Mittwoch, 5. November 2025

Deutschlands Energiewende verliert an Schwung und Europa verliert industrielle Wettbewerbsfähigkeit

Frankfurter Rundschau hier 04.11.2025  Lennart Niklas Johansson Schwenck

Asiens grüner Vorsprung: Wie Klimapolitik zum Wachstumsmotor wird – und Europa hinterher hinkt

Asiens Klimastrategie bringt Wachstum: Europa fällt im grünen Wettbewerb zurück
Asien macht Klimaschutz zum Wachstumsmotor. China beherrscht dabei die Solar- und E-Auto-Branche. Europa verliert an Momentum und Wettbewerbsfähigkeit.

Während Europa in eine Phase grüner Ernüchterung eintritt, entfaltet sich in Ost- und Südostasien eine gegensätzliche Dynamik. Laut einem Journal von Internationale Politik und Gesellschaft der Friedrich-Ebert-Stiftung gilt der Klimawandel in Ländern wie Japan, Südkorea, Vietnam und China längst als zentrale Herausforderung – und zugleich als Hebel für Wachstum, Technologie und Wettbewerbsfähigkeit.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In Südkorea sehen 85 Prozent, in Japan 81 Prozent und auf den Philippinen über 90 Prozent den Klimawandel als ernste Gefahr. Deutlich mehr als in vielen europäischen Ländern. Diese Bedrohungswahrnehmung prägt politische Prioritäten und wirtschaftliche Strategien in einer Deutlichkeit, die Europa zuletzt verloren hat.

China dominiert globale Solarmärkte – Staatliche Subventionen als Erfolgsfaktor
Am deutlichsten zeigt sich diese Dynamik in China, wo klimaverträgliches Wachstum Teil einer langfristigen industriepolitischen Strategie ist. Informationen zufolge stammen heute rund 80 Prozent der weltweit produzierten Solarmodule aus chinesischer Fertigung; bei Batterien liegt der Anteil bei über 60 Prozent. Gleichzeitig drängen chinesische Automobilhersteller wie BYD, Geely oder SAIC auf internationale Märkte und überholen und verdrängen etablierte westliche Wettbewerber bei Stückzahlen, Exporten und Innovationszyklen – ein Muster, das sich auch in anderen Zukunftstechnologien wie der Biotechnologie zeigt. 

Die Zahlen sind beeindruckend: Laut dem Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) wurden allein in den ersten sechs Monaten 2025 neue Solaranlagen mit einer Leistung von 210 Gigawatt neu errichtet – mehr als die gesamte installierte Solarleistung in den USA Ende 2024 mit rund 178 Gigawatt. Deutschland liegt Ende 2024 bei 100 Gigawatt.

Der Erfolg basiert auf massiven staatlichen Interventionen. Chinesische Subventionen sind im Durchschnitt drei bis vier Mal höher als in OECD-Ländern. Manchmal sind sie bis zu neunmal so hoch, wie DW berichtet. Ein Bericht des Kieler Instituts für Weltwirtschaft schätzte industrielle Subventionen 2019 auf 221 Milliarden Euro oder 1,73 Prozent von Chinas Bruttoinlandsprodukt.

Das Solarkraftwerk in Xinjiang, China, erstreckt sich über Tausende Hektar Wüstenlandschaft. Solche Mega-Projekte ermöglichen es China, allein in den ersten sechs Monaten 2025 mehr Solarleistung zu installieren als die USA insgesamt besitzen. © IMAGO / VCG

Erneuerbare Energien überholen Kohle global: 
Südkorea und Japan setzen auf Innovation
Der weltgrößte E-Auto-Hersteller BYD erhielt 2022 Subventionen in Höhe von 2,1 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2020 waren es noch 220 Millionen Euro. Diese industriepolitische Steuerung schafft durch langfristige Subventionen, Kreditprogramme und Planungszyklen entscheidende Anreize.

Auch jenseits von China ist das Momentum klar erkennbar. Südkorea investiert Milliarden in Wasserstofftechnologien und Kreislaufwirtschaft, Japan verknüpft Klimaschutz mit technologischer Innovation – von Energieeffizienz bis zur Digitalisierung der Stromnetze. Konzerne wie Hyundai, SK oder LG Energy Solution prägen weltweit Standards bei Batterien und Brennstoffzellen, während Mitsubishi und Panasonic Maßstäbe in Effizienz- und Steuerungstechnologien setzen.

Die Erfolge zeigen sich in globalen Statistiken: Laut einem Bericht der Denkfabrik Ember generierten Wind- und Solaranlagen 2025 erstmals mehr Strom als Kohlekraftwerke weltweit. Die Welt erzeugte fast ein Drittel mehr Solarstrom im ersten Halbjahr 2025 verglichen mit 2024 und deckte damit 83 Prozent des globalen Strombedarfswachstums.

Deutschlands Energiewende verliert an Schwung und Europa verliert industrielle Wettbewerbsfähigkeit
Deutschland hingegen kämpft mit strukturellen Problemen. Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums zufolge stieg die installierte Leistung erneuerbarer Energien 2024 um 20 Gigawatt auf 190 Gigawatt – ein respektabler Zuwachs von immerhin zwölf Prozent. Doch es gibt Schwächen. 

Bei Windenergie an Land fehlten laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) 5,5 Gigawatt zum EEG-Ziel 2024. Wind auf See dürfte die gesetzlichen Ziele von 30 Gigawatt für 2030 erst 2032 erreichen. 

Besonders problematisch: Dem Monitoringbericht 2025 zur Energiewende zufolge schwächt sich die Zubaudynamik bei Aufdach-Solaranlagen ab, was negative Effekte auf die Zielerreichung bis 2030 haben könnte. Gleichzeitig steigen die Systemkosten. Der Netzausbau im Übertragungsnetz kostet laut Monitoringbericht statt geplanter 320 nun 440 Milliarden Euro – eine Steigerung um 37,5 Prozent.

Das Engagement, das China seit den 2000er Jahren zeigt, war auch in Europa einst spürbar. Davon zeugen der European Green Deal der EU-Kommission und das – zugegeben auf der Kippe stehende – vorläufige Verbrenner-Aus. 

„Doch was nützen ambitionierte Ziele,
wenn sie im Wochentakt infrage gestellt werden?“

fragt sich nicht nur Dr. Franziska Schmidtke, redaktionelle Politikwissenschaftlerin der Friedrich-Ebert-Stiftung. Europas Solarindustrie wurde bereits durch billige chinesische Importe dezimiert. Obwohl EU-Länder 2024 Rekordmengen an Solarkapazität installierten – 40 Prozent mehr als 2022 – kam die überwiegende Mehrheit der Module und Teile aus China. Dazu mehrten sich Meldungen von insolventen europäischen Solar-Panel-Produzenten. Die EU kündigte bereits Untersuchungen wegen unfairer Subventionen in Chinas Wind- und Solarindustrie an.

Europa verliert Anschluss: Kohle bleibt Achillesferse der Energiewende
Trotz aller Fortschritte bei erneuerbaren Energien bleibt die Kohle ein Problem. China baut weiterhin massiv Kohlekraftwerke aus – 2025 sollen über 80 Gigawatt ans Netz gehen. Der Ausbau erneuerbarer Energien geht mit anhaltendem Kohleverbrauch einher, um den wachsenden Energiehunger zu stillen. Auch global erreichte der Kohleverbrauch einen neuen Höchststand.

 „Es besteht kein Zweifel daran,
dass wir im Großen und Ganzen das Richtige tun.
Wir bewegen uns nur nicht schnell genug“
 meint Clea Schumer vom World Resources Institute.


Grünes Wachstum funktioniert im Übrigen nur sektorübergreifend. Der Monitoringbericht 2025 zur deutschen Energiewende zeigt auf, dass zwischen Strombedarf, erneuerbaren Energien, Netzausbau, Digitalisierung und Wasserstoffhochlauf starke Interdependenzen bestehen. Deutschland brauche eine „SES 2.0“ – eine weiterentwickelte Systementwicklungsstrategie mit höherer Verbindlichkeit und durchgängiger Planung bis auf lokale Ebene. Und während Asien Klimapolitik längst als Baustein industrieller Stärke begreift, jenseits von Wahlzyklen, ringt Europa noch um eine gemeinsame Linie und steht nun, mehr denn je, vor der Herausforderung, eine eigene Antwort auf diese Dynamik zu finden. (ls)



Standard hier  3. November 2025,

Chinas Batteriedominanz stellt Europa vor Herausforderungen

Chinas Batteriedominanz stellt Europa vor Herausforderungen
Experten fordern mehr finanzielle Mittel für Europas Energiesicherheit - Natrium-Batterien könnten Lithium verdrängen

Nach den Handelsgesprächen zwischen Vertretern Chinas und der EU-Kommission am Freitag gibt es eine vorläufige Entwarnung: Laut EU-Handelskommissar Maroš Šefcovic gilt die von China angekündigte Aussetzung der Ausfuhrbeschränkungen bei Seltenen Erden auch für die EU. Dennoch mahnen Experten, dass Europa dringend die finanziellen Mittel erhöhen und eine Expertenkommission einsetzen müsse, um seine Versorgung mit kritischen Rohstoffen wie Lithium sicherzustellen.

Dringender Handlungsbedarf für Europas Rohstoffversorgung
Lithium ist der Grundstoff für Lithium-Ionen-Batterien, die weltweit fast alle Smartphones, Laptops und Elektrofahrzeuge antreiben. Lithium-Ionen-Batterien sind Teil einer fragilen Wertschöpfungskette, die überwiegend von China kontrolliert wird - von der Rohstoffverarbeitung bis zur Fertigung der Batterien. Rund 85 Prozent der globalen Batterieproduktion stammen aus China. Europas ehrgeiziger Umstieg auf erneuerbare Energien und Elektroautos macht den Kontinent besonders anfällig: Die starke Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten sorgt für erhebliche Unsicherheit.

Der Großteil der Lithium-Produktion erfolgt in Australien, Chile und China. Angesichts dieser Konzentration der Förderung auf wenige Länder stuft die EU Lithium als kritischen Rohstoff ein. Mit dem 2024 verabschiedeten Critical Raw Materials Act will die EU ihre Abhängigkeit von China in diesem Bereich verringern. Bis 2030 sollen mindestens zehn Prozent des Jahresverbrauchs durch Produktion in der EU selbst gedeckt werden. Experten warnen jedoch, dass bisher ausreichende Finanzmittel fehlen. Die Organisation European Initiative for Energy Security fordert daher die Gründung eines europäischen Netzwerks, das Investitionen entlang der gesamten Lieferkette kritischer Rohstoffe bündelt.

Natrium-Ionen-Batterien machen Lithium-Ionen-Batterien Konkurrenz
Während Europa noch um Strategien und Finanzierungsmodelle ringt, schreitet die technische Entwicklung andernorts rasch voran, sagt Misha Glenny, Direktor des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen. Der chinesische Batteriehersteller CATL will ab 2026 Natrium-Ionen-Batterien in Serie produzieren. Diese gelten als günstiger, sicherer und temperaturstabiler als Lithium-Ionen-Batterien. Mit Lithium-Projekten ''läuft Europa Gefahr, die Schlachten von gestern zu schlagen'', so Glenny. Er fordert, dass eine europäische Expertenkommission innerhalb von sechs Monaten prüft, ob die EU ihre Industriepolitik anpassen sollte.

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