FAZ hier von Timo Steppat
Ampel-Koalitionsvertrag
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Haben sich die Grünen klimapolitisch zu wenig durchgesetzt?
Umweltverbände finden Lob für die Ziele im Ampel-Koalitionsvertrag, haben aber Zweifel an dem Weg dahin. Klimaaktivisten und die Parteijugend der Grünen sind unzufrieden. Nun steht die Vertrag an.
Die Klimaaktivisten von „Fridays for Future“ sind unzufrieden. Es dauerte nicht lange, bis sie ihre ersten Erklärungen verbreiteten am Donnerstag: Mit diesem Koalitionsvertrag könne man das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen und wieso soll der Kohleausstieg überhaupt nur „idealerweise“ 2030 erreicht werden? „Mit ihren vorgelegten Maßnahmen entscheiden sich die drei Parteien bewusst für eine weitere Eskalation der Klimakrise“, hieß es. Dass die Koalition den CO2-Preis nicht erhöhen wolle, bezeichneten die Aktivisten als einen „Skandal“. Ebenso kritisierten sie, dass die Parteien die Erdgasinfrastruktur ausbauen wollten. Die notwendige Klimaneutralität bis 2035 sei so nicht zu erreichen. Um die Krise zu lösen, forderten die Aktivisten eine „Transformation der Gesellschaft“.
Verwunderlich ist die Kritik nicht. Schon innerhalb der Grünen zeichnete sich in den vergangenen Wochen ab, dass man mit den Ergebnissen im Bereich Klimaschutz alles andere als zufrieden war. Auch die Grüne Jugend, die in der Partei mit ihrer wachsenden Zahl von Mitgliedern an Bedeutung gewonnen hat, murrt. Der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien, der vorgezogene Kohleausstieg 2030 sowie der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor seien zwar Erfolge für die Klimabewegung und die Grünen, hieß es. Kritik äußerte die linke Parteijugend eher daran, dass der Hartz-IV-Satz nicht steigen soll und sozialpolitisch zu wenig herausgeholt worden sei.
Mit Sorge blicken die beiden Vorsitzenden, Sarah-Lee Heinrich und Tim Dzienus, auf das Thema Verkehr. Das zuständige Ministerium mit viel Budget geht nicht an die Grünen, sondern an die FDP. „Meine Position: ohne grünes Verkehrsministerium keine grüne Regierungsbeteiligung“, schreibt auch die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, auf Twitter. Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die auch Mitglied der Grünen ist, zeigte sich erfreut über den Kohleausstieg und darüber, dass man Dörfer im Rheinland habe retten können. Das 1,5-Grad Ziel zu erreichen, bedeute „Handarbeit“ – man müsse weiter Druck aufbauen, so Neubauer am Mittwochabend im ZDF.
Wie der Koalitionsvertrag von der Klimaschutzbewegung und von Umweltorganisationen bewertet wird, die der Partei nahe stehen, ist wichtig für die Grünen. Denn von Donnerstag an entscheiden alle Mitglieder der Partei, ob man dem Vertrag zustimmt. Während der Verhandlungen mit SPD und FDP war es sicherlich ein Argument, um mehr durchzusetzen – „sonst macht die Basis nicht mit“. Jetzt geht es darum, die Mitglieder von dem zu überzeugen, was vorliegt. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hob den „Klimacheck“ in Interviews hervor, dem jedes Gesetz unterzogen werde. Dabei handele es sich um einen großen Fortschritt. Eine Ablehnung der Basis wird als unwahrscheinlich angesehen, allerdings wäre auch eine knappe Zustimmung für die Grünen und die künftige Regierung kein gutes Signal.
Umweltorganisationen bewerten den klimapolitischen Teil des Koalitionsvertrages eher positiv. Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Klimaschutzorganisation Germanwatch, findet lobende Worte: „Was etwa die Ziele im Ausbau der erneuerbaren Energien betrifft, ist das vielversprechend”, sagte er der F.A.Z. „Sollte es im vorgegebenen Tempo gelingen, könnte es schon 2035 ein treibhausgasneutrales Energiesystem in Deutschland geben.“ Zweifel äußert er im Bereich der Verkehrspolitik. Zwar gebe es das Ziel von 15 Millionen Elektroautos, aber die Instrumente zur Umsetzung seien nur vage angedeutet.
Entscheidend ist aus Bals‘ Sicht, ob es der Koalition gelinge, die wichtigen Instrumente scharf zu stellen: „Also durch finanzielle Anreize, das Ordnungsrecht und den angemessenen CO2-Preis den Weg zur Klimaneutralität zu finden.“ Bei allen drei Instrumenten gebe es Bedenken, etwa die Sorge, den CO2-Preis nicht zu hoch schrauben zu dürfen. Hingegen zeigte die FDP Zweifel am Mittel des Ordnungsrechtes, auch um der Wirtschaft nicht zu schaden. „Viele Maßnahmen müssen schon 2022 im Klimasofortprogramm verankert werden. Ob die Koalition ihre klimapolitischen Ziele erreicht, entscheidet sich schon im kommenden Jahr“, sagt Bals.
Olaf Brandt, Vorsitzender des BUND, spricht zwar von einem umweltpolitischen Koalitionsvertrag, der ein Fortschritt sei, äußert aber Zweifel, ob damit das 1,5-Grad-Ziel von Paris eingehalten werden könne. „Kritisch sehen wir diesbezüglich beispielweise die Maßnahmen im Verkehrssektor, der Gasinfrastruktur und beim Abbau umweltschädlicher Subventionen“, so Brandt. „Die Ampel-Koalition hat einen ambitionierten Einstieg in den Umbau der Tierhaltung vorgelegt. Nun wird es darum gehen, die Agrarpolitik im Geiste der Zukunftskommission Landwirtschaft zu gestalten.“
Der Bericht in der Zeit hier
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