Donnerstag, 20. Januar 2022

#Faktenfuchs: "Weniger Waldrodung für Windräder als behauptet"

 26.12.2021, 06:11 Uhr   BR 24  hier  von Elisabeth Kagermeier

Zwei Prozent der Bundesfläche will die Ampelkoalition für Windenergie ausweisen.
Manche befürchten nun, ganze Wälder würden gerodet. Das stimmt nicht, recherchiert der #Faktenfuchs. Doch wieviel Wald wird wirklich für die Windkraft abgeholzt?

Dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden sollen, darüber sind sich die meisten Parteien und laut Umfragen auch Bürger einig. Vor der eigenen Ortsgrenze möchten viele aber kein Windrad stehen haben, und auch nicht im benachbarten Wald.

Seit die neue Bundesregierung ihren Koalitionsvertrag vorgestellt hat, diskutieren User im Netz wieder vermehrt über Windräder - insbesondere darüber, wie viel Wald dafür gerodet werden muss.
Im Koalitionsvertrag heißt es: "Für die Windenergie an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden."

Im Netz wird nun behauptet, es würden ganze Wälder für Windräder abgeholzt.
"Wer Klimaschutz sagt, muss Bäume pflanzen und nicht für Windräder ganze Wälder roden!", schreibt zum Beispiel einer. Für Windräder und für den Klimaschutz zu roden sei "schizophren", heißt es an anderer Stelle. Ein dritter behauptet, es würden "Urwälder gerodet".

User behaupten, ganze Wälder würden für Windräder abgeholzt. Das stimmt nicht - auch wenn tatsächlich Bäume für Windräder abgeholzt werden.

Der #Faktenfuchs klärt, wie viel Bäume für ein Windrad im Wald abgeholzt werden, wie viel Wald bisher schon für Windräder gerodet wurde - und wie viel Wald voraussichtlich für das Zwei-Prozent-Ziel der Bundesregierung abgeholzt werden muss.

Und zuletzt: Widersprechen sich Klimaschutz und Bäume abholzen nicht eigentlich?

Wie viele Bäume werden für ein Windrad im Wald abgeholzt?

Wenn ein Windrad im Wald gebaut werden soll, müssen Bäume gerodet werden. Anders als teilweise behauptet, werden aber keine ganzen Wälder für Windparks abgeholzt. Es braucht pro Anlage dauerhaft eine Freifläche von durchschnittlich 0,46 Hektar - weniger als ein Fußballfeld (häufigste Größe eines Fußballfelds: etwas über 0,7 Hektar). Das zeigen Daten von Landesforstbehörden, Windparkbetreibern und Projektenwicklern, die die Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) gesammelt hat. In Bayern liegt der Durchschnitt niedriger: Hier nimmt eine Windkraftanlage bisher durchschnittlich 0,35 Hektar Wald dauerhaft in Anspruch.

Diese Fläche braucht es für das Fundament des Windrads, den Platz für einen Kran für Wartungen und Reparaturen und falls nötig für Zuwege. Für die Bewegung des Rotors muss kein Platz freigehalten werden, weil die modernen Windräder mittlerweile so hoch sind, dass sie sich oberhalb des Waldes drehen.

Meistens wird diese Fläche von durchschnittlich 0,46 Hektar gerodet. Manchmal können aber auch Kahlflächen genutzt werden, die durch einen Sturm, Dürre oder Schädlingsbefall entstanden sind. Gerade im Nutzwald könne man auch auf das Wegenetz zurückgreifen, dass es schon durch die Forstwirtschaft gibt, sagt Paul Lehmann, Juniorprofessor für Umwelt- und Energieökonomik an der Universität Leipzig in Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

Aber oft müssten Wege zum Beispiel in Kurven verbreitert werden, damit die Schwerlaster durchfahren können. Die Fläche, die für eine Windkraftanlage gerodet wird, muss normalerweise woanders ausgeglichen werden. Heißt: An anderer Stelle gibt es eine Erstaufforstung mit neuen Bäumen in mindestens derselben Größe.

Die Genehmigung, die Rodungsfläche von Bäumen freizuhalten, ist zeitlich begrenzt darauf, wie lange die Windanlage in Betrieb ist - in der Regel 20 bis 25 Jahre. "Diese Rodung findet nicht auf Dauer statt", sagt Michael Suda, Professor für Wald- und Umweltpolitik an der TU München. Man könne davon ausgehen, dass eine forstwirtschaftliche Nutzung nach Ende des Pachtvertrags wieder stattfindet.

Dazu kommt eine Fläche von durchschnittlich 0,4 Hektar pro Windkraftanlage ......

Wenn eine Windkraftanlage im Wald gebaut wird, müssen durchschnittlich 0,86 Hektar dafür gerodet werden - gut die Hälfte davon dauerhaft.

Zwei Prozent der Bundesfläche für Windenergie: Was bedeutet das?

Die zwei Prozent der Bundesfläche, die die neue Regierung laut Koalitionsvertrag für Windenergie ausweisen will, bedeuten nicht, dass diese Fläche komplett mit Windrädern zugepflastert werde, sagt zum Beispiel Volker Quaschnig.

Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz schreibt auf Anfrage des #Faktenfuchs, dass die durch eine Planungsbehörde ausgewiesenen Flächen nicht vollständig durch die Windenergienutzung verbraucht würden, sondern dass der überwiegende Anteil der Flächen weiterhin zum Beispiel für die Land- und Forstwirtschaft zur Verfügung stehe.

In diese geplanten zwei Prozent der Bundesfläche sollen nämlich auch die Abstandsflächen einfließen, die Windräder zum Beispiel zueinander brauchen. Stehen Anlagen zu eng zusammen, können die Anlagen in zweiter Reihe nicht mehr die volle Leistung erbringen. Welche Abstände dabei nötig seien, sei abhängig von der Größe der Anlage und dem Umfang des Rotors, sagt ein Sprecher des Bundesverbands Windenergie. Auf diesen Abstandsflächen können zum Beispiel Bäume problemlos stehen bleiben....

Wesentlich weniger Fläche genutzt als ausgewiesen

Bei dem Flächenziel von zwei Prozent für Windenergie geht es außerdem erst einmal nur darum, dass diese Fläche ausgewiesen werden soll. "Eine Flächenausweisung ist aber kein Selbstläufer und sagt noch nicht, wie viele Anlagen dort tatsächlich gebaut werden", sagt Marie-Luise Plappert vom Umweltbundesamt. Aktuell sind laut der Behörde 0,8 Prozent der Bundesfläche rechtskräftig für Windenergie ausgewiesen - das heißt aber nicht, dass auch wirklich auf dieser gesamten Fläche Windräder stehen. 2017 waren von der damals ausgewiesenen Fläche zum Beispiel gut 42 Prozent frei.

Wegen Höhen- und Abstandsbeschränkungen reduziere sich die geeignete Fläche schon mal von 0,8 auf etwa 0,5 Prozent, sagt Plappert. Davon würden nochmal 20 bis 30 Prozent wegen Artenschutz, Abständen zu Militäranlagen und Luftfahrt wegfallen oder weil die Eigentümer nicht zustimmen. Das Einverständnis ist nämlich noch nicht abgefragt, wenn eine Fläche ausgewiesen wird. Außerdem ist dann noch offen, wie gut die Bedingungen an einem Standort sind und ob sich dafür ein Investor findet...


Fazit

Dass für die Windkraft "ganze Wälder" - wie häufig behauptet - gerodet werden sollen, wird laut Experten nicht passieren. Windräder im Wald brauchen Rodungsinseln für den Sockel und Wartungsarbeiten, rundherum können die Bäume stehen bleiben. Pro Windrad im Wald braucht es in Deutschland durchschnittlich 0,46 Hektar Freifläche. Die knapp 2.100 Windenergieanlagen, die bisher im Wald stehen, brauchen etwa 960 Hektar, auf denen dauerhaft keine Bäume stehen können. Anteilig wurde bisher weniger als 0,01 Prozent des Waldes in Deutschland dauerhaft für Windräder gerodet.

Wie viel Waldfläche für Windräder ausgewiesen werden müsste, um das 2-Prozent-Ziel der Bundesregierung zu erreichen, ist unklar. Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, wie viel Potential es in Deutschland für Windkraftanlagen gibt - je nachdem wie streng Faktoren wie Abstand zu Siedlungen, Ausschluss von Wald oder Artenschutz betrachtet werden. Außerdem gelten in den Bundesländern unterschiedliche Regeln und die Entscheidung, welche Flächen konkret ausgewiesen werden, liegt vor Ort bei den Kommunen.

Was man sagen kann: Freiflächen eignen sich zwar normalerweise besser für Windkraft, aber mit neuen größeren Windrädern kann sich auch Windkraft im Wald lohnen. Laut den Experten, mit denen der #Faktenfuchs gesprochen hat, würde man für die Ausbauziele der Bundesregierung nicht darum herumkommen, weitere Windräder in den Wald zu bauen. ...

2 Kommentare:

  1. Hätte die CDU nicht total versagt, würden Windräder schon längst stehen und Energie liefern. Jetzt geht's halt in den Staatsforstes, da man nicht nach anderen Standorten suchte. Wir brauchen Solar+Windkraft.

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  2. Diese Rechnung kann man so nicht stehenlassen. Für die 3 Windräder bei Bad Saulgau wurden nachweislich 3,6 Hektar Waldfläche gerodet. Diese Fläche steht trotz eventueller Wiederaufforstung für rund 150 Jahre nicht mehr als Fläche mit Waldfunktionen zur Verfügung. Ebenfalls unerwähnt bleibt die massive Verdichtung der Waldwege damit sie die schweren Baumaschinen und Fahrzeuge überhaupt tragen können. Ebenfalls nicht verläßlich ist die Aussage, dass mit mindestens gleichwertigen Bäumen bepflanz wird. Es ist nicht sicher welche Baumarten wirklich für die Zukunft geeignet sind. Des weiteren wird nicht erwähnt, dass nach 25 Jahren eigentlich egal ist was mit dem ehemaligen Wald weiter passiert, da der Mitvertrag dann abgelaufen ist. Wälder welche durch Windradbau "Zerschnitten" werden haben nicht mehr die gleiche Funktionsfähigkeit wie unzerschnittene Wälder. Da bringen irgendwelche Ausgleichsflächen rein gar nichts.

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