung für weitere zehn Jahre – allerdings unter Auflagen und mit Einschränkungen. Das hat die Europäische Kommission in Brüssel mitgeteilt. Sie hat das letzte Wort, weil sich die Mitgliedstaaten nicht einigen konnten.

Diplomaten zufolge fand sich bei den Gesprächen der Mitgliedsstaaten weder für noch gegen die Zulassungsverlängerung eine qualifizierte Mehrheit. Sieben Länder enthielten sich demnach der Stimme, unter ihnen auch Deutschland. Die aktuelle Zulassung wäre zum 15. Dezember ausgelaufen.

Landwirte müssen „Pufferstreifen“ einhalten

Nach dem Vorschlag der Behörde wird der Einsatz von Glyphosat in der EU damit bis 2033 erlaubt. Der Einsatz wird jedoch begrenzt. So sollen Landwirte zum Beispiel mindestens fünf Meter breite Pufferstreifen einhalten. Auch in welchen Mengen und wie häufig Glyphosat eingesetzt wird, sollen die Mitgliedstaaten einschränken können.

Glyphosat zählt zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Unkrautvernichtern. Der Wirkstoff steht im Verdacht, krebserregend zu sein.

Deutschland hatte sich in den Verhandlungen zu Glyphosat enthalten, weil die Bundesregierung keine gemeinsame Position fand. Die Grünen wollten die Zulassung auslaufen lassen, die FDP befürwortete den Vorschlag der EU-Kommission. Der Vorsitzende des Agrarausschusses im Europa-Parlament, der CDU-Politiker Lins, bezeichnete die Verlängerung als einen wichtigen Schritt für die europäische Landwirtschaft.

Kritik von den Grünen

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir kritisierte die Entscheidung und verwies auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, Glyphosat in Deutschland bis Ende 2023 vom Markt zu nehmen. Er gehe davon aus, dass die Koalition ihren nationalen Spielraum nutze. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europäischem Parlament, Häusling, beschuldigte die Mitgliedsländer, das Ruder aus der Hand gegeben zu haben. Das Ergebnis sei ein Armutszeugnis politischer Verantwortung und nicht nachvollziehbar. Die Bedenken hunderter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, alarmierende Studien und Wünsche von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern seien in den Wind geschlagen worden.


ACKERGIFT  Regina Bruckner  21. November 2023  Standard hier

Warum NGOs gegen die Wiederzulassung des Unkrautvernichters Glyphosat vor Gericht ziehen

Weil sich die Mitgliedsstaaten nicht einigen konnten, hat die EU-Kommission die Zulassung von Glyphosat automatisch verlängert. Nun regt sich dagegen Widerstand.

In Sachen Glyphosat sind die Würfel gefallen. Zumindest fürs Erste. Die EU-Kommission wird die Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels, die am 15. Dezember auslaufen wird, auf weitere zehn Jahre verlängern. Das ist im EU-Recht so vorgesehen, wenn die Mitgliedsstaaten sich weder auf ein Für noch auf ein Wider verständigen können. Das war vergangene Woche der Fall. Im EU-Berufungsausschuss kam am vergangenen Donnerstag erneut keine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für die Verlängerung oder Ablehnung der Zulassung zustande. Unmittelbar danach – und damit für viele überraschend schnell – gab die EU-Kommission ihre Entscheidung bekannt.

Umweltschützer demonstrieren in Berlin gegen das Artensterben. 

Mehrere europäische Umwelt-NGOs wollen es aber nicht darauf beruhen lassen. PAN Europe und die Mitgliedsorganisationen Générations Futures (Frankreich), Global 2000 (Österreich) und PAN Germany wollen beim EU-Gericht in Luxemburg die Entscheidung anfechten. Die vier NGOs wollen darlegen, dass das EU-Pestizidrecht im Hinblick auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, insbesondere der biologischen Vielfalt, nicht eingehalten wurde. Demnach müssten "menschliche Gesundheit und die Umwelt Vorrang haben", sagte Martin Dermine von PAN Europe vor Journalisten am Dienstag. Das Vorsorgeprinzip sei die Grundlage der Pestizidgesetzgebung. "Die Wiederzulassung von Glyphosat widerspricht dem Vorsorgeprinzip", ergänzte Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei Global 2000.

Politische Entscheidung

Die Schlussfolgerung der NGOs: Es habe sich um eine politische Entscheidung gehandelt, die durch EU-Recht nicht gedeckt sei. Dermine verweist zudem auf ein aktuelles Glyphosat-Urteil aus den USA. Demnach hat ein Geschworenengericht im Bundesstaat Missouri den deutschen Chemieriesen Bayer in einem weiteren Glyphosat-Prozess zur Zahlung von mehr als 1,5 Milliarden Dollar verurteilt. Das Gericht gab damit Klägern recht, die ihre Krebserkrankungen auf die jahrelange Anwendung des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup zurückgeführt hatten. Entsprechende Vorwürfe gegen Glyphosat hat der deutsche Pharmakonzern stets zurückgewiesen. Dass in Europa die Zulassung verlängert wird, sieht Dermine als eine Fehleinschätzung.

Ohnehin stehe in der EU eine Mehrheit der Bevölkerung dem Herbizid kritisch gegenüber, betont Dermine. Gegen die Wiederzulassung hatten Österreich (das durch einen Parlamentsbeschlusses gebunden ist, Anm.), Kroatien und Luxemburg gestimmt. Große Länder wie Frankreich, Deutschland und Italien hatten sich der Stimme ebenso enthalten wie Belgien, Bulgarien, Malta und die Niederlande. Für die Verlängerung hätten Länder gestimmt, die nur 42 Prozent der EU-Bürger repräsentieren, argumentieren die NGOs. Sie werfen der EU-Kommission vor, "auf der Seite der Agrarindustrie" zu stehen. Nun steht ein langwieriges Prozedere bevor. Die NGOs werden Einspruch gegen die Zulassungsentscheidung erheben. Nach dem Einbringen der Klage habe die EU-Kommission 22 Wochen Zeit, um zu antworten. Danach gehe der Ball zurück an die NGOs. Zu erwarten sei, dass die Antwort sinngemäß lauten wird: "Wir haben alles richtig gemacht." Erst dann sei die offizielle Beschwerde beim EU-Gericht möglich. Vor 2026 sei mit keiner Entscheidung zu rechnen, schätzt Dermine.

Die EU-Kommission stützte sich bei ihrer Entscheidung auf die Bewertungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und auf jene der Europäischen Chemikalienagentur (Echa). Die Efsa sah eine Wiederzulassung in ihrer letzten Bewertung unkritisch, wie davor die Echa auch. Burtscher-Schaden sieht dies naturgemäß anders: Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse seien bei der Bewertung "systematisch ignoriert" worden. Peter Clausing, Toxikologe bei PAN Germany, argumentiert, die Echa habe ihre eigenen Richtlinien bei der Bewertung von Glyphosat als krebserregend nicht ausreichend beachtet. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse wie die Auswirkungen auf das menschliche Mikrobiom seien wiederum von der Efsa ignoriert worden. Auch die "verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt" seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Erst seit 2021 ist es möglich, dass auch Umwelt-NGOs und Bürgerinnen ihre Umweltrechte vor dem Gerichtshof der EU geltend machen. Helmut Burtscher-Schaden rechnet sich durchaus Chancen aus, dass der EU-Gerichtshof in Sachen Risikobewertung zu einer anderen Einschätzung als die EU-Kommission kommt. Erika Wagner, Vorständin des Instituts für Umweltrecht an der Johannes-Kepler-Uni in Linz, spricht von einer "wichtigen Signalwirkung, dass es hinsichtlich der Verwendung von Glyphosat in der EU keinen Konsens gibt". Das gilt übrigens auch für Österreich. Viele Landwirte und vor allem ihre Vertreter wollen nicht auf den Einsatz des Unkrautvernichters verzichten. Sie sind auch skeptisch (siehe dazu das Interview mit LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger) gegenüber einer generellen Pestizidreduktion, wie sie im Rahmen des Green Deal der EU geplant ist. (Regina Bruckner, 21.11.2023)


RiffReporter hinter der Bezahlschranke  hier  von Marianne Falck

Glyphosat-Debatte: „Die neurotoxischen Wirkungen von Pestiziden werden nicht mal erwähnt“

Forscherin über Glyphosat: „Die EU hat Parkinson nicht auf dem Schirm – und das sorgt mich“

Parkinson und andere neurodegenerative Erkrankungen sind auf dem Vormarsch. Was ist die Ursache? In den letzten Jahren sind Pestizide wie Glyphosat stärker in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Die Zahl der Betroffenen ist längst größer als angesichts des demografischen Wandels erwartet wurde. Im Interview mit RiffReporter kritisiert Daniela Berg, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, dass Politik und Behörden mögliche Parkinson-Erkrankungen bei der Bewertung von Pestiziden nicht auf dem Radar haben.

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