hier Frankfurter Rundschau 12.01.2024, Von: Manfred Niekisch
Biologische Vielfalt hilft gegen Ernteausfälle und den fortschreitenden Klimawandel. Aber wofür oder wogegen helfen die Konvois der Traktoren?
Es steckt eine wichtige Idee hinter dem IDE. Kein Wortspiel und kein Kalauer. IDE ist die Abkürzung für ein Forschungsprogramm namens „Internationales Dürre-Experiment“. Forschungsteams untersuchten an 100 Standorten, wie sich Trockenheit auf die Vegetation auswirkt. Und das auf allen Kontinenten außer der Antarktis.
Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass der Klimawandel zu extremen Wetterereignissen führt, also zu Starkregen und Überschwemmungen einerseits und zu Hitzeperioden und anhaltender Trockenheit andererseits. Die Ergebnisse dieser weltweiten Studie sollen nun helfen vorherzusagen, welche Ökosysteme während Trockenperioden besonders gefährdet sind und welche ökologischen Auswirkungen das hat.
Da kam einiges an Erkenntnissen zusammen, und wieder einmal Überraschendes. So ist der Rückgang des Pflanzenwachstums bei Dürre weitaus höher als bisher angenommen. Die Folgen liegen auf der Hand. Weniger Ertrag vom Grünland bedeutet weniger verfügbares Viehfutter. Da gäbe es ein einfaches Mittel: weniger Vieh halten.
Das könnte unter anderem nach sich ziehen, dass weniger Fleisch zur Verfügung stünde, damit teurer würde, folglich weniger davon verzehrt würde. Das wäre gut für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, auch für das liebe Vieh, aber schlecht für unsere eingefleischten Essgewohnheiten.
Zudem stellte die Forschungsgruppe um die Professorin Anke Jentsch von der Universität Bayreuth fest, dass intensiv bewirtschaftetes Grasland mit wenigen Arten anfälliger ist gegen Trockenheit und sich von Dürrephasen schlechter erholt als artenreiches Grünland. Jeder kennt sie, die typischen Viehweiden, auf denen kaum etwas anderes wächst als Futtergräser und Klee.
Die leiden in Trockenzeiten besonders. Dagegen sind artenreiche Heuwiesen und vielfältige Artenmischungen weit besser gegen Trockenheit gefeit. Viele unterschiedliche Arten von Gräsern und Kräutern auf der Wiese oder Weide übernehmen viele unterschiedliche Funktionen, stabilisieren so das System gerade bei extremen Wettersituationen und verbessern deutlich die Fähigkeit zur Erholung danach.
Und siehe da: Wir sind wieder mit der Erkenntnis konfrontiert, dass Biodiversität klare positive Wirkungen hat, sogar im bewirtschafteten Grünland. Und Ernteausfälle bei Dürren zumindest abpuffern, wenn nicht sogar verhindern kann. Gut für das Klima wäre das auch, denn mehr Pflanzenmasse speichert mehr CO2. Logisch!
Da kann man nur bedauern, dass die derzeitigen Proteste der Bäuerinnen und Bauern keinen Platz lassen, über die dringend notwendige Ökologisierung der Landwirtschaft zu diskutieren. Es geht halt ums Geld, um die Sicherung von Privilegien und Subventionen.
Ob es dazu zielführend ist, ganze Städte lahmzulegen mit Konvois von Traktoren, ob solche massiven Behinderungen des Verkehrs Sympathien schaffen für die Anliegen des Bauernverbandes und seiner Mitglieder, ob der Kaperung der Proteste durch rechte und gewaltbereite Gruppen wirksam begegnet wird? Man darf es angesichts der aktuellen Entwicklungen getrost hinterfragen.
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