hier Telepolis Artikel von Wolfgang Pomrehn •18.1.24
China wird immer als größter "Klimasünder" bezeichnet. Doch das ist irreführend. Jetzt zeigt sich, wie das Land die Industriestaaten beim Klimaschutz abhängt.
"Aber China", so kann man es gelegentlich hören, wenn hierzulande Klimaschutz eingefordert wird. China war 2023 mit 11,9 Milliarden Tonnen Co2-Emissionen aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen sowie der Herstellung von Zement der mit Abstand größte "Klimasünder".
Gefolgt übrigens von den USA mit 4,9 und Indien mit 3,1 Milliarden Tonnen. (Angaben nach Daten des Global Carbon Budget.) Allerdings ist das auch kein Wunder.
Mit 1,425 Milliarden Menschen beherbergt die Volksrepublik 17,7 Prozent der Weltbevölkerung. Mit 8,4 Tonnen CO2 pro Kopf sind die spezifischen Emissionen noch immer erheblich niedriger als in den USA und auch nur geringfügig als die hiesigen, die 2022 bei 7,9 Tonnen pro Kopf und Jahr lagen.
Klimaschutz: Chinas überraschende Emissionsdaten
Mit dem Unterschied, dass sie sich hier schon seit vielen Jahrzehnten auf diesem hohen Niveau bewegen und vor nicht allzu langer Zeit sogar noch höher waren. In China sind die Emissionen hingegen erst seit etwa 2005 drastisch angestiegen.
Und sie könnten bereits ihren Höhepunkt erreicht haben, wie eine Untersuchung des finnischen Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) nahelegt. CREA ist nach eigenen Angaben eine unabhängige Organisation, die sich der Erforschung von Trends, Ursachen und Gesundheitsauswirkungen der Luftverschmutzung und ihren Lösungsansätzen widmet.
Klimasünder baut massig Kohlekraftwerke: Und senkt trotzdem CO2-Ausstoß
Demnach könnten schon in den nächsten Jahren die chinesischen Treibhausgasemissionen ihren Höhepunkt überschritten haben und beginnen, langsam zurückzugehen. Dafür spricht unter anderem auch der gewaltige Ausbau der Solar- und Windenergie, über den wir kürzlich hier auf Telepolis berichtet haben.
Was Forscher optimistisch macht
Sollte die CREA-Prognose eintreten, wäre das mal wieder die in China übliche Planübererfüllung. Im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen hatte die chinesische Regierung die Selbstverpflichtung abgegeben, dass das Land bis 2030 den Höhepunkt seiner Treibhausgasemissionen erreichen und diese danach absenken würde.
Was die Autorinnen und Autoren optimistisch stimmt, dass dieses Ziel schon früher erreicht werden könnte, ist der langfristige Trend. Im letzten Jahrzehnt waren die Emissionen, über einen längeren Durchschnitt gerechnet, nur noch sehr langsam angewachsen. Trotz des Neubaus zahlreicher Kohlekraftwerke und des immer noch wachsenden Strombedarfs.
Aber auf den Straßen nimmt die Zahl der Elektroautos rasch zu – die motorisierten Zweiräder sind ohnehin schon seit Jahren meist elektrisch unterwegs – und die meisten CO2-Emissionen fallen entsprechend in der Schwerindustrie und den Kraftwerken an. Und letztere sind eher unterbeschäftigt, laufen im Durchschnitt nur die Hälfte des Jahres oder noch weniger.
Warum starker Anstieg im letzten Jahr?
Außer 2023. Da haben die Treibhausgasemissionen im Land der Mitte unerwartet und plötzlich stark zugelegt, allerdings aufgrund von zwei Sondereffekten: Zum einen erholte sich die Wirtschaft von Lockdown und Pandemie, was zu einem erheblichen Nachholbedarf führte.
Zum anderen sorgte eine ganz außerordentliche Dürre 2022 und 2023 dafür, dass in den Stauseen zu wenig Wasser war. Entsprechend ging die Erzeugung der Wasserkraftanlagen zurück, die in normalen Jahren ein knappes Fünftel der Stromversorgung abdecken.
Doch das war nur eine Momentaufnahme. Andererseits geht der Ausbau von Solar- und Windenergie mit Siebenmeilenstiefeln voran, ganz so, wie es in den Szenarien aussieht, mit denen das in Paris seinerzeit 2015 in den UN-Klimaverhandlungen vereinbarte Ziel, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, noch zu erreichen ist.
Enorme Investitionen in Erneuerbare
Auch die Tatsache, dass nicht nur Solar- und Windkraftanlagen in unvorstellbaren Mengen installiert werden, sondern auch die Anlagenhersteller kräftig expandieren, stimmt die Autorinnen und Autoren optimistisch.
Rund zehn Prozent aller industriellen Investitionen gingen in China im vergangenen Jahr in diesen Sektor, ein Umfang, von dem Deutschland und die EU Lichtjahre entfernt sind. Doch statt selbst mehr zu investieren, denkt man hierzulande mal wieder über Strafzölle gegen chinesische Solaranlagen nach.
Sorgen machen den Autorinnen und Autoren derweil die hohe Zahl neuer Kohlekraftwerke, die im Bau oder geplant sind, der weiter wachsende Energiebedarf und die Zunahme der Energieintensität der chinesischen Wirtschaft durch die Stimulus-Maßnahmen infolge der Pandemie.
Auch in China liegt in der Klimapolitik noch manches im Argen. Doch wer mit dem Finger nur auf das Riesenland im Fernen Osten zeigt, statt hierzulande den Umbau der Industriegesellschaft voranzutreiben, sollte sich nicht beschweren, wenn die heimischen Hersteller nicht mehr mithalten können.
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